Die EU-Kommission hat heute ihre Herbstprognose zur wirtschaftlichen Entwicklung in Europa (Autumn European Economic Forecast) vorgelegt. In diesem Dokument prognostiziert die Kommission die wirtschaftliche Entwicklung für die Jahre 2016 und 2017 für die gesamte Europäische Union, die Eurozone und die einzelnen Mitgliedsstaaten. Jedes Jahr veröffentlicht die Kommission jeweils eine Frühjahrs-, eine Herbst- sowie eine Winterprognose.
Die Herbstprognose der EU-Kommission kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:
“Die Prognose zeigt: Eine Zähmung der Widerspenstigen ist nicht geglückt. Weder Frankreich noch Italien halten sich an die Vorgaben zum Abbau der Staatsdefizite. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt würde als Korsett aber auch gar nicht passen. Ordentlich angelegt, würde er Europa die Luft abschnüren und in die Deflation stürzen.
In diesem Frühjahr hat Frankreich einen Aufschub bis 2017 erhalten um sein Defizit auf unter 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu bringen. Die neuen Prognosewerte der Kommission sehen das französische Defizit auch im Jahr 2017 noch bei 3,3% des BIP, d.h. deutlich über der 3%-Marke. Auch bei den Vorgaben zum Abbau des konjunkturbereinigten Haushaltsdefizits hinkt Frankreich deutlich dem Minimalziel von 0.5% hinterher. Für das Jahr 2016 prognostiziert die Kommission lediglich einen Abbau von 0,3%, und im das Jahr 2017 soll das konjunkturell bereinigte Defizit sogar wieder um 0,2% ansteigen. Eine Einhaltung der EU-Haushaltsregeln sieht anders aus.
Italien zeigt sich halbherzig, wenn es um die Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes geht. Beim generellen (nominellen) Defizit zeigt die Kurve lt. Prognose der Kommission in die richtige Richtung: Es soll sich von -2,6% des BIP (2015) auf -1,6% (2017) verbessern. Trübe Aussichten herrschen dagegen beim konjunkturell bereinigten Defizit. Bemühungen zum Abbau sind Fehlanzeige, dieses Defizit soll sich sogar von -1% des BIP (2015) auf -1.4% (2017) verschlechtern. Im Klartext: Die italienische Regierung macht voraussichtlich nur die Hälfte ihrer Hausaufgaben. Ähnlich sieht bei es bei anderen EU-Ländern aus, ohne dass die Kommission zu Sanktionen greift.
Nicht zu vergessen: Die Herbstprognose liefert auch Einblicke in den Umgang der Kommission mit dem einseitigen Regelwerk des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die Brüsseler Behörde steckt bei dieser Prognoseübung in einer Zwickmühle zwischen Deflation und Beugung der eigenen Regeln. Pocht sie auf eine konsequente Einhaltung der neuen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in allen EU-Staaten, treibt sie die Eurozone in die Deflation. Lässt die Kommission es durchgehen, dass Mitgliedsstaaten die neuen Regeln nur halbherzig anwenden, sind die reformierten Vorgaben gleich wieder unglaubwürdig. Wer einen starken Stabilitäts- und Wachstumspakt will, muss sich daher für eine gemeinsame Investitionspolitik in Europa aussprechen. Die Blockade der Euroländer gegen eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik treibt die EU-Kommission in den Regelbruch.”
Die Herbstprognose der EU-Kommission finden Sie hier: http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/eeip/pdf/ip011_en.pdf