In der September-Plenarsitzung des Europäischen Parlaments wurden endlich und mit breiter Mehrheit die Vorschläge zur gemeinsamen europäischen Bankenaufsicht beschlossen. Die Gesetzestexte waren im April schon angenommen worden. Das Parlament hatte aber ein interinstitutionelles Abkommen mit der EZB zur parlamentarischer Kontrolle zur Bedingung für das endgültige Inkrafttreten gemacht. Die Einigung zu diesem Abkommen haben wir am 10. September 2013 erzielt. Wir konnten in beiden Texten wichtige Grüne Forderungen durchsetzen.
Anwendungsbereich
Die SSM-Verordnung gilt zunächst für die Staaten der Eurogruppe. Mitgliedstaaten, die noch nicht den Euro eingeführt haben, können der gemeinsamen Aufsicht auf eigenen Wunsch beitreten. In teilnehmenden Staaten werden Großbanken mit einem Bilanzvolumen von über 30 Mrd. € von der EZB beaufsichtigt, ebenso grundsätzlich die drei größten Banken in allen beteiligten Ländern. Kleine und mittlere Banken werden weiterhin national beaufsichtigt. Die EZB sichert die Konsistenz der gesamten Aufsicht in allen betroffenen Staaten, auch für kleinere Institute. Die teilnehmenden Staaten können darüber hinaus auch weitere Banken unter EZB-Aufsicht stellen, wenn sonst Wettbewerbsverzerrungen zu befürchten sind. Damit können kleinere Banken wie etwa Sparkassen und Genossenschaftsbanken unter nationaler Aufsicht verbleiben.
Demokratische Kontrolle
Der wichtigste Erfolg ist, dass sich die EZB bei ihrer Aufsichtstätigkeit gegenüber dem Europaparlament verantworten muss. Im Gesetzestext wird klargestellt, dass das Prinzip der Unabhängigkeit für die Zentralbank nur für die Geldpolitik gilt und nicht für die Bankenaufsicht. Dies ist ein Novum und ein Erfolg für das Europaparlament. Die Rechte des Europaparlaments sind nicht nur in der Verordnung festgelegt, sondern in einer interinstitutionellen Vereinbarung zwischen Europaparlament und EZB detailliert geregelt.
Die Transparenzpflichten der EZB Im Einzelnen:
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Die EZB muss dem Europaparlament die wichtigsten Informationen aus den Sitzungsprotokollen des Rates der Aufseher zur Verfügung stellen.
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Sollte der Gouverneursrat der EZB eine Entscheidung des Rates der Aufseher zurückweisen, müssen der/die Vorsitzende des verantwortlichen Ausschusses darüber vertraulich informiert werden.
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Die EZB muss schriftliche und mündliche Fragen des Europaparlamentes beantworten. Sollten Themenbereiche, die der Geheimhaltung bedürfen betroffen sein, gibt es die Möglichkeit, diese in vertraulichen Treffen mit dem Europaparlament zu besprechen.
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Sollte das Europaparlament Untersuchungen einleiten, muss die EZB im Rahmen dieser Untersuchungen genauso kooperieren, wie in einem Untersuchungsausschuss. Das macht kritische Überprüfungen durch das Europaparlament entscheidend einfacher.
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Die EZB muss dem Parlament regelmäßig über ihre Aufsichtstätigkeit zu berichten.
Mitentscheidungsrechte bei Ernennung und Abberufung von Vorsitzenden durch das Europäische Parlament
Zur effektiven Kontrolle der EZB-Finanzaufsicht erhält das Europaparlament ein Mitentscheidungsecht bei der Ernennung der oder des Vorsitzenden und der Stellvertreterin oder des Stellvertreters der Aufsicht. Damit ist ein Übergehen der Parlamentsposition wie bei der Ernennung von Yves Mersch durch den Rat ausgeschlossen. Die Auswahl des Vorsitzes erfolgt in einem offenen Ernennungsverfahren, bei dem das Parlament eine Liste der Kandidaten erhält. Der oder die Vize kommt aus den Reihen des EZB-Direktoriums. Außerdem bekommen Europaparlament und Rat das Recht, ein Amtsenthebungsverfahren gegenüber der oder dem Vorsitzenden einzuleiten.
Konditionen für Staaten außerhalb des Euro
Zu den Konditionen für die teilnehmenden Staaten, die nicht der Eurogruppe angehören, ist es uns gelungen, eine Lösung zu finden, die die gemeinsame Bankenaufsicht auch für Nicht-Euroländer attraktiv macht. Gemäß des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, haben im höchsten Entscheidungsgremium der EZB, dem EZB-Rat, Staaten, die nicht der gemeinsamen Währung angehören kein Mitentscheidungsrecht. Die gefundene Lösung bietet Staaten wie z.B. Schweden, Polen und Dänemark, die nicht im Gouverneursrat vertreten sind attraktive Konditionen zum Beitritt ohne weitreichende Ausnahmen zu gewähren. Dies würde eine kohärente Aufsicht gefährden. Der ausgehandelte Kompromiss folgt nun fast wörtlich unseren Vorschlägen.
Ein Board of Supervisors bereitet alle Entscheidungen zur Bankenaufsicht vor, und legt sie dem EZB-Rat vor. Im Board of Supervisors sitzen Vertreter aller teilnehmenden Staaten. Wenn der EZB-Rat Entscheidungen des Boards zurückweist, die Nicht-Euroländer betreffen, können diese einen Vermittlungsausschuss anrufen. Wenn der EZB-Rat sich über dessen Empfehlung hinweg setzt, haben Nicht-Euroländer das außerordentliche Recht die gemeinsame Aufsicht zu verlassen. Dieses Recht zum Austritt wurde vom Rat gegen den entschiedenen Widerstand des Parlamentes durchgesetzt. Durch diese Regelung müssen schwierige Entscheidungen gegen nicht Eurostaaten immer vor einer gewissen Drohkulisse getroffen werden. Wir haben diese Klausel trotzdem im Zuge eines großen Kompromisses hingenommen, da austretende Staaten sich am Kapitalmarkt in eine schwierige Lage bringen und damit vor allem selbst schädigen würden.
Strikte Abgrenzung des EZB-Personals zwischen Geldpolitik und Aufsicht
Auf Betreiben des Parlaments werden die Abteilungen der EZB, die für die Geldpolitik zuständig sind, grundsätzlich von den Abteilungen der Aufsicht getrennt. Die Ausgestaltung dieser Regel wird durch das Europaparlament zu beobachten sein.
Stärkung der EBA bei Stresstests und bei der Beschaffung von Informationen:
Um eine gleichmäßige und qualitativ hochwertige Bankenaufsicht im gesamten Europäischen Binnenmarkt der EU-28 sicherzustellen, wird die EBA auf Betreiben des Europaparlaments gestärkt. Die EZB wird aus Sicht der EBA zu einem Aufseher wie alle anderen. Die EBA erhält die Aufgabe, ein einheitliches Aufsichtshandbuch zu erstellen, das auch für die EZB gilt. Die EZB muss sich auch der verbindlichen Streitschlichtung in der EBA stellen. Bei Stresstests und der Beschaffung von Daten wird die EBA deutlich gestärkt.
Abstimmungsregeln in der EBA
Um eine strukturelle Mehrheit der Aufseher in der EZB in der EBA zu verhindern, gilt bei Abstimmungen in der EBA künftig das Prinzip der doppelten Mehrheit. Im obersten Entscheidungsgremium der EBA müssen demnach eine Mehrheit der Eurostaaten und eine Mehrheit der Nicht-Eurostaaten die Entscheidungen treffen. Dies stellt einen empfindlichen Rückschritt bei der Verabschiedung gemeinsamer Regeln im EU-Finanzmarkt dar. Die Verordnung zur Übertragung der Finanzaufsicht an die EZB bedurfte der Einstimmigkeit im Rat und vor allem Großbritannien hat dies genutzt um für die Zustimmung zur EZB-Aufsicht diese Schwächung in der EBA zu erpressen. Wenn die Zahl der EU-Staaten außerhalb der gemeinsamen Aufsicht auf vier fällt, so kommt es automatisch zu einer Überarbeitung der Verordnung. Ein darüber hinaus vom Rat geplantes allgemeines Konsensprinzip bei den Entscheidungen der EBA konnte vom Europaparlament entschärft und ins Gegenteil verkehrt werden. Das Prinzip der konsensualen Entscheidungsfindung steht zwar weiterhin in der EBA-Verordnung. Der Vorsitzende der EBA erhält aber künftig das gesetzlich verankerte Recht, Abstimmungen zu verlangen, auch wenn noch kein Konsens erreicht wurde. Dies ist zwingendes Recht und das Konsensprinzip verliert dadurch seine Bindungswirkung. Trotzdem bleiben diese Regeln ein ärgerlicher Rückschritt für die europäische Demokratie und sollten bei nächster Gelegenheit geändert werden.
Proportionalitätsprinzip
EZB und EBA werden auf Grünen Vorschlag im Verordnungstext verpflichtet, auf unterschiedliche Größe und Geschäftsmodelle besonders Rücksicht zu nehmen. Die Stärkung der Finanzstabilität durch Diversität wird ausdrücklich anerkannt. Gerade kleinere Genossenschaftsbanken und Sparkassen hatten verschiedene schlechte Erfahrungen mit der EBA gemacht.
Bilanzierungsstandards
In der Verordnung wird auf unser Betreiben klargestellt, dass Banken nicht über etwaige Berichtspflichten oder andere Aufsichtsauflagen die Nutzung von IFRS-Regeln indirekt aufgedrückt werden darf. In Fällen, in denen die EZB die direkte Aufsicht innehat, kann die EZB zwar gemäß der Eigenkapitalverordnung als verantwortlicher Aufseher die Bilanzierungsstandards vorgeben, aber wir werden einen gewissenhaften Blick darauf werfen, ob dies zur Schikane gegenüber den deutschen Förderbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken genutzt wird.
Stärkung nationaler Parlamente:
Nationale Parlamente erhalten ein Anhörungsrecht gegenüber der EZB-Aufsicht können dank des Insistierens des Europaparlaments in ihren eigenen Geschäftsordnungen bestimmen, dass dieses Recht auch von einzelnen Abgeordneten wahrgenommen werden kann.