Alle Europaabgeordneten müssen schriftlich über ihre Einkünfte, finanziellen Interessen und sonstigen Mitgliedschaften Auskunft geben. Aus diesen und anderen bisher über offizielle Internetseiten verstreuten Informationen hat Transparency International ein neues Infoportal aufbereitet. Auf integritywatch.eu können Nebeneinkünfte und Nebenaktivitäten jedes einzelnen Abgeordneten eingesehen und zum Beispiel mit ihrer Anwesenheit bei Abstimmunngen im Parlament verglichen werden.
Den Start von integritywatch.eu kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:
„Transparency International zeigt Martin Schulz und uns im Parlament, wie die bürgerfreundliche Aufbereitung der Nebentätigkeiten von EU-Abgeordneten statt des bisherigen Datensalat aussehen kann. Integrity Watch entlarvt die Schlamperei von Parlamentspräsident Martin Schulz beim Einfordern der verpflichtende Angaben von den Abgeordneten: 7 Erklärungen sind völlig leer, obwohl die Erklärungen schon Anfang Juli abzugeben waren. Integrity Watch zeigt, dass Parlamentspräsident Schulz den Bürgern falsche Informationen im Netz zeigt, statt sie zur Korrektur an die Parlamentarier zurück zu schicken. Das neue Portal macht stattdessen Zusammenhänge durch übersichtlichen Vergleich deutlich: wer fehlt wie oft, wer macht wie viel nebenbei und mit welcher Vergütung.
Schlimmer noch als die Schlamperei von Präsident Schulz: Die Abgeordneten des zuständigen Beratungsgremiums für den Parlamentspräsidenten empfahlen in der letzten Legislatur mehrfach einstimmig Sanktionen gegen die Transparenz-Sünder unter den Abgeordeneten. Präsident Martin Schulz blockierte in all diesen Fällen Sanktionen statt die Transparenzregeln durchzusetzen. Auch in dieser Legislatur gab es keine Streichung von Tagesgeldern und keinen Entzug von Ausschusssitzen trotz offensichtlicher Regelverletzungen, wie Artikel 153 unserer Geschäftsordnung es vorsieht. Warum gönnt Martin Schulz Abgeordneten 300 Euro Tagegeld, während sie Bürgerinnen und Bürgern ihre potentielle Interessenskonflikte verschweigen?
Die Bürgerinnen und Bürger verdienen vollständige und aktuelle informationen. Hinter der Angabe “über 10.000 Euro” verbarg eine französische Ex-Ministerin Beratungshonorare von mehr als eine halbe Million Euro von einem einzelnen Energiekonzern. Riesige Einkommensunterschiede müssen durch andere Kategorien klarer werden. Außerdem müssen die Daten auf dem letzten Stand sein: Interessenskonflikte sollten schon während der Gesetzgebung offensichtlich werden, nicht erst wenn es zu spät ist.
Einige Abgeordnete arbeiten schon während ihrer Tätigkeit als Volksvertreter nebenbei für Unternehmen. Nicht sichtbar sind Interessenskonflikte aus versprochenen Jobs in der Zukunft wie etwa in Deutschland beim Wechsel von Ex-Gesundheitsminister Bahr zu einer privaten Krankenkasse. Gegen solche Interessenskonflikte helfen nur Karenzzeiten zwischen dem Ende des Abgeordnetenmandats und einer neuen Beschäftigung für Unternehmen im gleichen Bereich. Was für EU-Kommissare und Bundesminister gilt, muss künftig auch für Europa- und Bundestagsabgeordnete gelten. Sonst wird es mehr Fälle wie den von Sharon Bowles geben, die aus dem Finanzausschuss des EU-Parlaments direkt zur Londoner Börse wechselte.
Bei allen Problemen konnten wir Grüne dem neuen Kommissionspräsidenten Juncker klare Versprechen für mehr Transparenz in den EU-Institutionen abringen. Unsere Kollegen im Bundestag und den anderen Parlamenten haben oft mindestens genauso große Hausaufgaben, um Interessenskonflikte transparent zu machen und zu verhindern.!