Das Europäische Parlament hat einen ersten Bericht über seine Mission zur „Rechtsstaatlichkeit in Malta“ veröffentlicht. Dieser Bericht liegt jetzt auch auf Deutsch vor. Der Bericht wurde ausgelöst von den Anschuldigungen gegen Mitglieder der derzeitigen Regierung in den Panama Papers, dem Mord an der investigativen Journalistin Daphne Caruana Galizia und weitergehenden Bedenken gegenüber der Rechtsstaatlichkeit in Malta. Der gemeinsame Bericht unserer parteiübergreifenden Delegation beleuchtet gravierende Mängel der Rechtsstaatlichkeit und fordert von Malta und der EU harte Konsequenzen.
Der Europaabgeordnete Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA und Mitglied der Malta-Mission des Parlaments, erklärte dazu:
“Die Mängel der Rechtsstaatlichkeit in Malta sind systematisch. Die Europäische Kommission muss unsere Erkenntnisse nun ernsthaft prüfen. Für die maltesische Regierung ist es nun höchste Zeit, nach den Panama Papieren und der Ermordung von Daphne Galizia endlich ernsthafte Konsequenzen zu ziehen. Regierungsmitglieder mit zweifelhaften Offshore-Konten sollten aus dem Amt entlassen werden. Die EU darf die Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit in keinem Mitgliedstaat hinnehmen. Korruption und Finanzkriminalität müssen überall in Europa wirksam verfolgt werden. Deshalb wollen wir, dass die Europäische Kommission und das Europaparlament nun ihre Arbeit im Rahmen von Artikel 7 des EU-Vertrags intensivieren.”
Link zum Bericht: https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2018/02/Malta-Mission_2017_LIBE_CR2018616597_DE.docx
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Hier die Empfehlungen nach unserer Delegationsreise an die EU und an Malta:
AUF EUROPÄISCHER EBENE:
- Die Europäische Kommission sollte bewerten, ob die maltesischen Behörden die Richtlinie zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Eigenkapitalrichtlinie umfassend einhalten, insbesondere was die Erfüllung der Sorgfaltspflicht bei der Feststellung der Kundenidentität angeht.
- Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde sollte bewerten, ob die MFSA über ausreichende (Personal-)Ressourcen verfügt, nicht von Interessenkonflikten betroffen und damit in der Lage ist, ihren Aufsichtspflichten nachzukommen.
- Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde sollte bewerten, ob die MFSA angesichts ihrer erkennbaren Untätigkeit gegenüber der Pilatus-Bank und der Nexia BT, die weiterhin die Lizenz für die Erbringung von Dienstleistungen in der EU besitzen, ihren Pflichten als nationale Aufsichtsbehörde nachgekommen ist.
- Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) sollten überprüfen, ob die Tatsache, dass die Pilatus-Bank weiterhin die Lizenz für die Erbringung von Finanzdienstleistungen in der EU besitzt, eine Intervention der EZB bzw. der EBA rechtfertigt.
- Die Europäische Kommission sollte im Hinblick auf die SLAPP‑Praktiken, die gegenwärtig von der Pilatus-Bank und dem Unternehmen Henley&Partners angewandt werden, den jüngsten im Rahmen des Projekts Mapping Media Freedom entstandenen Bericht zur Kenntnis nehmen und aktiv für den Schutz der Medienfreiheit und des Journalismus in der gesamten EU sorgen, indem sie einen Gesetzesvorschlag vorlegt, mit dem diese missbräuchlichen Praktiken eingeschränkt werden.
- Die Europäische Kommission sollte bewerten, inwieweit das Programm für Einzelinvestoren, in dessen Rahmen Malta die Unionsbürgerschaft und Schengen-Aufenthaltstitel verkauft, zu Verzerrungen des Binnenmarkts führt und einen Angriff auf die Sicherheit der Europäischen Union darstellt, da es Korruption und Geldwäsche begünstigt und dem organisierten Verbrechen aus Drittstaaten Zutritt zur EU verschafft. Die Kommission sollte auch steuerliche Anreize bewerten, infolge derer im Inland erzielte Einkünfte von Einzelpersonen oder Unternehmen anders als im Ausland erzielte Einkünfte behandelt werden.
AUF NATIONALER EBENE:
- Personen, die infolge der Enthüllungen der Panama Papers und der Berichte der FIAU verdächtigt werden, an schwerwiegenden Fällen von Korruption und Geldwäsche beteiligt zu sein, sollten ihrer öffentlichen Ämter enthoben werden und es sollten unverzüglich entsprechende offizielle Ermittlungen eingeleitet und Gerichtsverfahren eröffnet werden; Ihr Verbleiben im Amt beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit der Regierung, verstärkt den Eindruck der Straflosigkeit und führt unter Umständen zu einer fortgesetzten Schädigung staatlicher Interessen, da auf diese Weise die Fortführung krimineller Aktivitäten ermöglicht wird.
- In den maltesischen Rechtsrahmen müssen stärkere Mechanismen für eine gegenseitige Kontrolle der Institutionen mit dem Ziel aufgenommen werden, die einzelnen Gewalten strenger voneinander zu trennen und den Einfluss des Premierministers auf die Justiz und die Medien einzuschränken. Außerdem sollte eine Bewertung des Medienpluralismus und der Frage, inwieweit die Medien von politischen Einflüssen unabhängig sind, durchgeführt werden.
- Das Amt des Vorsitzes der MFSA und die Aufgabe, Investitionen in Malta zu fördern, sollten entkoppelt werden.
- Das Amt des Generalstaatsanwalts muss dahingehend reformiert werden, dass seine Rolle als Berater der Regierung von seiner staatsanwaltlichen Funktion getrennt wird.
- Die Justiz muss, insbesondere auf der Grundlage der im Jahr 2013 abgegebenen Empfehlungen, mit dem Ziel reformiert werden, die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken.
- Der Polizeipräsident sollte nicht länger vom Premierminister, sondern von einem unabhängigen Gremium ernannt werden. Auch sollte der Premierminister bei der Ernennung des Obersten Richters Maltas nicht länger ein Vetorecht besitzen.
- Das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern sollte so überarbeitet werden, dass es auch auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst Anwendung findet. Jonathan Ferris sollte Polizeischutz gewährt werden und sein Antrag auf Schutz gemäß dem Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern sollte eingehend geprüft werden.
- Die maltesische Regierung sollte ein Verzeichnis der Personen, denen im Rahmen des Programms für Einzelinvestoren die maltesische Staatsbürgerschaft verliehen wird, veröffentlichen und eine unabhängige Bewertung dieses Programms und der Verfahren zur Bekämpfung von Geldwäsche, die in Zusammenhang mit diesem Programm Anwendung finden, veranlassen.
- Die maltesische Regierung sollte ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung von Korruption und Finanzdelikten einrichten und die Zahl der Ermittlungs- und Strafverfahren erhöhen. In diesem Zusammenhang sollten Sondereinheiten bei der Polizei und der Justiz vorgesehen werden, die ausreichend mit hoch qualifiziertem Personal auszustatten sind.
- Zivilgesellschaftliche Organisationen und alle maltesischen Bürger sollten ermutigt werden, Beweise zu liefern und bei der Polizei, der FIAU und der MFSA offiziell Beschwerden im Zusammenhang mit Wirtschaftskriminalität und Geldwäsche in Malta einzureichen, damit strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden.
- Es muss eine Untersuchung zu der angeblichen Beeinflussung der letzten Wahl durch erhöhte Einstellungen im öffentlichen Dienst, die Erteilung von Baugenehmigungen und die Legalisierung unrechtmäßig errichteter Bauten sowie durch Gehaltserhöhungen und Beförderungen beim Militär durchgeführt werden.
- Auch der Behauptung, dass libysches Öl geschmuggelt werden werde, muss nachgegangen werden.
- Die Mitglieder der Delegation betonen erneut, wie wichtig es sei, dass sich Malta an der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligt und gemeinsam mit anderen teilnehmenden Mitgliedstaaten gegen Betrug zulasten der EU und sonstige Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU vorgeht.