Sven Giegold

Juncker und Tsipras sollten die Troika beerdigen

Alexis Tsipras trifft heute bei seinem ersten Besuch in Brüssel als griechischer Ministerpräsident EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Gleichzeitig reist der griechische Finanzminister Yannis Varoufakis nach Deutschland, um in Frankfurt den EZB-Präsidenten Mario Draghi zu treffen. Am Donnerstag kommt Varoufakis zu einem Gespräch mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nach Berlin.

Die Europa-Tour der griechischen Regierungsmitglieder kommentiert Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:

 

Juncker und Tsipras sollten die Troika beerdigen. Die EZB kann nicht gleichzeitig Staatsanleihen kaufen und sich über die Troika in die Wirtschaftspolitik Griechenlands einmischen. Zum Schutz ihrer eigenen Unabhängigkeit muss die EZB die Troika verlassen, was gleichbedeutend mit dem Ende der Troika ist. Mittelfristig sollte ein Europäischer Währungsfonds unter Kontrolle des EU-Parlaments für die Reformprogramme zuständig sein. Bis dahin ist die Europäische Kommission am besten legitimiert die notwendige Kontrolle auszuüben unter Einbeziehung des IWF. Die Überführung des ESM in eine echte europäische Gemeinschaftsorganisation ist ohnehin überfällig.

Die Bundesregierung muss ihre Dickkopf-Mentalität ablegen und konstruktiv an einer Neuausrichtung der EU-Reformpolitik mitwirken. Zu behaupten, die Troika hätte sich bewährt, ist bei über 30% Arbeitslosigkeit blanker Hohn für viele Griechen. Ich erwarte von Merkel und Schäuble deutlich mehr Realitätssinn bei der Bewertung der EU-Reformpolitik. Es war stets die EZB, die den schärfsten sozialen Aderlass in Griechenland forderte. Tsipras’ Forderung von einem Ende der Troika ist daher richtig. Die EU-Krisenpolitik muss sich auf die großen Strukturreformen in Griechenland in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Kataster, Steuerbetrug und Korruption konzentrieren.

In anderen strittigen Punkten sollte sich Tsipras deutlich kompromissbereiter zeigen: Finanzielle Hilfe ohne Kontrolle kann Tsipras nicht erwarten. Schon jetzt ist die griechische Wirtschaft verunsichert, weil Tsipras Geld verteilt, das er gar nicht besitzt. Tsipras Forderung nach einem Schuldenschritt ist viel Lärm um nichts, da der derzeitige griechische Schuldendienst sehr niedrig ist. Von 3,3 Mrd. Euro Zinszahlungen in 2015 bekommt Griechenland 2,0 Mrd. von der EZB zurückerstattet. 1,3 Mrd. Euro sind ca. 0,7% der Wirtschaftsleistung und damit für Griechenland leistbar. Die kurzfristigen Diskussionen über Schuldenschnitt oder Umschuldung sind daher nur die Nachwehen des Wahlkampfs. Damit die griechische Schuldendienst nicht zu stark ansteigt, müssen die Zinssätze langfristig niedrig bleiben. Dazu braucht es eine Umschuldung im Rahmen eines Europäischen Schuldentilgungsfonds. Zusammen mit einer Vermögensabgabe und dem europäischen Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerdumping kann sich Griechenland ohne martialische Schnitte nachhaltig finanzieren. Für die kurzfristigen Finanzierungsprobleme ist Tsipras’ Forderung nach weiteren Staatsanleihe-Käufen der Banken nicht sinnvoll. Sie leiden ohnehin unter Kapitalabfluss und Klumpenrisiken. Allerdings könnte der von Griechenland geforderte Primärüberschuss angesichts der sozialen Notlage und lahmen Konjunktur deutlich abgesenkt werden.

Auch für ihren aufgeblähten Beamtenapparat hat die griechische Regierung bisher keine überzeugenden Argumente geliefert. Hier muss Tsipras zurückstecken, um eine Einigung mit den europäischen Partner zu erzielen. Insgesamt müssen jetzt von allen Seiten die Weichen auf Kooperation gestellt werden, um Griechenland auf einen nachhaltigen Weg aus der Krise zu bringen. Die Überführung des ESM in eine echte europäische Gemeinschaftsorganisation ist ohnehin überfällig.

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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