Sven Giegold

Pressemitteilung der Steuerungsgruppe der Kampagne „Steuer gegen Armut“: „Etikettenschwindel! Kampagne wird aus Protest eingestellt“

Am 4.12.2018 hat die Kampagne „Steuer gegen armut“ folgende Pressemitteilung veröffentlicht. Eine PDF-Version findet sich hier: Download PDF


Pressemitteilung der Steuerungsgruppe der Kampagne „Steuer gegen Armut“ zum Aus einer europäischen Finanztransaktionssteuer
Nürnberg, 04.12.2018

Etikettenschwindel! Kampagne „Steuer gegen Armut“ wird aus Protest eingestellt

„Statt die fünfjährigen Verhandlungen mit einem positiven Beschluss einer umfassenden Finanztransaktionsteuer (FTT) abzuschließen, machen der deutsche und der französische Finanzminister mit ihrem Vorschlag einer reinen Aktiensteuer nach französischem Vorbild das bisher Erreichte zunichte. Die Beamten, die mit viel Sachverstand in mehrjährigen Verhandlungen einen Kompromiss erarbeitet haben, und auch die Zivilgesellschaft werden damit vor den Kopf gestoßen. Dass der Sozialdemokrat Olaf Scholz dem Vorschlag des französischen Staatspräsidenten so bereitwillig folgte, ist umso enttäuschender, da es doch die SPD war, die 2012 ihre Zustimmung zum EU-Fiskalpakt vom weiteren Eintreten Deutschlands für die FTT abhängig machte. So hoch war damals die politische Bedeutung der FTT“, so Detlev v. Larcher (Attac), Koordinator der Kampagne.

Nach fünf Jahren der Verhandlungen zwischen zehn Ländern im Verfahren der „Enhanced Cooperation“ wurde ein fast beschlussreifer Direktiventwurf, der trotz Verwässerungen immer noch ein interessanter Fortschritt bei der Regulierung und Besteuerung des Finanzsektors gewesen wäre, vom französischen Präsidenten abgeblockt. Die Bundesregierung hat sich in der Vereinbarung von Meseberg dem Vorschlag von Macron angeschlossen, lediglich eine Steuer auf Aktien einzuführen. Frankreich besitzt bereits eine solche Steuer. Demnach würden Finanzderivate nicht einbezogen und damit 90% der Umsätze auf den Wertpapiermärkten aus der Bemessungsgrundlage herausgenommen. Aber selbst Aktien würden nicht einmal vollständig besteuert. Die französische Steuer erfasst nur Titel von Konzernen mit einem Börsenwert von über einer Milliarde Euro. Auch Intraday-Transaktionen würden unbesteuert bleiben, weil erst am Ende des Tages nach NettoTransaktionen abgerechnet würde.

„Eine solche Steuer hätte keine regulatorische Wirkung und würde im Vergleich zum Kommissionsvorschlag nur geringe Einnahmen bringen. Von der ursprünglichen Absicht, den Finanzsektor an den Kosten der Krise zu beteiligen, bliebe nichts übrig. Die französische Schrumpfsteuer hat mit einer richtigen FTT nichts zu tun. Sie dennoch FTT zu nennen, ist Augenwischerei“, konstatiert Peter Wahl (WEED).
Vor diesem Hintergrund beschloss die Mitgliederversammlung des Bündnisses „Steuer gegen Armut“, ihre Kampagnentätigkeit in der bisherigen Form einzustellen. Für diese Schrumpfsteuer lohne es sich nicht, zu kämpfen. Die Notwendigkeit und Richtigkeit einer umfassenden Finanztransaktionsteuer bleibe weiter bestehen, heißt es in dem Beschluss. Sie bleibe Teil der zivilgesellschaftlichen Forderung nach einer Regulierung der Finanzmärkte.

Der einstimmige Beschluss der Mitgliederversammlung vom 27.11.2018 im Wortlaut:

„Es ist für unsere Kampagne nicht sinnvoll, so weiterzumachen wie bisher. Die Kampagne bezog ihre Energie und Wirkung daraus, dass es eine Idee, die die Zivilgesellschaft auf die Tagesordnung gesetzt hatte, bis zur Beschlussreife in den Gesetzgebungsprozess der EU schaffte. Aber nur für die Aktiensteuer von Macron und Scholz ist die Fortsetzung einer eigenständigen Kampagne nicht zu rechtfertigen.
Die Mitgliederversammlung beschließt daher, die Kampagne in dieser Form nicht fortzuführen und die damit verbundene Bündnistätigkeit einzustellen. Die Notwendigkeit und Richtigkeit einer umfassenden Finanztransaktionssteuer bleiben unbestritten weiterhin bestehen. Das Anliegen, eine solche Steuer zu fordern, ist und bleibt unterstützenswert.
Daher werden wir die FTT auch zukünftig in allen geeigneten Zusammenhängen als Teil der zivilgesellschaftlichen Forderungen nach einer Regulierung der Finanzmärkte vertreten. Wir bitten unsere Mitgliedsorganisationen diese Steuer in ihrem Forderungskatalog zu behalten und sich dazu weiter zu vernetzen.“

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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