Sven Giegold

Kapitalmarktunion darf nicht für Deregulierungswelle missbraucht werden

Die Europäische Kommission hat heute ihren Aktionsplan zum Aufbau einer Kapitalmarktunion (Action Plan on Building a Capital Markets Union) vorgelegt. Damit macht die Brüsseler Behörde erstmals detailliert deutlich, wie sie sich die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur angestrebten Kapitalmarktunion (CMU) vorstellt. Den Schwerpunkt legt die EU-Kommission auf die Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts, die Verbesserung des Kapitalmarktzugangs für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) und die Förderung von grenzüberschreitenden Investitionen.

Den Aktionsplan zum Aufbau einer Kapitalmarktunion der EU-Kommission kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:

 

“Die Kapitalmarktunion ist ein Fortschritt für Europas Wirtschaft, sie darf aber nicht für eine Deregulierungswelle an den Finanzmärkten missbraucht werden. Gerade die Eurozone braucht einen integrierten Kapitalmarkt, um an Stabilität zu gewinnen. Aber: Das Versprechen einer Kapitalmarktunion, bei der das Wort „Union“ nicht nur eine Floskel ist, wird durch den Aktionsplan nicht gehalten. Um einen großen Schritt nach vorne zu machen, wären gemeinsame Regeln bei Kapitalmarktaufsicht, Steuern, Vertrags- und Bilanzierungsrecht nötig. Davor schreckt der britische Kommissar Hill leider zurück, obwohl ironischerweise insbesondere die City of London davon profitieren würde. Ein größeres Maß an Europäisierung will Hill den Briten und seiner Tory-Partei wohl nicht zumuten.

Das Ziel, die europäische Investitionsschwäche zu bekämpfen, kann die Kapitalmarktunion nicht erreichen. Finanzierungsprobleme sind nicht der Hauptgrund für die niedrigen Investitionen. Nötig ist vielmehr eine Bekämpfung der schwachen Nachfrage durch einen Green New Deal. Probleme in den Bankbilanzen einzelner Länder müssen durch konsequente Restrukturierung angegangen werden. Der Kapitalmarkt wird das nicht ausgleichen.

 

Überprüfung der Finanzmarktreformen

Es ist richtig, die Vielzahl der neuen Finanzmarktgesetze einer Überprüfung zu unterziehen. Die Überprüfung darf jedoch keine Deregulierungswelle bringen, sondern muss Lücken schließen, unfairen Wettbewerb zwischen Finanzunternehmen beenden und vermeidbare Komplexität der Regeln abbauen.

 

Positive Elemente für Solidarische Ökonomie und Verbraucher

Der Aktionsplan enthält eine Reihe positiver Elemente, wie die europaweite Zulassung kleiner Kreditgenossenschaften. Es wird unsere Wirtschaft sozialer machen, wenn die Solidarische Ökonomie gestärkt wird. Auch ist es im Sinne der Verbraucher, wenn Europa einfache, transparente und kostengünstige Finanzprodukte entwickelt.

 

Fragwürdige Förderung von Verbriefungen und Infrastrukturinvestitionen

Die Senkung der Eigenkapitalanforderungen für Versicherungen und Banken bei Infrastrukturinvestitionen wie auch bei Verbriefungsprodukten weist in die falsche Richtung. Eigenkapitalanforderungen müssen sich strikt nach dem Risiko der Anlagen richten und dürfen nicht zur Wirtschaftsförderung missbraucht werden. Wir werden die zu Grunde liegenden Berechnungen gründlich prüfen und auch dem Verdacht nachgehen, dass die EBA und Eiopa von der EU-Kommission unter Druck gesetzt wurden, schwachen Eigenkapitalanforderungen zuzustimmen. Ein völlig unakzeptables Geschenk an die französische Versicherungswirtschaft ist die Absenkung der Eigenkapitalanforderungen für Aktien im Rahmen von Solvabilität II. Die Förderung von sinnvollen Verbriefungen braucht vielmehr hohe Qualitätsstandards. Damit Banken weiter streng auf die Qualität der Kredite achten, sollte der Selbstbehalt bei komplexeren Instrumenten jedoch nicht fünf sondern mindestens 10 Prozent betragen.

 

Grüne Finanzprodukte

Die EU-Kommission kündigt an, bei “grüne Anleihen” (Green Bonds) Marktentwicklungen zu beobachten und die Transparenz zu erhöhen. Diese sinnvollen Maßnahmen können dem jungen und wachsenden Marktsegment bei seiner Entwicklung helfen. Nötig ist jedoch, dass soziale und ökologische Risiken und Chancen (“ESG”) umfassend am Kapitalmarkt berücksichtigt werden und nicht nur bei wenigen Spezialprodukten.

 

Realwirtschaftlich orientierte Banken fördern

In der Krise waren insbesondere deutsche Klein- und Mittelständler stabil, weil sie sich meist über Banken finanzieren, die nicht nur Shareholder Value als Ziel haben. Wer die Finanzierung von KMUs stärken will, muss regional verwurzelte Banken festigen, statt sie einseitig dem kurz getakteten Kapitalmarkt auszuliefern. Deshalb muss die Kommission mehr tun, um das regional und langfristig orientierte Bankgeschäft im Rahmen der Kapitalmarktunion zu fördern und neue Förderbanken zu gründen. Vorschläge zu deren Stärkung fehlen völlig. Wir wollen, dass die EU-Kommission kleine und konservativ wirtschaftende Banken von den komplexen Regeln der Bankenregulierung ausnimmt und ihnen stattdessen harte, aber bürokratiearme Regeln anbietet.”

 

Den Aktionsplan zum Aufbau einer Kapitalmarktunion finden Sie hier: http://ec.europa.eu/finance/capital-markets-union/index_en.htm#action-plan und http://ec.europa.eu/finance/news/index_en.htm

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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