Sven Giegold

Lobbytransparenz: Nein Danke?

Dieser Artikel erschien zunächst als Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.

Weitgehend unbeobachtet von der Öffentlichkeit haben Christdemokraten, Liberale und Sozialdemokraten im Europaparlament die Lobbytransparenz beerdigt. Seit vielen Jahren gibt es zwischen Europaparlament und EU-Kommission ein gemeinsames Lobbyregister. Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Verbände, usw. sind gehalten, sich zu registrieren und ihre Finanzierung öffentlich zu machen. Davon können wir in Berlin oder den Bundesländern nur träumen. Doch auch in Brüssel bleibt im Dunkeln, wenn Lobbyisten Gesetzgebung beeinflussen. Anders als in Kanada und Irland müssen Lobbyisten nicht transparent machen, ob sie mit Abgeordneten oder der Verwaltung über ihre Wünsche an Gesetze reden. Das ist bedauerlich, denn Transparenz würde öffentlichen Druck ausüben, dass alle Interessen ausgewogen angehört werden. Heute jedoch sind bei allen wirtschaftsnahen Gesetzgebungsverfahren mächtige Wirtschaftsvertreter in massiver Überzahl gegenüber Verbrauchern, Gewerkschaften oder sozial-ökologischen Anliegen. Immerhin hat sich die EU-Kommission verpflichtet alle Lobby-Termine mit Kommissaren, ihren direkten Mitarbeitern und Generaldirektoren transparent zu machen. Im Europaparlament gibt es einige Abgeordnete, die freiwillig ihre Lobbykontakte transparent machen. Insgesamt ist jedoch das Europaparlament für Lobbyismus ein schwarzes Loch. Derzeit laufen die ersten Verhandlungen zur Reform des Lobby-Transparenzregisters. Auf der Seite des Europaparlaments konnten sich alle Parteien schnell einigen, dass die Mitgliedsländer transparenter werden sollen. Doch nach dem Willen von Christdemokraten, Liberalen und Sozialdemokraten soll es keine verbindliche Lobbytransparenz im Europaparlament geben. Das ist eine bittere Enttäuschung für viele Bürgerinnen und Bürger, die die europäische Einigung unterstützen, aber die Macht mächtiger Wirtschaftsinteressen rund um die Brüsseler Institutionen zurückdrängen wollen. Für den Rat der Mitgliedsländer hat die EU-Kommission vorgeschlagen, dass zumindest freiwillig die ständigen Vertretungen der Staaten in Brüssel in die Lobbytransparenz einbezogen werden. In den Verhandlungen zwischen den Mitgliedsländern blockiert ausgerechnet Deutschland jede Beteiligung an der Lobbytransparenz, und sei es noch so freiwillig. Eine Mehrheit der Mitgliedstaaten kann sich Transparenz für Gespräche von Interessenvertretern in den ständigen Vertretungen gegenüber der EU in Brüssel vorstellen. Die Bundesregierung sagt bisher nein. Ausgerechnet das Justiz- und das Außenministerium blockieren hier, beide sozialdemokratisch geführt. Die Moral von der Geschicht: Lobbytransparenz gerne, bei uns nicht.