Sven Giegold

Malta: Neue Abgründe hinter goldenen Pässen

Neueste Enthüllungen zeigen, dass Malta die maltesische Staatsbürgerschaft, und damit auch die europäische Bürgerschaft, an ausländische Investor*innen verkauft, ohne dass diese eine “ernsthafte Verbindung” zu dem Land eingehen müssen. Die Enthüllungen basieren auf geleakten E-Mails des Unternehmens Henley & Partners, das sich selbst als “weltweit führend in der Aufenthalts- und Einbürgerungsplanung” beschreibt. Die Dokumente zeigen, wie die Bedingung, eine ernsthafte Verbindung der Antragsteller*innen zu dem Land aufzubauen, ausgehöhlt wurde. Die Anwärter*innen auf einen sogenannten goldenen Pass mussten in einem Brief an die zuständige Behörde darlegen, wie sie ihre Verbindung zu Malta stärken wollten. Die Zeit, die die angehenden Staatsbürger*innen während ihrer obligatorischen einjährigen Residenzzeit in Malta verbringen wollten, betrug im Durchschnitt 16 Tage. Einige der Antragsteller*innen, die später einen goldenen Pass erhalten haben, haben sich überhaupt nicht dazu verpflichtet, Zeit in dem Land zu verbringen. Stattdessen konnten sie sich mit Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen oder der Mitgliedschaft in einem Sport-Club eine ernsthafte Verbindung erkaufen. Die zuständige Regierungsbehörde Identity Malta hat in Rücksprache mit Henley & Partners ein Punkte-System entwickelt: 1 Tag in Malta entspricht 15 Punkte, eine 10.000 € Spende für wohltätige Zwecke ist 50 Punkte wert, mit 220 Punkten oder mehr wird eine ernsthafte Verbindung anerkannt.

Maltas Programm für goldene Pässe wurde im Jahr 2013 bekannt gegeben. Die obligatorische einjährige Residenzzeit vor der Einbürgerung wurde 2014 in Absprache mit der EU-Kommission eingeführt, um diese zu beschwichtigen. Am 20. Oktober 2020 hat die EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta und Zypern wegen des Verkaufs von goldenen Pässen eingeleitet. Die Kommission mahnte an, dass dies ohne eine ernsthafte Verbindung zu dem einbürgernden Mitgliedstaat gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in Europa verstößt.
Die Enthüllungen basieren auf Dokumenten, die die Daphne Caruana Galizia Stiftung mit Medienpartnern geteilt hatte. Die Arbeit der Stiftung, benannt nach der maltesischen Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia, die 2017 ermordet wurde, wurde vom Investigative Journalism for Europe Fund unterstützt. Die Enthüllungen sind teil der Serie Passport Papers, die die Times of Malta soeben begonnen hat. Sie berichtet außerdem, dass ein saudi-arabischer Prinz nach einem Treffen mit dem ehemaligen Premierminister Joseph Muscat und dem CEO von Identity Malta, Jonathan Cardona, einen maltesischen Pass erwerben konnte, ohne dass sein Name wie gesetzlich vorgeschrieben in der jährlich veröffentlichten Liste neuer Staatsbürger*innen gelistet wurde. Ein weiterer Artikel legt schriftliche Übereinkünfte zwischen Henley & Partners und der Muttergesellschaft von Cambridge Analytica offen.

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:
“Die Missachtung europäischer Werte durch die maltesische Regierung ist noch größer als befürchtet. Für schnelle Profite wurden in Malta europäische Grundwerte geopfert. Die neuen Enthüllungen sind ein Tiefpunkt in dem Skandal um den Verkauf europäischer Bürgerrechte. 

Schon seit acht Jahren bereichert sich Malta am Verkauf von Pässen und Visa. Die verkauften Visa und Pässe sind ein offenes Tor für Korruption. Europäische Bürgerrechte sind keine Ware. Malta muss alle Praktiken in diesem Bereich umgehend einstellen. Die EU-Kommission muss diese Bedrohung für unsere Sicherheit und die Rechtsstaatlichkeit schleunigst beenden. Es braucht nun einen konsequenten und glaubhaften Weg zu funktionierender Rechtsstaatlichkeit in Malta. Die EU-Kommission muss auch wegen des Verkaufs von EU-Visa Vertragsverletzungsverfahren eröffnen.”


UPDATE: Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments zur Ermordung von Daphne Caruana Galizia und der Rechtsstaatlichkeit in Malta (auf Englisch), veröffentlicht am 22. April

Plenardebatte am 25. März 2021: Europäisches Parlament stellt Rechtsstaatlichkeit in Malta in den Fokus: https://sven-giegold.de/daphne-ep-rechtsstaatlichkeit-maerz-2021/

Bericht in der Times of Malta: https://timesofmalta.com/articles/view/exposed-the-great-residency-sham-to-obtain-a-maltese-passport.866220

Berichte des Guardian: https://www.theguardian.com/world/2021/apr/22/revealed-residency-loophole-in-malta-cash-for-passports-scheme

https://www.theguardian.com/world/2021/apr/22/how-golden-passports-firm-lays-on-vip-service-to-colourful-list-of-clients

EU-Kommission gibt Vertragsverletzungsverfahren bekannt: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_20_1925


P.S.: Eil-Petition: “Rettet den Europäischen Green Deal” – Das Jahrhundertprojekt des Green Deals droht zu scheitern. Denn EU-Staaten und allen voran die deutsche Bundesregierung blockieren jede Ambition beim Klimaschutz. Aber noch haben wir gemeinsam die Chance den Green Deal zu retten. Helft mit Eurer Unterschrift und ladet andere dazu ein: www.change.org/save-the-green-deal