Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Interessierte,
Europa geht endlich voran mit der Regulierung von Krypto-Assets. Damit sollen verbindliche Regeln für existierende Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum eingeführt und ein Rahmen für innovative Finanzdienstleistungen auf Blockchain-Basis geschaffen werden. Nachdem die EU-Kommission im vergangenen Herbst einen Gesetzesvorschlag für Märkte in Krypto-Assets (MiCA) vorgelegt hat, wurden am vergangenen Montag, den 31. Mai, die Änderungsanträge der Fraktionen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europaparlaments eingereicht. Ich begleite das Gesetzesvorhaben als federführender Abgeordneter (“Schattenberichterstatter”) für die Fraktion Grüne/EFA.
MiCA setzt Regeln für die Herausgabe von Krypto-Assets als und das Anbieten von Dienstleistungen mit Bezug zu Krypto-Assets. Bei den Krypto-Assets unterscheidet MiCA zwischen zwei Arten von Stablecoins, die jeweils den Wert anderer Instrumente abbilden, sowie den sonstigen Krypto-Assets. Die strengsten Anforderungen sind für die sogenannten E-Geld-Token vorgesehen, die den Wert einer Währung 1:1 abbilden sollen. Facebooks geplante Digitalwährung Diem wird voraussichtlich in diese Kategorie fallen. Insbesondere werden solche Krypto-Assets dieselben Anforderungen erfüllen müssen wie E-Geld, also etwa PayPal. Eine weitere Stablecoin-Kategorie umfasst Krypto-Assets, die sich auf einen Korb aus Währungen, Rohstoffen oder anderen Krypto-Assets beziehen. Hier würde sich Facebooks ursprünglich geplante Digitalwährung Libra wiederfinden. Die Herausgabe solcher Stablecoins ist jeweils genehmigungspflichtig. Die Herausgabe sonstiger Krypto-Assets ist anzeigepflichtig und muss mit der Veröffentlichung eines standardisierten Informationsdokuments einhergehen, für dessen inhaltliche Richtigkeit die Herausgeberin auch haftet. Krypto-Assets, die klassische Finanzinstrumente (etwa Aktien oder Anleihen) in tokenisierter Form darstellen, fallen nicht unter MiCA, sondern die einschlägigen bestehenden Gesetze. Die Erbringung von Krypto-Dienstleistungen wird unter MiCA ebenfalls genehmigungspflichtig. Vor allem geht es um den An- und Verkauf von Krypto-Assets, ihre Verwahrung sowie den Betrieb von Krypto-Börsen.
Die den Krypto-Assets zugrunde liegende Distributed-Ledger-Technologie bietet die Chance, dass neue Anbieter*innen die angestammte Finanzbranche mit innovativen Angeboten herausfordern. Es ist deshalb gut, dass der Vorschlag der EU-Kommission hier in Zukunft einen verlässlichen Rechtsrahmen bietet. Dass großen privaten Stablecoin-Projekten wie etwa Facebooks Diem dabei strenge Auflagen gemacht werden sollen, ist sehr zu begrüßen. Eine Schwäche des Kommissionsvorschlags sehe ich darin, dass er zu sehr um diese Zukunftsmärkte kreist und den aktuell bestehenden Krypto-Märkten mit ihren vielfältigen Problemen zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Das gilt insbesondere die kriminelle Nutzung von Kryptowährungen, ihren teils erheblichen ökologischen Fußabdruck und das regelmäßige Fehlen von Verantwortlichen. Entscheidend ist für mich, dass es zu keiner Sonderbehandlung von Krypto-Assets kommt und für vergleichbare Aktivitäten auch vergleichbare Regeln gelten. Nur so kann es fairen, technologieneutralen Wettbewerb geben. Entscheidend ist auch, dass sich keine Akteur*in vor den Regeln drücken kann. Ich möchte deshalb in groben Zügen skizzieren, welche Änderungen im Gesetzestext ich als Schattenberichterstatter vorgeschlagen habe.
Einheitliche europäische Aufsicht sicherstellen
Krypto-Assets und die zugehörigen Dienstleistungen sind ihrem Wesen nach digital und nicht durch Landesgrenzen beschränkt. Das macht sie zu aussichtsreichen Instrumenten für die Europäische Kapitalmarktunion, also das Zusammenwachsen der europäischen Kapitalmärkte und die Stärkung grenzüberschreitender Investitionen. Dies ist in der Vergangenheit oft an der uneinheitlichen Anwendung von Regeln in den einzelnen Mitgliedstaaten gescheitert. Diesen Fehler dürfen wir bei den Krypto-Assets nicht wiederholen. Der Kommissionsentwurf sieht fatalerweise vor, dass Krypto-Assets (mit Ausnahme besonders großer Stablecoins) und Krypto-Dienstleister*innen allein durch nationale Aufsichtsbehörden zugelassen und überwacht werden. Den europäischen Behörden für Markt- und Bankenaufsicht, ESMA und EBA, kämen dabei größtenteils horizontale Funktionen zu. Der Aufbau von 27 neuen Behörden mit entsprechender Fachkompetenz wäre nicht nur ineffizient, es besteht auch die Gefahr, dass nicht jeder dieser teils kleinen Aufseher weiß, was er tut. Außerdem droht wieder laxe Aufsichtspraxis zu einem Instrument von Standortpolitik zu werden. Ich habe deshalb stattdessen vorgeschlagen, die ESMA zur einheitlichen europäischen Aufseherin über sämtliche Krypto-Dienstleistungen und die meisten Krypto-Assets zu machen. Außerdem soll die ESMA regelmäßig Berichte über die europäischen und weltweiten Krypto-Märkte sowie die legale und illegale Nutzung von Krypto-Assets vorlegen. Bei bestimmten Krypto-Assets, die überwiegend Zahlungscharakter haben, soll die EBA als Aufsichtsbehörde fungieren. Nur bei den E-Geld-Token sollen nationale Behörden eine stärkere Rolle behalten. Ich werde mich auch bei der anstehenden Überarbeitung der E-Geld-Richtlinie für eine stärkere europäische Aufsicht einsetzen.
Kriminelle Nutzung von Krypto-Assets erschweren
Kryptowährungen sind heute ein zentrales Instrument für Cyberkriminelle. Illegale Handelsplätze im Darknet oder die Erpressung mit Ransomware laufen fast vollständig über Kryptowährungen. Diese Formen von Kriminalität könnten ohne Kryptowährungen nicht in ihrem heutigen Ausmaß existieren. Die Tatsache, dass auch mit normalem Geld in großem Umfange Finanzkriminalität verübt wird, rechtfertigt keine Laxheit bei Kryptowährungen. Die meisten Kryptowährungen, etwa Bitcoin, erlauben es dank ihrer öffentlichen Ledger durchaus, Zahlungen nachzuvollziehen. Das können Strafverfolgungsbehörden jedoch nur nutzen, wenn an irgendeiner Stelle die Identität der Kriminellen mit den ansonsten pseudonymen Kryptowährungs-Adressen verknüpft wurde. Heute gelingt das meist nur, wenn die Kriminellen einen Fehler begehen. Das darf nicht der Anspruch unseres Rechtsstaats sein. Denn bei normalem Geld haben wir nach vielen schlechten Erfahrungen die Nachvollziehbarkeit von wirtschaftlich Berechtigten für Zwecke der Strafverfolgung und Besteuerung zum Standard gemacht. Und bei Kryptowährungen ist spätestens, wenn Transaktionen über nicht-kooperative Handelsplattformen abgewickelt werden, für die Behörden Schluss. Das Problem ist zu akut, um schärfere Regeln erst mit der nächsten Überarbeitung der europäischen Geldwäschegesetze einzuführen, wie es die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Außerdem braucht es keine allgemeinen, sondern spezifisch auf Krypto-Assets zugeschnittene Vorgaben. Ich habe deshalb unter anderem folgende Änderungen bei MiCA vorgeschlagen:
- Alle Krypto-Dienstleister*innen, vor allem Börsen und Verwahrer, müssen Prozesse zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung etablieren und konsequent die Identität ihrer Kund*innen feststellen. Besondere Sorgfaltspflichten gelten, wenn Mittel aus sogenannten “unhosted wallets”, also von den Kund*innen selbst verwalteten Adressen stammen.
- Krypto-Dienstleister*innen dürfen keine Dienstleistungen bezüglich sogenannter Privacy Coins (wie z.B. Monero) anbieten, die durch Anonymisierungtechniken Zahlungen verschleiern und so die Nachverfolgung erschweren. Insbesondere dürfen diese Krypto-Assets nicht zum Verkauf angeboten oder zum Handel zugelassen werden.
- ESMA soll eine Liste mit internationalen Anbieter*innen führen, die Geldwäsche- und Steuervorschriften unzureichend umsetzen und nicht mit Behörden kooperieren. Transaktionen an solche Anbieter*innen sowie sonstiges Geschäft mit ihnen ist Krypto-Dienstleister*innen untersagt. Diese Maßnahme schafft auch in Drittländern starke Anreize gegen unfairen Wettbewerb.
Ökologischen Fußabdruck verbessern
Viele der bestehenden Kryptowährungen haben einen erheblichen ökologischen Fußabdruck. Ihr Mining verpulvert gewaltige Mengen Strom für das Lösen von Rechenrätseln und mit jeder neuen Hardware-Generation entstehen Berge von Elektroschrott. Allein Bitcoin verbraucht heute schätzungsweise so viel Strom wie die Niederlande. Das ist mehr als die Hälfte des gesamten Stromverbrauchs aller Datenzentren weltweit. Die Tendenz ist dabei seit Jahren steigend. Und solange der Preis steigt, befeuern die Vergütungsstrukturen für die Miner diesen Trend noch weiter. Bei allen Verdiensten der Technologie steht das in keinem Verhältnis zum Nutzen. Dabei stehen Alternativen zum resourcenintensiven Mining in den Startlöchern, die den ökologischen Fußabdruck drastisch reduzieren können. Mein Vorschlag sieht deshalb vor, sukzessive Energie-Mindeststandards bei Krypto-Assets zu fordern – so, wie wir das schon lange bei jedem Küchengerät machen. Konkret habe ich vorgeschlagen, dass die EU-Kommission nicht nachhaltige Formen des Minings (konkret: nicht nachhaltige Konsensmechanismen) identifiziert und bestimmt, ab welcher Größe diese mit den Umweltzielen des Pariser Klimaabkommens und der EU nicht mehr vereinbar sind. Von großen Krypto-Assets, die auf nicht nachhaltiges Mining setzen, müssten Krypto-Dienstleister*innen dann nach einer Übergangsfrist ihre Finger lassen. Das setzt Anreize, etwa für große Projekte wie Ethereum, mit dem Umstieg auf ein nachhaltiges Mining ernst zu machen.
Verantwortung sicherstellen & Regelumgehung verhindern
Viele bestehende Kryptowährungen werden von dezentralen Miner-Netzwerken betrieben. Niemand tritt dabei als Herausgeber*in oder Verantwortliche in Erscheinung. Unter dem Schlagwort “decentralized finance” (DeFi) werden auch heute schon Krypto-Dienstleistungen ebenfalls auf dezentraler Basis angeboten. Oftmals können den Projekten Initiator*innen oder Entwicklergruppen lose zugeordnet werden, die de facto die Governance verantworten, welche jedoch typischerweise nicht als rechtlich Verantwortliche auftreten. Das untergräbt das zentrale Prinzip unserer sozialen Marktwirtschaft, dass alle Akteur*innen für ihr Handeln auch Verantwortung übernehmen müssen. Der Entwurf der EU-Kommission wies hier einen blinden Fleck auf, da praktisch alle Regeln bei der Emittentin eines Krypto-Assets ansetzten. Ich habe deshalb vorgeschlagen, dass bei emittentenlosen Krypto-Assets Krypto-Börsen und andere Dienstleister*innen die Verpflichtungen gemäß MiCA übernehmen müssen. Insbesondere müssen sie verpflichtendes Informationsmaterial (im Kommissionsvorschlag “white paper” genannt) bereitstellen und für die darin gemachten Angaben auch haften.
Doch die besten Regeln nützen nichts, wenn sie leicht umgangen werden können. Da Krypto-Dienstleistungen fast immer online erbracht werden, besteht die Gefahr, dass Anbieter*innen aus dem Ausland sich einfach nicht an die neuen Regeln halten und trotzdem ihre Dienstleistungen im europäischen Binnenmarkt anbieten. Das untergräbt den fairen Wettbewerb und benachteiligt regelkonform agierende europäische Mitbewerber*innen. Die Online-Umgehung unserer Gesetze ist mir auch in anderen Politikfeldern ein Dorn im Auge, effektive Antworten darauf blieb die EU-Kommission bisher aber schuldig. Auch MiCA enthält keinerlei Maßnahmen, wie eine Regelumgehung durch ausländische Anbieter*innen unterbunden werden kann. Ähnlich gelagerte Probleme entstehen außerdem durch DeFi-Anwendungen. Ich habe deshalb vorgeschlagen, dass die ESMA in einem jährlichen Bericht das Ausmaß der Regelumgehung untersuchen und mögliche Gegenmaßnahmen vorschlagen soll. In ihrem großen Review-Bericht soll die EU-Kommission nach drei Jahren dann konkrete Vorschläge vorlegen, wie das Unterlaufen europäischen Rechts in Zukunft effektiv unterbunden werden kann.
Mit grünen europäischen Grüßen
Sven Giegold
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Unsere grünen Änderungsanträge zu MiCA:
https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2021/06/20200531_MiCA_Green-AMs.pdf
Gesetzesvorschlag der EU-Kommission vom 24.09.2020:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52020PC0593
Daten zum Ressourcenverbrauch von Bitcoin und Ethereum mit vielen Vergleichen:
https://cbeci.org/
https://digiconomist.net/bitcoin-energy-consumption
Meine erste Einschätzung des Kommissions-Vorschlags vom 24.09.2020:
https://sven-giegold.de/kommissionsvorschlag-krypto/
Festlegung des Europaparlaments zur Regulierung von Krypto-Assets vom 11.09.2020:
https://sven-giegold.de/digital-finance-im-econ/
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P.S.: Eil-Petition: “Rettet den Europäischen Green Deal” – Das Jahrhundertprojekt des Green Deals droht zu scheitern. Denn EU-Staaten und allen voran die deutsche Bundesregierung blockieren jede Ambition beim Klimaschutz. Aber noch haben wir gemeinsam die Chance den Green Deal zu retten. Helft mit Eurer Unterschrift und ladet andere dazu ein: www.change.org/save-the-green-deal