Sven Giegold

ND: Bankenunion mit fragwürdigen Details

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Bankenunion mit fragwürdigen Details

Sven Giegold über einen wichtigen Schritt in der europäischen Integration, der in seinen Regeln aber nicht weit genug geht

Nach Jahren des Klein-Klein in Sachen Finanzmärkte werden in Brüssel nun Nägel mit Köpfen gemacht. Die Europäische Bankenunion mit gemeinsamen Regeln, gemeinsamer Aufsicht sowie Abwicklung maroder Banken kommt mit Siebenmeilenstiefeln. Trotz der geringen Beachtung in der Öffentlichkeit ist das ein Integrationsschritt für den Kontinent, der ähnlich tiefgreifend ist wie die gemeinsame Währung.

Die 128 größten Banken der Eurozone werden künftig von der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt beaufsichtigt. Dem absurden Dumpingwettbewerb um die nachlässige Durchsetzung von Gesetzen wird so ein Ende gesetzt. Die Nationalstaaten können ihre heimischen Banken nicht mehr mit laxer Finanzaufsicht bevorzugen. Die Kontrolle über die Großbanken erfolgt nun aus einem Guss.
Bevor die Aufsicht ihre Arbeit aufnimmt, soll noch ein strenger Test versteckte Verluste in den Bankbilanzen offenlegen, damit die EZB möglichst wenige Kuckuckseier in Form maroder Banken ins Nest gelegt bekommt. Anders als bei den Stresstests der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde prüft die EZB auch die korrekte Bewertung von Vermögenswerten. So werden Öffentlichkeit und AnlegerInnen erfahren, wie es Europas Banken wirtschaftlich wirklich geht. Die Banken wiederum kommen unter Druck, sich frisches Eigenkapital zu beschaffen. Das senkt zwar die Rendite, erleichtert aber die Vergabe neuer Kredite an Haushalte und Unternehmen, was der Süden Europas dringend braucht.

Nach jahrelangem Lobbying der Banken sind die europäischen Regeln für Eigenkapital und Liquidität leider nicht so scharf, wie es angemessen wäre. Zwar werden die Anforderungen an haftendes Eigenkapital und Liquidität der Banken durchweg erhöht. Die Schuldenbremse für Banken (»leverage ratio«) liegt aber nur bei lächerlichen drei Prozent der Bilanzsumme. Dieser Mangel an haftendem Eigenkapital ist besonders dem Einsatz der Bundesregierung zu verdanken. Banken können weiter mit oft abenteuerlichen Annahmen die Risiken in ihrer Bilanz durch »interne Modelle« kleinrechnen. Selbst die schwache Schuldenbremse wurde in den Details im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht erheblich verwässert. Wieder war das Finanzministerium, nun in Großer Koalition, ganz nah bei den Interessenvertretern der Großbanken.

Ebenso waren es Herr Schäuble und der sozialistische Finanzminister Frankreichs Moscovici, die gemeinsam verhindert haben, dass die EU-Kommission ein Trennbankenmodell vorschlägt. Die Empfehlungen der hochrangigen Liikanen-Expertenkommission zur Trennung der Bankfinanzierung zwischen Geschäftsbanken und Investmentbanking wurden im Vorschlag von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier zur Unkenntlichkeit verwässert.

Bei der Abwicklung maroder Banken kommt es dagegen zu großen Verbesserungen. Bisher wurden Pleitebanken in Europa von den SteuerzahlerInnen gerettet. Nur die Aktionäre wurden zur Kasse gebeten, schon die Halter von Bankanleihen bekamen ihr Geld trotz Fehlinvestition wieder. Das soll die Abwicklungsrichtlinie der EU ändern. Zukünftig sollen staatliche Rettungsschirme – wenn überhaupt – erst eingreifen dürfen, wenn mindestens acht Prozent des Bilanzvolumens einer Bank in Schieflage zur Haftung herangezogen wurden. Das klingt gut und ist es auch. Leider hat der Rat der Mitgliedsländer im Kleingedruckten eine Ausnahme untergebracht und gegen alle Gegenwehr des Europaparlaments verteidigt. Staaten dürfen eine Bank nur noch »präventiv« retten, also Geld zuschießen, wenn sie noch nicht offiziell in Schieflage ist. Das ist die Sozialisierung von Verlusten durch die Hintertür.

Schließlich schafft die Europäische Union derzeit eine gemeinsame Bankenabwicklungseinrichtung samt eines von den europäischen Banken zu füllenden Bankenabwicklungsfonds. Anders als bei den anderen Elementen der Bankenunion sind hier die Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Europaparlament noch nicht abgeschlossen. Der Rat der Mitgliedsländer besteht darauf, dass nicht die Banken gegenseitig in Haftung treten, sondern noch zehn Jahre lang die Steuerzahler für Pleitebanken zur Kasse gebeten werden. Ebenso auf Verlangen der deutschen großen Koalition wollen die EU-Staaten eine komplizierte Entscheidungsstruktur, in der die Nationalstaaten letztlich das Sagen haben. Wie dieser Konflikt ausgehen wird, ist offen.

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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