Zu den Diskussionen rund um ein neues Programm für Griechenland erklärt Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:
„Griechenland braucht ein neues Programm. Seine Staatsschulden sind nicht nachhaltig. Die Grundrechenarten politisch zu leugnen, erzeugt nur weitere Politikverdrossenheit.
Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat erst jüngst errechnet, dass Griechenland selbst bei illusorischen 4% Wachstum einen Primärüberschuss von 10,6 % der Wirtschaftleistung erreichen müsste. Das ist Wolkenkuckucksheim.
Politisch gestaltbar ist jedoch, wie ein notwendiges Programm aussehen sollte. Die Senkung der Zinskosten durch einen Schuldentilgungsfonds ist billiger als Schulden abzuschreiben. Zukunftsinvestitionen in den Krisenländern auf den Weg zu bringen, ist billiger als das Land noch weiter in die Krise zu sparen. Vermögende in Griechenland und anderswo durch eine Vermögensabgabe und gemeinsamen, europäischen Kampf gegen Steuerflucht fair an der Entschuldung des Staates zu beteiligen, ist billiger als radikale Umschuldungsmaßnahmen.
Die Europäische Zentralbank hat vor einigen Wochen eine wichtige Studie über die Vermögen privater Haushalte in der Eurozone vorgelegt. In allen Ländern der Eurozone sind erhebliche private Vermögen vorhanden. In Griechenland stehen private Vermögen von ca. 250% des BIP Staatsschulden von 170% entgegen. Selbst bei sehr hohen Freibeträgen können Vermögensabgaben und konsequente Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung den Schuldenstand in Europa schnell wieder in eine tragfähige Region zurückbringen. Doch das scheut die schwarz-gelbe Bundesregierung wie der Teufel das Weihwasser.
Die Behauptung, ein neues Programm würde die Reformanstrengungen in Griechenland unterminieren, ist grotesk. Wer glaubt, dass eine Regierung bei 27% Arbeitslosenquote keinen Reformdruck hat, verkennt jegliche politische und soziale Realität. Die wirklich zu führende Debatte ist nicht die Notwendigkeit eines dritten Programms, sondern der unerträglich hohe Schuldenstand in Griechenland in Verbindung mit der lähmenden Unsicherheit über die Zukunft. Solange in Deutschland führende Politiker immer wieder von Schuldenschnitt oder gar von einem Euro Austritt schwadronieren, zerstören wir jegliche Investitionsbereitschaft. Welches internationale Unternehmen ist bereit, ein griechisches Staatsunternehmen zu erwerben oder welcher griechische Unternehmer investiert Millionen Euro, wenn er damit rechnen muss, in wertlosen Drachmen bedient zu werden?
Es ist schön, dass Herr Schäuble eine gewisse Offenheit für die Realitäten in Griechenland zeigt. Noch schöner wäre es, wenn er sich endlich von der Weisheit der fünf Weisen anstecken lassen würde und einen mittels Vermögensabgaben finanzierten Schuldentilgungspakt propagieren würde.“
Institut für Weltwirtschaft (Kiel): Das IfW-Schuldenbarometer
Zur Erinnerung: Mein Blogbeitrag vom 14. März 2012: „Griechenland auch nach Schuldenschnitt überschuldet„