Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Journalisten,
am Montag hatte das Präsidium des Europäischen Parlaments mit knapper Mehrheit eine Reform der allgemeinen Kostenvergütung (englisch: General Expenditure Allowance, kurz: GEA) noch gestoppt. Heute hat die Konferenz der Fraktionsvorsitzenden die Entscheidung des Präsidiums kritisch diskutiert und eine Wiedereinsetzung der Arbeitsgruppe des Präsidiums beschlossen, die den am Montag im Präsidium gestoppten Reformvorschlag erarbeitet hatte. Grüne, Linke und Rechtskonservative forderten, die Entscheidung zu überdenken. Gemeinsam mit den Liberalen forderten diese 4 der 8 Fraktionen, die Arbeitsgruppe um einen besseren Kompromiss zu bitten. Christdemokraten und Sozialdemokraten verhielten sich in der Diskussion in der Konferenz der Präsidenten ungewöhnlich still.
Anlass der Kritik ist sowohl der Widerspruch der Präsidiumsentscheidung mit vielen Plenums-Beschlüssen für mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht als auch das ungewöhnliche Entscheidungsverfahren in der Sitzung des Präsidiums am Montag 2 Juli. Vizepräsidentin Evelyn Gebhardt (SPD) hatte einen Änderungsantrag zur Beschlussvorlage eingebracht. Sie wollte die Pflicht zur Anstellung eines Rechnungsprüfers unterstützen, im Falle der Pflichtverletzung aber eine Referenz zur ersatzweisen Prüfung durch die Parlamentsverwaltung streichen. Dennoch würden Abgeordnete auch bei Gebhardts Vorschlag ihre Allgemeine Kostenvergütung verlieren, bis sie die Bescheinigung einer erfolgten Prüfung vorlegen können. Parlamentspräsident Antonio Tajani (Forza Italia) hatte diesen Änderungsantrag entgegen aller Gepflogenheiten aber weder zur Diskussion noch zur Abstimmung zugelassen. Gebhardts ausschlaggebende Stimme gegen die Reform folgte erst auf diese Diskussionsverweigerung durch Tajani. In einer jetzt möglichen nächsten Sitzung der Arbeitsgruppe könnte die Diskussion nachgeholt werden. Der sich abzeichnende Kompromiss hätte mit Gebhardt dann mindestens ein Patt von 7 zu 7 Vizepräsidenten. Die beiden dann noch verbleibenden “Nein”-Stimmen der Sozialdemokraten, der Rumäne Ioan Mircea PAŞCU und der Pole Bogusław LIBERADZKI, würden dann möglicherweise anders stimmen. Die heutige Kritik des ECR-Fraktionsvorsitzenden Syed Kamall (Tories) könnte auch zu einem anderen Abstimmungsverhalten des ECR-Vizepräsidenten Zdzisław KRASNODĘBSKI (PiS) führen. Auch er hatte am Montag noch mit Nein gestimmt, gemeinsam mit den Christdemokraten (EVP).
Die heutige Debatte unter den Fraktionsvorsitzenden war auch Konsequenz eines Schlagabtausches im Plenum gestern zwischen dem Grünen Fraktionsvorsitzenden Philippe Lamberts und dem Vizepräsidenten Rainer Wieland (CDU), der die Beschlussvorlage ins Präsidium eingebracht und gegen die Reform gestimmt hatte. Gestern Mittag 12h30 verwies Lamberts auf die zahlreichen Forderungen des Plenums nach mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht zur Allgemeinen Kostenvergütung. Er bat das Präsidium darum, die Entscheidung noch einmal zu prüfen. Andernfalls müsse die Konferenz der Fraktionsvorsitzenden den Vorgang prüfen. Rainer Wieland wies dies zurück. Die Videos der Statements sind online zu finden, Philippe Lamberts: http://www.europarl.europa.eu/plenary/EN/vod.html?mode=unit&vodLanguage=EN&vodId=1530700376873# und Rainer Wieland: http://www.europarl.europa.eu/plenary/EN/vod.html?mode=unit&vodLanguage=EN&vodId=1530700434988#
Es hilft den guten Ruf des Europaparlaments zu schützen, wenn die acht Vizepräsidenten, die gegen die Reform gestimmt hatten, die Neueinsetzung der Arbeitsgruppe und einen besseren Kompromiss für mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht unterstützen. Unter dem wachsenden Druck anti-europäischer Populisten sollten wir unser eigenes Haus in Ordnung bringen, um gemeinsam gegen Korruption und für Rechtsstaatlichkeit in allen EU-Mitgliedstaaten einzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Giegold
HINTERGRUND: Die Beschlussvorlage der Arbeitsgruppe des Präsidiums
IMSM Article 64.
- On taking up his or her duties, each Member shall forward to Parliament’s relevant department details (IBAN number, BIC (SWIFT) code and address of the bank) of at least two bank accounts in his or her name intended to receive payments in respect of the salary provided for in Article 10 of the Statute, the other allowances and the reimbursement of other expenses.
2.new One of these accounts shall be used exclusively for the payment of the general expenditure allowance laid down in Section 3 of the present Implementing Measures. Members shall only use this account for payments which are defrayable under Section 3 of the present Implementing Measures. No other payments, irrespective of their originator shall be transferred into this account. Any exceptions must be justified by supporting documents.
IMSM Article 28a:
- Members shall employ a natural or legal person that possesses, at the minimum, the qualifications required by Article 35-2 to document their use of the funds made available by means of the General Expenditure Allowance (GEA), to seek annual confirmation by the end of May that they have complied with the provisions of this Implementing Measures. The natural or legal person chosen conducts the check in accordance with the professional standards laid down under the applicable national law. The confirmation shall be published after its communication to Parliament’s financial authorities on the Members’ page on Parliament’s website. Failing to communicate will result in publishing the information about a missing confirmation and could result in an administrative check in addition to the measures foreseen in Article 67.
- Members are free to publish any additional information related to the General Expenditure Allowance in whole or in part on their personal websites. Costs arising from appropriate publication shall be met from the GEA.
- Members shall pay back any unused amounts to Parliament. In case of amounts which are defrayed in the form of a lump sum, this obligation only applies to the general expenditure allowance under Section 3 of the present Implementing Measures, which shall be paid back at the end of the mandate at the latest.
Evelyn Gebhardts Änderungsantrag war, die letzten beiden Sätze von Artikel 28a (1) anders zu formulieren:
The confirmation shall be published after its communication to Parliament’s financial authorities on the Members’ page on Parliament’s website. Failing to communicate will result in publishing the information about a missing confirmation.