Sven Giegold

Aktionsplan für notleidende Kredite: Unzureichender Schutz für Kreditnehmer und Steuerzahler

Heute, am 16. Dezember 2020, hat die Europäische Kommission ihren neuen Aktionsplan für notleidende Kredite (NPLs) vorgestellt. Es ist die jüngste Maßnahme der Kommission im Hinblick auf das hohe NPL-Niveau, das die Banken in vielen Mitgliedstaaten seit der Eurokrise plagt. Der neue Vorstoß kommt im Vorfeld des potenziell massiven Anstiegs der NPLs im Zuge der Covid-19-Pandemie. Laut Schätzungen der EZB könnten der Gesamtbestand an notleidenden Krediten bei den Banken der Eurozone bei ungünstigem Verlauf der Krise auf 1400 Milliarden Euro ansteigen.

Der Aktionsplan skizziert Instrumente und Strategien zum Abbau hoher NPL-Bestände. Bemerkenswerterweise enthält er keine größeren neuen Gesetzesvorschläge. Es werden mehrere Ideen vorgestellt, wie liquide Sekundärmärkte für notleidende Kredite durch mehr Transparenz und weitere Standardisierung gefördert werden könnten. Versteckt in diesem Abschnitt ist auch ein Vorschlag, die bestehenden Eigenkapitalanforderungen für Käufer*innen von NPLs unter bestimmten Bedingungen zu senken. Der Aktionsplan skizziert ferner, wie Bad Banks oder „Asset Management Companies“ eingesetzt werden könnten, um NPLs aus den Bilanzen der Banken zu entfernen, und wie ein europäisches Netzwerk nationaler Bad Banks helfen könnte, Prozesse und Ergebnisse zu verbessern. Der Plan fordert Fortschritte bei der Schaffung beschleunigter außergerichtlicher Verfahren zur Durchsetzung von Sicherheiten, welche die Kommission bereits vorgeschlagen hat, die aber bisher keine Mehrheit im Europäischen Parlament gefunden haben. Schließlich wird beschrieben, wie das bestehende Instrument der vorsorglichen Rekapitalisierung, das mit der BRRD eingeführt wurde, in der aktuellen Krise genutzt werden kann.

 

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

„Das Grundproblem bei den Sekundärmärkten für notleidende Kredite bleibt bestehen. Wir können nicht zulassen, dass Kreditnehmer wie Restposten verramscht werden. Ein hohes Maß an Handelbarkeit und Marktliquidität erreicht man nur, wenn Kreditnehmer und Kredite auf simple Kennzahlen reduziert werden. Genau das will die Kommission durch mehr Transparenz und Standardisierung fördern. Das ist letztlich aber unvereinbar mit Mindeststandards beim Verbraucherschutz. Außerdem ist auch die wirtschaftliche Bilanz eines derart anonymen Vorgehens schlecht. Einvernehmliche Übereinkünfte basierend auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen ursprünglichem Gläubiger und Kreditnehmer erzielen in der Großzahl der Fälle bessere Ergebnisse. Wirklich liquide Märkte für notleidende Kredite müssen daher ein Wunschtraum bleiben.”

„Im Zuge der Pandemie droht eine Welle von Insolvenzen und Ausfällen bei Unternehmenskrediten. In Ermangelung wirklich neuer Vorschläge seitens der Kommission werden wir diese mit den bestehenden Instrumenten bewältigen müssen. Die Regeln für staatliche Beihilfen haben in der Vergangenheit schlecht funktioniert, wenn es um die vorsorgliche Rekapitalisierung von Banken und andere öffentliche Unterstützungsmaßnahmen geht. Der Aktionsplan lässt nicht vermuten, dass die Kommission in Zukunft bei der Verwendung öffentlicher Gelder genauer hinsehen wird. Bei einer möglichen Corona-Bankenkrise werden also wieder die europäischen Steuerzahler zur Kasse gebeten.“

 

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Rubrik: Europaparlament, Wirtschaft & Währung

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