Sven Giegold

Ökologie für alle! Energiewende 2.0 – Parteibeschlüsse der Bundesdelegiertenkonferenz in Hannover

Bei unserer Grünen Bundesdelegiertenkonferenz in Hannover haben wir unsere Energie- und Klimapolitik neu buchstabiert. Wir haben zwei Leitanträge beschlossen, an denen ich intensiv mitgearbeitet habe. Erstens, einen konkreten Plan für eine Energiewende 2.0, die uns in die nächste Phase der Energiewende führt. 50 Maßnahmen sollen die Energiewende günstiger, digitaler und noch bürgernäher machen.  Zweitens, ein Antrag für eine soziale Klimapolitik für die ökologische Transformation unserer Wirtschaft. Damit holen wir die Energie- und Klimapolitik aus der Defensive und geben ihr neuen Schwung – mit klaren Zielen, konkreten Maßnahmen und dem Vertrauen in eine erfolgreiche ökologische Transformation unserer Wirtschaft.

Im Zentrum steht für uns dabei ein Grundgedanke: Ökologie für alle! Ökologie für alle bedeutet, dass die Mehrheit der Menschen Klima- und Umweltschutz will – aber nur wenn sie gerecht ist und das Mitmachen für alle funktioniert. Eine Mitmach-Ökologie lädt dazu ein, dass sich Unternehmen und Haushalte an Klima- und Naturschutz beteiligen und zwar alle.

Klimaschutz hilft uns, Ungerechtigkeiten zu überwinden. Statt fossiler Subventionen, die fossilen Konzernen und ihren Aktionär*innen zugutekommen, wollen wir, dass Verursacher*innen von Klimaschäden dafür aufkommen.

Mit frechen neuen Ideen wollen wir diese Ökologie für alle voranbringen:

Mit Solarbonus Strom besser nutzen!

Solarbonus: Eine neue wegweisende Idee aus unserem Antrag: 600 Stunden Sonnenstrom gratis – für alle! Aktuell entstehen im Sommer oft Überschüsse an Strom, die ungenutzt verpuffen. Mit einem neuen Solarbonus wollen wir diesen Überschuss für alle verfügbar machen. Gleichzeitig wird das ganze Stromsystem effizienter, denn so bekommen alle Haushalte einen Anreiz für dynamische Stromzähler, die wir zudem entbürokratisieren wollen. Wir werden hierzu ein genaues Konzept entwickeln.

Wärmewende für alle – niemand bleibt zurück!

Damit die Wärmewende in der gesamten Gesellschaft gelingt, nehmen wir Menschen mit kleinsten Einkommen besonders in den Blick. Wer weder Eigenanteil noch Vorfinanzierung für zum Beispiel Wärmepumpen leisten kann, darf nicht in der fossilen Kostenfalle von Gas- und Ölheizungen hängen bleiben! Wir bauen die Förderung aus – etwa für bezuschusste Heizungs-Leasing-Programme oder Wärme-Contracting-Modelle. So können alle beim Heizungstausch mitmachen, die lieber überschaubare monatliche Raten zahlen, statt eine große Investition vorzufinanzieren. Indem wir die Stromsteuer für alle abschaffen und flexible Tarife unterstützen, wird Wärmepumpenstrom günstiger und noch attraktiver als das Heizen mit Öl oder Gas. Klimaschutz wird so zur Entlastung statt zur Belastung!

Verteilnetze entfesseln – 30% mehr Kapazität ohne Neubau!

Die Verteilnetze mit ihren 866 Netzbetreibern sind das Rückgrat der Energiewende – aber auch ihr größtes Nadelöhr. Viele Stadtwerke und regionalen Energieversorger engagieren sich seit langem für die Energiewende. Sie spielen eine wichtige Rolle für die kommunale Selbstvewraltung. Trotz viel Engagement vor Ort gibt es Doppelstrukturen, Ineffizienzen und teure Bürokratie. Die Folge: hohe Netzentgelte und langsame Verfahren. Wir starten eine Standardisierungsoffensive für Prozesse, Schnittstellen und Hardware. Dank digitaler Technik lässt sich mindestens 30% mehr aus bestehenden Netzen rausholen – durch intelligente Messsysteme, automatisierte Steuerung und datenbasierte Planung! Wir wollen, dass bis 2030 alle Haushalte und Unternehmen einen Smart Meter bekommen – mit zeitlich und räumlich differenzierten Tarifen. Wir stärken den Wettbewerb bei Messstellen statt ihn abzuschaffen. Anschlusszeiten, Kosten und Kapazitäten werden öffentlich einsehbar, damit sich Energiewende und Kundenfreundlichkeit lohnen. Ein Bund-Länder-Fonds und staatliche Garantien sollen den Netzbetreibern helfen, die notwendigen Investitionen zu stemmen und auf lange Frist zu refinanzieren!

Speicher als Herzstück der Energiewende – flexibel und für alle!

Strom- und Wärmespeicher sind ein Pfeiler der neuen Energiewelt – flexibel, schnell und systemdienlich. Viele hundert Gigawatt Netzanschlussbegehren für Batteriespeicher zeigen: Die Technologie steht, die Investoren sind bereit. Jetzt müssen diese Speicher auch ans Netz kommen! Wir unterstützen die Bundestagspetition zur systemdienlichen Nutzung von Heimspeichern und machen sie mit regionalen Preissignalen und dynamischen Netzentgelten wirtschaftlich attraktiv. Heim- und Gewerbespeicher sowie E-Auto-Batterien sollen von schwankenden Preisen profitieren und so das Netz stabilisieren. Damit werden alle Häuser und Autos sowie ihre Nutzer*innen zu Stabilisatoren des Stromnetzes. Bislang verhindert veraltete Regulierung, dass Batteriespeicher im Notfall das Netz wieder aufbauen können – das ändern wir! Bei Großspeichern vergeben wir Anschlüsse nach transparenten Kriterien statt nach dem Windhundprinzip. Auch Wärmespeicher können Stromspitzen günstig aufnehmen und über Tage nutzbar machen. Das senkt Netzentgelte und macht Energie sicherer und bezahlbarer für alle!

Bürgerenergie stärken – Energie teilen, Kosten senken!

Bürgerenergie stärkt regionale Wertschöpfung und entlastet die Netze – Strom wird dort erzeugt, genutzt und gespeichert, wo er anfällt. Wir fordern ein Recht auf Solar und Energy Sharing mit klaren Regeln.  Wer eine Solaranlage, Ladestation oder Wärmepumpe installieren will, muss sie rasch anschließen können. Wer Energie netzdienlich mit seinen Nachbarn teilt, soll von günstigen Netzentgelten profitieren. So kann Mieterstrom auch den Nachbarn nützen. Bürgerenergieunternehmen sollen wo immer bevorzugt werden. Wer Energie teilt, schwächt Autokraten und senkt Kosten! Kommunen und Energiegenossenschaften fördern durch Kooperationen die demokratische Verankerung der Energiewende.

PV-Strom in privater Hand: Weiterbauen und entbürokratisieren

Auf-Dach-Anlagen sind eine tragende Säule der Energiewende und müssen es bleiben. Strom vom eigenen Dach ist nah an den Menschen, nah am Verbrauch und nutzt bestehende bebaute Flächen. Wer selbst Strom erzeugen will, darf nicht durch überteuerte Anschlüsse, absurd teure Zählerschränke und überdimensionierte Technik gebremst werden – und sollte einen Anreiz haben jedes Dach voll zu machen und die Potenziale des eigenen Grundstücks voll nutzen zu können, etwa mit Gartensolar. Denn das ist ökologisch besonders wertvoll. Bis endlich alle fair und unkompliziert am Strommarkt teilnehmen, entwickeln wir die Einspeisevergütung fort. Die Vergütungssätze werden moderat an die gesunkenen Kosten angepasst und gleichzeitig wird sichergestellt, dass Solarprojekte in Bürgerhand in allen Regionen wirtschaftlich bleiben.

Stabile Erlöse für Investor*innen – ohne Übergewinne auf Kosten der Allgemeinheit!

Mit Differenzverträgen erhalten kleinere Akteure wie KMU, Bürgerenergie und Privatpersonen durch vereinfachte Modelle Zugang zu günstigen Finanzierungen. Kommunen, die Erneuerbare ausbauen, sollen rechtssicher an der Wertschöpfung teilhaben. Künftig sollen sie bei allen Wind- und Solaranlagen rechtssicher profitieren. So können sie Kitas, Schwimmbäder und ÖPNV sichern.

Privatjets und First- & Businessclass-Tickets fair besteuern!

Die 50 reichsten Milliardäre emittieren in nur 90 Minuten mehr CO₂ als ein durchschnittlicher Mensch im ganzen Leben. Das ist ungerecht! Wir fordern den Beitritt zur Premium Flyers Solidarity Coalition mit Frankreich, Spanien und Kenia. Konkret: 420 Euro Abgabe pro Passagier im Privatjet innereuropäisch, bis zu 2.100 Euro international. Zusätzlich schließen wir Steuerschlupflöcher bei der Kerosinsteuer und verpflichten Privatjets zu klimafreundlichen Power-to-Liquid-Kraftstoffen. Wer am meisten belastet, muss dafür aufkommen.

E-Mobilität für alle – statt Pendlerpauschale für Gutverdiener!

Statt die Pendlerpauschale weiter anzuheben, was vor allem hohen Einkommen zugutekommt und lange Arbeitswege anreizt, wollen wir E-Mobilität sozial gerecht fördern. Unser Konzept: Social Leasing von E-Autos für Menschen mit geringem Einkommen! Wer weniger als 40.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen hat und aufs Auto angewiesen ist, zahlt für das Leasing eines elektrischen Kleinwagens maximal 100 Euro pro Monat. Besonders auf dem Land macht das den Unterschied. Zusätzlich setzen wir auf E-Mobilität in Behörden und kommunalen Diensten sowie eine Kfz-Besteuerung, die emissionsfreie Fahrzeuge bevorzugt. Um die Kostenvorteile der Erneuerbaren auch in die Mobilität zu bringen, wollen wir grünen Ladestrom auch unterwegs erschwinglich machen. Dafür wollen wir Ladesäulen für den Wettbewerb öffnen und zusätzliche Gemeinschaftsmodelle wie gemeinnützige Ladesäulen stärken.

Deutschlandticket wieder für 9 Euro!

Der Sommer, in dem alle, unabhängig von dem Geldbeutel, in Deutschland reisen konnten, hat gezeigt, was möglich ist und wie wir Menschen für den öffentlichen Verkehr begeistern können. Auf Antrag der Grünen Jugend haben wir beschlossen, uns für ein Deutschlandticket für 9 Euro einzusetzen. Dieses Sommermärchen der klimafreundlichen und sozialen Mobilität für alle wollen wir dauerhaft einführen. Dadurch ermöglichen wir Mobilität für alle!

Wohnen bezahlbar halten – Energieeffizienz ohne Mietexplosion!

Mit dem CO₂-Kosten-Aufteilungsgesetz haben wir in der Ampel dafür gesorgt, dass Vermieter*innen einen eigenen Anreiz haben, Heizkosten zu senken. Jetzt gehen wir weiter: Vermieter*innen sollen attraktive Anreize für energieeffiziente Sanierung bekommen – verbunden mit einer klaren Begrenzung der Modernisierungsumlage. So steigen die Warmmieten nicht mehr und Mieter*innen werden entlastet. Zusätzlich senken günstige Stromkosten durch Erneuerbare die Lebenskosten für alle. Ökologisches Handeln wird so zur Entlastung statt zur Belastung!

Investitionen in die Zukunft – nicht in fossile Subventionen!

Noch immer fließen Milliarden in klimaschädliche Subventionen für Diesel, Dienstwagen, Kerosin oder unwirtschaftliche Regionalflughäfen. Das muss aufhören! Diese Mittel fehlen beim Klimageld, beim sozialen Ausgleich und bei Zukunftsinvestitionen. Der Klima- und Transformationsfonds ist das finanzielle Rückgrat der ökologischen Modernisierung – er muss konsequent für wirtschaftlichen Umbau und Förderungen genutzt werden, die direkt im Alltag wirken: Heizungsförderung, energetische Stadtsanierung, Energiesparchecks. Mit dem Sondervermögen für Klimaschutz und Infrastruktur können wir zentrale Modernisierungsprojekte anschieben. Dabei gilt: Öffentliche Investitionen an europäische Wertschöpfung binden! Mindestens zehn Prozent des verbauten Stahls muss klimaneutraler Stahl aus Deutschland oder der EU sein. Die Deutsche Bahn kann bei ihren Investitionen Vorreiterin sein und klimafreundliche Güter made in Europe einsetzen. So schützen wir Klima und Arbeitsplätze zugleich!

Kohleausstieg beschleunigen – Gasabhängigkeit beenden!

Im Rheinischen Revier haben wir den Kohleausstieg auf 2030 vorgezogen – jetzt muss dieser Plan konsequent umgesetzt werden. Auch in Mittel- und Ostdeutschland ist der Ausstieg deutlich vor 2038 möglich. Das Geschäft rentiert sich nicht mehr, die Blöcke sind zu unflexibel, die Kohleverstromung sinkt unwiderruflich. Wir wollen den Unternehmen, Beschäftigten und Regionen durch gesetzliche Regelung Planungssicherheit geben. Jegliche Tagebauerweiterung wie in Nochten widerspricht allen Klimazielen und ist energiewirtschaftlich unnötig! Gleichzeitig brauchen wir eine Gasunabhängigkeitsstrategie: Durch konsequenten Ausbau von Wind- und Solarenergie, Elektrifizierung, Wasserstoffhochlauf und Speichertechnologien können wir den Gasverbrauch halbieren. Nur so beenden wir die Abhängigkeit von teuren LNG-Importen aus den USA und autokratischen Staaten. Die im Zoll-Deal geplanten Ausgaben von bis zu 750 Milliarden Dollar für Trumps LNG-Gas lehnen wir entschieden ab!

Klimaschutz global und gerecht – Deutschland muss Verantwortung übernehmen!

Die Klimakrise endet nicht an Grenzen – sie bedarf multilateraler Antworten und ist eine existenzielle Herausforderung für die ganze Menschheit. Die Weltklimakonferenz COP30 war ein Prüfstein dafür, wie ernsthaft Regierungen die Pariser Klimaziele umsetzen. Wir fordern die Regierung Merz auf, jetzt mindestens die zugesagten 6 Milliarden Euro für internationale Klimafinanzierung einzuhalten und einen Fahrplan zur Verdreifachung der deutschen Beiträge bis 2035 vorzulegen – wie im COP29-Beschluss vereinbart! Die Klimakrise erfordert auch ein Umdenken beim Sicherheitsbegriff: Dürren, Überschwemmungen und Fluchtbewegungen sind längst Realität. Als historische Hauptverursacher klimaschädigender Treibhausgase tragen westliche Industriestaaten besondere Verantwortung. Klimaschutz ist Sicherheitspolitik – und eine Frage globaler Gerechtigkeit!

Die Energiewende machen wir mit den Bürger*innen, ob auf dem Balkon, dem Dach oder in der Kommune. Erneuerbare bedeuten lokale und dezentrale Wertschöpfung, emissionsfreie Energie von allen für alle. Bürgerenergie stärkt regionale Wertschöpfung und entlastet die Netze. Strom wird dort erzeugt, genutzt und gespeichert, wo er anfällt. Erneuerbare Energie ist unschlagbar günstig. Mit Smartmetern und Speicherkapazitäten werden wir alle Teil des Netzes.

So wird Ökologie für alle, auch Ökologie von allen!

Gleichzeitig ist für uns auch klar: Wir stehen in einem harten ökonomischen Wettbewerb mit China und den USA. Für Europa ist dies eine Chance zu zeigen, dass sich ökologische und soziale Standards mit wirtschaftlicher Entwicklung verbinden lassen. In unseren Anträgen bekenn wir uns klar zu einer zukunftsgerichteten Chemie- und Grundstoffindustrie sowie für einen pragmatischen aber ambitionierten Wassserstoffhochlauf.

Die Anträge zeigen klar: Klimaschutz ist auch eine soziale Frage. Aber Klimaschutz ist nicht etwas, das sich nur Wohlhabende leisten können. Richtig umgesetzt kann Klimaschutz soziale Ungerechtigkeit senken. So wird aus der sozialen Frage eine soziale Antwort.

Hier findet Ihr unseren Plan für die Energiewende 2.0.

Hier findet Ihr unseren Plan für sozialgerechten Klimaschutz.

Hier findet ihr das Webinar zum Thema

Mit erfreuten europäischen Grüßen

Sven Giegold