Von Laura Weis
Im November 2008 veröffentlichte die Europäische Kommission die sogenannte Rohstoffinitiative, eine „Strategie zur Sicherung der Versorgung Europas mit den für Wachstum und Beschäftigung notwendigen Gütern“ (1). Sie stellt darin eine starke Abhängigkeit der EU von Importen strategisch wichtiger, nicht-energetischer Rohstoffe fest. Darunter fallen beispielsweise Hochtechnologiemetalle wie Kobalt, Platin und Titan, seltene Erden, aber auch Holz, Chemikalien, Felle und Häute. Um die Versorgung der EU mit diesen Rohstoffen sicherzustellen, soll die Rohstoffpolitik in Zukunft auf drei Säulen gründen: der Sicherstellung von Rohstoffimporten aus Nicht-EU-Ländern, dem Abbau vorhandener Rohstoffvorkommen in der EU und der Gewinnung sogenannter Sekundärrohstoffe durch Recycling.
Anlässlich der geplanten Veröffentlichung einer Mitteilung der EU-Kommission zur Rohstoffpolitik (2), fand am 26. Januar 2011 eine Öffentliche Anhörung zu dem Thema im Europaparlament statt. Zu der Veranstaltung eingeladen hatte der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE). Sechs Redner aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft hatten die Gelegenheit, auf zwei – ausschließlich männlich besetzten – Podien, dem Parlament ihre Standpunkte zu verdeutlichen.
1. Säule – Import strategischer Rohstoffe
Als eines der größten Probleme für die Versorgungssicherheit der EU mit strategischen Rohstoffen führte Stefan Mair vom Bund Deutscher Industrie (BDI) die Zunahme staatlicher Regulierungen in Exportländern an. So habe beispielsweise die Senkung der Exportraten seltener Erden aus China die deutsche Industrie erst kürzlich dazu genötigt, ihre Produktionsraten zu senken. In der chinesischen Maßnahme sieht Mair eine Verzerrung des internationalen Rohstoffhandels und befürwortete eine Klage gegen China bei der Welthandelsorganisation (WTO). Auch Paulo de Sa von der Weltbank kritisierte die Einführung von Exportbeschränkungen. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass sich die Industrienationen künftig auf die neue Konkurrenz auf dem Rohstoffmarkt durch aufstrebende Wirtschaftsnationen wie Brasilien, China, Indien oder Südafrika einstellen müssten.
Um die Versorgung mit Rohstoffen sicherzustellen, erwägt die deutsche Industrie laut Mair zukünftig ein stärkeres eigenes Engagement beim Abbau von Rohstoffen, zum Beispiel in Form von „Rohstoffpartnerschaften“ mit Ländern wie der Mongolei oder Kasachstan. De Sa betonte die Bedeutung fairer und transparenter Deals bei Investitionen in Entwicklungsländern. Die Weltbank mit ihrer umfangreichen Expertise könne hierbei beratend zur Seite stehen – Rohstoffreichtum müsse nicht zwangsläufig ein Fluch für arme Länder sein.
Die Realität sieht indes oft anders aus. Egal ob in Entwicklungs-, Schwellen- oder Industrieländern – der Abbau von Rohstoffen bringt so gut wie immer gravierende ökologische und soziale Auswirkungen mit sich. Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen, sowie die Verdrängung lokaler Investitionen und Produzenten sind zudem oft genug Folge ausländischer Direktinvestitionen in Entwicklungsländern, wie auch ein vor kurzem veröffentlichter Bericht verschiedener NGOs (2) verdeutlichte. Der Import von Rohstoffen aus Entwicklungsländern trage so gut wie immer neokoloniale Züge, so Stephane Arditi vom European Environment Bureau.
Oftmals verhindern die in Freihandelsabkommen, wie zum Beispiel dem Regelwerk der WTO, festgelegten Zölle zudem das Entstehen weiterverarbeitender Industrien. Da momentan wichtige bilaterale Investitionsabkommen auf EU-Ebene verhandelt werden, wie zum Beispiel Freihandelsabkommen mit Indien und Südkorea, gilt es dieses Thema in nächster Zeit nicht nur in Bezug auf den Rohstoffabbau aufmerksam weiter zu verfolgen.
2. Säule – Rohstoffvorkommen in der EU
Zwar sind seltene Rohstoffe zum Teil auch in der EU vorhanden – oftmals lagern diese jedoch in Naturschutzgebieten. Ginge es nach dem BDI, dürfte das in Zukunft jedoch kein Hindernis für deren Abbau darstellen.
Arditi wies hingegen darauf hin, dass der Abbau von Rohstoffen nie natürlich sei und deshalb immer einen starken Eingriff in lokale Ökosysteme mit gravierenden Konsequenzen für die Biodiversität darstelle, ganz egal wo.
Es steht zu befürchten, dass der Konflikt zwischen Naturschutz und Rohstoffabbau sich in Zukunft auch in der EU deutlich verschärfen wird.
3. Säule – Recycling
Statt auf herkömmlichen Bergbau müsse deshalb in Zukunft verstärkt auf sogenanntes „urban mining“, zu deutsch Stadtschürfungen, gesetzt werden. Zwar werden viele Materialien wie Schrott oder Plastik heute schon recycelt, das Potenzial ist aber noch lange nicht ausgeschöpft, so Arditi. Diese Meinung teilte Stephan Csoma von Umicore, einem deutschen Metallunternehmen. Enormes Potenzial gebe es bei vielen Stoffen, die momentan noch gar nicht oder kaum recycelt würden. Durch ein Recycling alter Handys und Computer könnte beispielsweise eine Menge an Kobalt gewonnen werden, die der Hälfte der weltweiten heutigen Fördermenge entspricht.
Als ein großes Problem schätzten alle Experten den illegalen Export von Altautos, Schrott oder alten Elektrogeräten ein. Zum einen gingen so wertvolle Rohstoffquellen für den europäischen Markt verloren. Zum anderen bestehe die Gefahr, dass die Rohstoffe im Ausland überhaupt nicht oder zumindest nicht auf hohem technischen Niveau recycelt werden. Ziel müsse deshalb eine „circular economy“ sein, also ein geschlossener Wirtschaftskreislauf. Um dies zu erreichen, forderte Csoma ein generelles Umdenken, weg vom Abfall-, hin zum Ressourcenmanagement.
Auch Grundnahrungsmittel sind „strategische Rohstoffe“
In der Diskussion wurde deutlich, dass der Begriff „strategische Rohstoffe“ alles andere als eindeutig ist. Während sich ein Großteil der Redner, in ihren Ausführungen auf die Versorgung der EU mit für die hiesige Industrie strategisch bedeutsamen Rohstoffen befassten, lenkte vor allem Sujiro Seam, ein Vertreter des französischen Außenministeriums, die Aufmerksamkeit auf das Problem stark steigender Preise für Grundnahrungsmittel – eine Entwicklung, die vor allem Menschen im globalen Süden auf zum Teil existentielle Weise bedroht. Für die starken Schwankungen auf den Rohstoffmärkten machte er zum einen die Spannung zwischen sinkendem Angebot und steigender Nachfrage, zum anderen die zunehmende Entkoppelung von Finanzmärkten und realen Märkten, verantwortlich. Um diesem Problem entgegenzuwirken, plädierte er für eine stärkere Überwachung und mehr Transparenz auf den Finanzmärkten.
Im Rahmen des G20-Treffens, das im November in Cannes stattfindet und derzeit von der französischen Regierung vorbereitet wird, ist der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen deshalb ein Schwerpunkt.
Prinzip Hoffnung vs. Radikales Umdenken
Roderick Eggert, Professor an der Colorado School of Mines (USA), bestritt als einziger in der Runde eine drohende Rohstoffknappheit. Mit steigenden Rohstoffpreisen werde in Zukunft ein immer größerer technischer und finanzieller Aufwand beim Abbau rentabel. Und irgendwann werde ja schließlich, dem Klimawandel sei dank, auch die Arktis auftauen und ganz neue Abbaugebiete freilegen. Ob allerdings ausgerechnet seltene Erden und Nahrungsmittel unter dem ewigen Eis lagern, ist fraglich.
Ein grundlegendes Umdenken in Bezug auf unser Konsumverhalten forderte deshalb der Vertreter des European Environment Bureau, Stephane Arditi. Auch wenn er mit dieser Ansicht in der illustren Runde im Europaparlament alleine war, besteht darin der vermutlich einzige sozial und ökologisch vertretbare Ansatz, um immer mehr Menschen auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen zu versorgen und gleichzeitig eine Annäherung des Wohlstandsniveaus zwischen Nord und Süd, arm und reich anzustreben.
Quellen
- Europäische Kommission (Hrsg.) (2010): Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Die Rohstoffinitiative – Sicherung der Versorgung Europas mit den für Wachstum und Beschäftigung notwendigen Gütern, Brüssel, online verfügbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2008:0699:FIN:de:PDF
- Europäische Kommission (Hrsg.) (2011): Mitteilung der Kommission: Grundstoffmärkte und Rohstoffe: Herausforderungen und Lösungsansätze, 02.02.2011, Brüssel, online verfügbar unter: http://ec.europa.eu/enterprise/policies/raw-materials/files/docs/communication_de.pdf
- Oxfam Deutschland, WEED, Traidcraft Exchange, AITEC, Comlámh (Hrsg.) (2010): Die neue Jagd nach Ressourcen: Wie die EU-Handels- und Rohstoffpolitik Entwicklung bedroht (Ein Bericht von Mark Curtis), Berlin u.a., online verfügbar unter: http://www2.weed-online.org/uploads/die_neue_jagd_nach_ressourcen.pdf
Weiterführende Literatur
Öko-Institut (Hrsg.) (2011): Study on Rare Earths and Their Recycling. Final Report for The Greens/EFA Group in the European Parliament, Darmstadt, online verfügbar unter: http://www.oeko.de/oekodoc/1112/2011-003-en.pdf