Sven Giegold

QED-Forum zur Regulierung des Marktes für Abschlussprüfungen

Zum Gesetzesvorschlag der EU-Kommission, die Wirtschaftsprüferbranche in Zukunft schärfer zu regulieren, veranstaltete QED Communications am 29. Februar einen Meinungsaustausch mit dem Titel „Audit Policy – The way forward after the crisis“.

Hintergrund: Abschlussprüfer haben den gesetzlichen Auftrag, ein Urteil darüber abzugeben, ob die Abschlüsse der von ihnen geprüften Gesellschaften ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermitteln. Die Finanzkrise hat insbesondere bei Banken und anderen Finanzinstituten Schwächen bei der Abschlussprüfung ans Licht gebracht. In diesem Zusammenhang wurden auch Bedenken hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte sowie der Gefahr der Anhäufung von Systemrisiken geäußert, da der Markt de facto von vier großen Gesellschaften beherrscht wird, nämlich Deloitte, Ernst & Young, KPMG und PricewaterhouseCoopers.

Kernpunkte des Vorschlags: Die Vorschläge für die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse wie Banken, Versicherungsunternehmen und börsennotierten Gesellschaften sollen die Unabhängigkeit der Prüfer stärken und den Markt für Abschlussprüfungen dynamischer machen.

Die wichtigsten Maßnahmen sind:

  • Obligatorische Rotation der Prüfungsgesellschaften: Die Prüfungsgesellschaften werden (mit einigen Ausnahmen) nach einer Beschäftigungszeit von maximal sechs Jahren rotieren müssen. Danach soll eine Karenzzeit von vier Jahren gelten, ehe die Prüfungsgesellschaft wieder beim gleichen Mandanten tätig werden darf. Der Zeitraum, nach dessen Ablauf ein Wechsel erfolgen muss, kann auf neun Jahre erhöht werden, wenn gemeinsame Abschlussprüfungen durchgeführt werden, d. h. wenn das geprüfte Unternehmen für seine Abschlussprüfung mehr als eine Prüfungsgesellschaft bestellt, um die Qualität der Abschlussprüfung durch Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ potenziell zu erhöhen. Gemeinsame Abschlussprüfungen werden nicht verbindlich vorgeschrieben, damit aber gefördert.
  • Obligatorische Ausschreibung: Unternehmen von öffentlichem Interesse sollen bei der Auswahl eines neuen Abschlussprüfers zu einem offenen und transparenten Ausschreibungsverfahren verpflichtet werden. Der Prüfungsausschuss (des geprüften Unternehmens) sollte eng in das Auswahlverfahren einbezogen sein.
  • Prüfungsfremde Leistungen: Prüfungsgesellschaften dürfen für ihre Mandanten keine prüfungsfremden Leistungen erbringen. Zudem müssen große Prüfungsgesellschaften ihre Prüfungstätigkeiten von den prüfungsfremden Leistungen trennen, um jede Gefahr von Interessenkonflikten auszuschließen.
  • Europäische Beaufsichtigung des Prüfungsgewerbes: Angesichts des globalen Umfelds von Abschlussprüfungen sollte bei der Beaufsichtigung von Prüfungsnetzen sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene Koordinierung und Zusammenarbeit gewährleistet sein. Deshalb schlägt die Kommission eine Koordinierung der Prüferaufsicht im Rahmen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtbehörde (ESMA) vor.
  • Ausübung des Berufs des Abschlussprüfers in ganz Europa: Die Kommission plant die Schaffung eines Binnenmarkts für Abschlussprüfungen mittels Einführung eines Europäischen Passes für Prüfungsgesellschaften und schlägt deshalb vor, dass Prüfungsgesellschaften ihre Leistungen in der gesamten EU anbieten dürfen und sämtliche Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften bei ihren Abschlussprüfungen die internationalen Prüfungsstandards einhalten müssen.
  • Weniger Bürokratie für kleinere Prüfungsgesellschaften: KMU sollen die Standards dem Vorschlag zufolge nach Maßgabe ihrer Größe anwenden können.

 

Alle Teilnehmer der von QED in Brüssel veranstalteten Diskussion waren sich darin einig, dass jede Neuregelung auf die Verbesserung der Qualität von Abschlussprüfungen gerichtet sein sollte. Die Frage allerdings, wie dieses wichtige Ziel zu erreichen sei, beantworteten die Anwesenden höchst unterschiedlich.

Arvind Wadhera von der Generaldirektion für Binnenmarkt begründet den Gesetzesvorschlag der Kommission mit der Tatsache, dass die Wirtschaftsprüfer eine Mitschuld an der Finanzkrise tragen und deshalb darüber nachgedacht werden muss, wie ihre Arbeit so gestaltet werden kann, dass Krisen in Zukunft verhindert werden.

Die Notwendigkeit zur Regulierung der Wirtschaftsprüferbranche ergibt sich auch durch einen Vergleich mit den Ratingagenturen, die ebenfalls gleichzeitig beraten und urteilen.

Folgende Problemfelder erzeugen in der derzeitigen Gesetzeslage Bauchschmerzen:

  • Die aktuelle Konstellation, in der private Prüfungsunternehmen eine Funktion des öffentlichen Interesses wahrnehmen, birgt offensichtlich Interessenkonflikte. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass in der Prüfung tätige Firmen zugleich Beratungsleistungen anbieten.
  • Es besteht Grund zur Annahme, dass die vier größten Prüfungsgesellschaften (sog. Big Four) mit einem Marktanteil von zusammen 85% ihre Marktmacht dazu benutzen, kleineren Prüfungsunternehmen den Marktzutritt zu versperren.

Bislang haben die vier großen Prüfungsunternehmen keinerlei konstruktive Vorschläge unterbreitet, wie die Qualität der Prüfung verbessert werden könnte. Stattdessen beschränken sie sich darauf, den Gesetzentwurf der Kommission mit allen Mitteln zu bekämpfen, weil sie um ihre Marktanteile fürchten. Offenbar funktioniert das Geschäftsmodell der großen Vier nur, wenn sie ihre marktbeherrschende Stellung behalten.

Zu Recht plädiert Wadhera dafür, bei der Abschlussprüfung in Zukunft verstärkt Risiken zu prüfen und nicht allein die Unternehmenszahlen der vergangenen Periode zu betrachten. Insgesamt muss die Abschlussprüfung ihren Blick stärker auf die zukünftige Unternehmensentwicklung lenken und die Berichterstattung zu potentiellen Risiken ausführlicher prüfen.

Für eine wirksame Kontrolle der Wirtschaftsprüferbranche in allen europäischen Ländern muss sie von einer unabhängigen Überwachungsbehörde beaufsichtigt werden, die über umfassende Sanktionsmöglichkeiten verfügt. In einigen Mitgliedstaaten gibt es bereits entsprechende Institute. Nun geht es darum, das beste Modell für Europa herauszufiltern und die nationalen Behörden auf EU-Ebene zu koordinieren.

Mit ein Grund für die Versäumnisse einiger Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Krise ist, dass das „true and fair view“-Prinzip, wonach der Jahresabschluss die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage eines Unternehmens zutreffend darstellen soll, nicht immer korrekt angewendet wird. Die Rechnungslegung wird zumeist so ausgestaltet, dass sie das Gesetz dem Wortlaut nach erfüllt, ein tatsächliches Bild der Unternehmenslage gibt sie jedoch nicht immer. Hier wäre es wünschenswert, den Geist des Gesetzes stärker zu berücksichtigen und dies auch gesetzlich zu verankern.

Auch Sebastian Bodu, Schattenberichterstatter im Europäischen Parlament und Mitglied der European People`s Party (EPP), will für mehr Konkurrenz auf dem Prüfungsmarkt sorgen, allerdings nicht durch das generelle Verbot, unter einem Dach zugleich Prüfungs- und Beratungsleistungen anzubieten.

Bodus Vorschlag sieht vor, den kleinen und mittleren Prüfungsfirmen einen größeren Anteil an Beratungsleistungen zuzugestehen als den großen Gesellschaften, um so die kleinen und mittleren Unternehmen im Wettbewerb mit den großen zu stärken.

Aus nicht nachvollziehbaren Gründen sieht Bodu die Rolle der Prüfer lediglich darin, Abschlüsse zu prüfen und ihre Richtigkeit zu bestätigen, nicht aber die von den Unternehmen eingegangenen Risiken zu bewerten. Dass Wirtschafsprüfer aber wie jeder andere Beruf auch eine gesellschaftliche Verantwortung tragen, leugnet Bodu. Bleibt zu hoffen, dass er sich mit seiner Meinung im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen kann.

Umstritten ist, ob gemeinsam durchgeführte Abschlussprüfungen (joint audits) wirklich eine Verbesserung darstellen: Es besteht die Gefahr, dass gemeinsam durchgeführte Prüfungen vor allem höhere Kosten für die zu prüfenden Unternehmen nach sich ziehen, ohne die Qualität von Prüfungen entscheidend zu verbessern. Unterm Strich würden dann die Prüfungsgesellschaften von mehr Aufträgen profitieren. Pervenche Berès, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Europas im Europaparlament, sieht dagegen in gemeinschaftlich durchgeführten Prüfungen ein Mehr an Vertrauen und Sicherheit, das man sich durchaus leisten sollte.

Wenn Unternehmen über Jahre hinweg von demselben Prüfer geprüft werden, besteht die Gefahr, dass Unrichtigkeiten und Verstöße nie aufgedeckt werden. Aus diesem Grund sieht der Kommissionsvorschlag eine verpflichtende Rotation des Abschlussprüfers alle sechs Jahre vor. Problematisch daran ist, dass ein regelmäßiger Wechsel des Prüfers insbesondere bei komplexen Konzernen einen erheblichen Mehraufwand bedeutet, weil sich der Prüfer dann jedes Mal neu in die Struktur des Unternehmens einarbeiten muss. Im Endeffekt würden die Prüfungskosten auf jeden Fall steigen. Bodu präferiert daher eine freiwillige Rotation des Abschlussprüfers.

Susannah Haan von EuropeanIssuers, ein europäischer Verband, der die Interessen von 9200 börsennotierten Unternehmen vertritt, hält den Vorschlag der EU-Kommission für nicht Ziel führend. Ihrer Meinung nach bedeutet die Regulierung der Wirtschaftsprüferbranche nur höhere Kosten und mehr Zeitaufwand. Mit dem Verweis aufUSAstellt Haan plump fest, dass die dort bereits geltende Trennung zwischen Prüfungs- und Beratungsfirmen den Zusammenbruch von Lehman Brothers nicht verhindern konnte. Ferner behauptet Haan, dass eine Aufspaltung in Prüfungs- und Beratungsfirmen auch in Europa zu einem Verlust an Expertise führen und die Qualität der Abschlussprüfung darunter leiden wird. Dass eine strikte Trennung das Potenzial hat, die Unabhängigkeit der Prüfungsfirmen zu steigern und damit die Qualität der Prüfung wesentlich zu verbessern, lässt sie unerwähnt.

Da Kleinaktionäre – anders als Großaktionäre – nicht über die notwendigen Ressourcen verfügen, um sich anderweitig verlässliche Informationen über ein Unternehmen zu beschaffen, treffen sie ihre Investitionsentscheidung allein auf Grundlage einer korrekten Bilanz. Zum Schutz der Kleinaktionäre müssen daher alle börsennotierten Unternehmen zwingend der Pflicht zur Abschlussprüfung unterliegen. Hans Berggren von der schwedischen Aktionärsvereinigung (Swedish Shareholder`s Association) fordert aus gutem Grund, dass sich die Jahresabschlussprüfung nicht auf die Bilanz beschränkt, sondern auch Vermögensgegenstände und Schulden außerhalb der Bilanz (off-balance sheet) in die Prüfung einbezogen werden. Nur dann gibt die Bilanz die tatsächliche Unternehmenssituation auch korrekt wieder.

Zur Verbesserung der Qualität der Jahresabschlussprüfung müssen in Zukunft vermehrt die zu erwartenden Risiken eines Unternehmens berücksichtigt werden. Aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit ist zudem die Standardisierung der Abschlüsse wie auch der Prüfung notwendig.

Berggrens Aufforderung, sich in Europa ein Beispiel an den guten Erfahrungen Schwedens mit einer Selbstregulierung der Branche zu nehmen, ist sicher gut gemeint. Doch in Bezug auf Selbstverpflichtungen hat die EU bereits mehrfach schlechte Erfahrungen gemacht, zuletzt mit der Automobilindustrie, die sich selbst zu einer Reduzierung ihres CO2-Ausstoßes verpflichtete – und weit hinter ihren Zielen zurückhängt.

 

Die Gesetzesvorschläge der Kommission sind abrufbar unter

http://ec.europa.eu/internal_market/auditing/docs/reform/directive_de.pdf

http://ec.europa.eu/internal_market/auditing/docs/reform/regulation_de.pdf

 

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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