Sven Giegold

Rat billigt länderbezogene Steuerberichterstattung: Neue Ära der Steuertransparenz

Soeben, am 28. September, hat der Rat der Mitgliedsstaaten das Verhandlungsergebnis zwischen Mitgliedsländern, Europaparlament und EU-Kommission zur öffentlichen, länderbezogenen Steuerberichterstattung gebilligt (“Trilog-Ergebnis“). Schweden und Zypern stimmten dagegen, die Tschechische Republik, Irland, Luxemburg und Malta haben sich enthalten, was wie eine Ablehnung wirkt. Sie deuten nun eine Klage vor dem EuGH gegen das Gesetz an. Mit der Billigung des Gesetzestextes durch den Rat fehlt nur noch die formale Zustimmung durch das Europäische Parlament, die für eine der beiden Plenarsitzungen im November vorgesehen ist. Diese gilt als gesichert.

18 Monate nach in Kraft treten der Richtlinie müssen in Europa operierende Unternehmen mit einem konsolidierten Jahresumsatz von weltweit über 750 Millionen Euro in den letzten beiden aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren relevante steuerliche Informationen nach Ländern offenlegen. Dies wird voraussichtlich Mitte 2023 der Fall sein.

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

“Das ist ein Meilenstein für mehr Steuergerechtigkeit in Europa. Nun wurde die letzte größere Hürde für mehr Steuertransparenz von Großunternehmen genommen. Mit der länderbezogenen Steuerberichterstattung beginnt eine neue Ära der Steuertransparenz. Das Instrument ist ein scharfes Schwert gegen Steuerdumping. Länderbezogene Steuertransparenz wird offen legen, wie groß der Schaden durch Steuerdumping für die Allgemeinheit ist. Die Tage, in denen innereuropäische Steueroasen ihren EU-Partnern die Steuergelder abgraben können, sind gezählt. Die deutsche Bundesregierung hat nach jahrelangem Widerstand nun doch zugestimmt.

Für länderbezogene Steuerberichterstattung von Großunternehmen habe ich mich lange persönlich eingesetzt. Wenn große Unternehmen ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Geschäftsland offenlegen müssen, wird Steuerdumping jedes Jahr für alle sichtbar. Damit führt aggressive Steuervermeidung für einzelne Unternehmen zu regelmäßigen Reputationsschäden. Außerdem wird die unsolidarische Steuerpolitik einzelner EU-Mitgliedstaaten deutlich. Dieser Kompromiss ist erst der Anfang, denn der Rat hat sich geweigert, der weltweiten Aufschlüsselung von relevanten Steuerdaten zuzustimmen. Die USA arbeiten derzeit an einem Gesetz, das börsennotierte US-Unternehmen zu öffentlichem Country-by-Country Reporting verpflichtet – mit der weltweiten Aufschlüsselung der steuerrelevanten Daten pro Geschäftsland. Wie schon bei der Mindestbesteuerung sind die USA Europa wieder einen Schritt voraus.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle steuerrelevanten Informationen von Großunternehmen weltweit öffentlich sind. Wer Wettbewerbsnachteile für seine Unternehmen fürchtet, sollte sich dafür einsetzen, dass das Country-by-Country Reporting im internationalen Rahmenwerk der OECD für alle öffentlich wird. Auch Investoren, die gemeinsam 2,9 Billionen Dollar verwalten, fordern öffentliches Country-by-Country Reporting. Um effizient zu sein, brauchen Märkte Informationen. Nach der Coronakrise und angesichts der nötigen Investitionen in Klimaschutz, Infrastruktur und Bildung muss Steuerwettbewerb als das bezeichnet werden, was es ist: Steuerdumping, das unsere Solidargemeinschaft in Gefahr bringt.

Im Vorfeld der Abstimmung im Rat hatten bedauerlicherweise acht Mitgliedstaaten erneut Bedenken zur Rechtsgrundlage der Richtlinie geäußert. Ich rate europäischen Steueroasen wie Irland und Luxemburg dringend davon ab, rechtliche Schritte gegen die Rechtsgrundlage der Richtlinie einzuleiten. Das wäre ein fatales Signal in einer Zeit, in der Steuerkooperation wichtiger ist denn je, um die bevorstehenden Herausforderungen gemeinsam zu meistern.“

Hintergründe: 

Das Europaparlament hatte bereits im Juli 2017 seine Verhandlungsposition zur länderbezogenen Steuerberichterstattung festgelegt, nach mehr als vier Jahren zähen Ringens im Rat steht nun die endgültige Verabschiedung des Gesetzestextes kurz bevor. Die deutsche Bundesregierung hatte dieses Vorhaben im Rat lange blockiert.

Durchbruch beim öffentlichen Country-by-Country Reporting im Rat am 25. Februar: https://sven-giegold.de/durchbruch-fuer-mehr-steuergerechtigkeit/

Meilenstein für Steuergerechtigkeit: Trilog-Einigung für länderbezogene Steuertransparenz von Unternehmen am 1. Juni: https://sven-giegold.de/einigung-laenderbezogene-steuertransparenz-von-unternehmen/

Ca. 80 Prozent der verlorenen Steuereinnahmen von Großunternehmen in der EU gehen auf europäische Steueroasen zurück, damit ist der Großteil der verlorenen Steuereinnahmen in der EU durch die Richtlinie abgedeckt: “About 80% of the profits shifted out of the European Union are shifted to the E.U. tax havens, primarily Ireland, Luxembourg, and the Netherlands, while the profits shifted out of the United States are primarily shifted to the non-E.U. havens.” https://gabriel-zucman.eu/files/TWZ2020.pdf  pp. 30-31

Investoren fordern das Financial Accounting Standards Board auf, der öffentlichen länderspezifischen Steuerberichterstattung Vorrang einzuräumen: https://thefactcoalition.org/investors-call-on-financial-accounting-standards-board-to-prioritize-public-country-by-country-tax-reporting/

Abstimmungsverhalten der Mitgliedstaaten im Rat.

Pressemitteilung des Rates.

Statements von 8 Mitgliedstaaten im Vorfeld der Abstimmung im Rat: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-11832-2021-ADD-1/en/pdf