Sven Giegold

Durchbruch für mehr Steuergerechtigkeit in Europa – Die öffentliche länderbezogene Steuertransparenz kommt!

Liebe Freundinnen und Freunde,

 

heute ist wirklich ein großartiger Tag. Für mehr Steuertransparenz, für unsere Demokratie und auch mich ganz persönlich. Denn soeben (Donnerstag, 25.02.21) haben die EU-Minister*innen für Wirtschafts-, Industrie- und Forschungspolitik eine wegweisende Entscheidung im Kampf gegen Steuervermeidung getroffen. Mit einer deutlichen qualifizierten Mehrheit haben die Minister*innen einen Vorschlag für öffentliches Country-by-Country Reporting angenommen, trotz fortgesetzter Blockadehaltung der deutschen Bundesregierung. Das ist der Durchbruch für faire Unternehmensbesteuerung überall in Europa! Seit fast 20 Jahren arbeite ich an dieser Idee der länderbezogenen Steuertransparenz von Großunternehmen und nun ist die entscheidende Blockade aus dem Weg geräumt!

 

+++ FEIERT MIT UNS! Heute, Donnerstagabend, 20:30 Uhr bei der Steuertransparenz-Spontan-Online-Party: Gleich hier anmelden! +++

 

Der Vorschlag der portugiesischen Ratspräsidentschaft sieht vor, dass Großunternehmen in der EU verpflichtet werden, über ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Land öffentlich Bericht zu erstatten. Länderbezogene Steuertransparenz ist eine minimale Anforderung an Unternehmen mit maximaler Wirkung für das Gemeinwohl. Wenn große Unternehmen ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Geschäftsland offenlegen müssen, sind Steuertricks kaum noch möglich. Das ist eine Barriere gegen Steuervermeidung. Nach jahrzehntelanger politischer Kontroverse wurde nun dieser Fortschritt gegen Steuertricks erreicht. Die Entscheidung ist ein großer Erfolg für mehr Steuergerechtigkeit.

 

Dieser Erfolg ist auch besonders ein Erfolg all derjenigen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die seit Jahrzehnten für mehr Steuertransparenz kämpfen. Als wir vor fast 20 Jahren das “Tax Justice Network” gründeten, war Steuertransparenz die Kernforderung in unserem Programm. In meinem kleinen Büchlein “Steueroasen trockenlegen!” von 2003 war das als “AttacBasisText 4” eine meiner zentralen Forderungen. Und seit nun über zehn Jahren arbeite ich im Europäischen Parlament für verbindliche Steuertransparenz von Großunternehmen. Auf Drängen von uns Grünen haben wir bereits Steuertransparenz für Banken durchgesetzt, nun sind endlich alle Großkonzerne dran.

 

Mir geht es im Kern um die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie. Eine starke Demokratie muss in der Lage sein, Steuertricks von Großunternehmen entschieden entgegenzutreten. Nach Jahren des Verzögerns und Blockierens haben sich die Regierungen nun endlich auf ein scharfes Schwert im Kampf gegen Steuervermeidung geeinigt. Das ist der Durchbruch für mehr Steuergerechtigkeit und ein strahlender Lichtblick für alle, denen die wachsende Schere zwischen Arm und Reich große Sorgen macht.

 

Gleichzeitig grenzt die Enthaltung der Bundesregierung an Masochismus, da kein EU-Land mehr Geld durch Steuervermeidung verliert als Deutschland. Deutschland gehen 26 Prozent seiner rechtmäßigen Unternehmenssteuereinnahmen aufgrund von Steuervermeidung durch die Lappen. Alleine für Deutschland und seine Kommunen geht es um über 12 Milliarden Euro jährlich – mindestens. Es ist unerträglich, dass sich CDU-Wirtschaftsminister Altmaier den Lobbyinteressen der Großunternehmen mehr verpflichtet fühlt als den Interessen der Steuerzahler*innen. Die CDU stellt sich gegen fairen Wettbewerb zwischen dem Mittelstand und Großunternehmen. Während Amazons Gewinne in der Pandemie unversteuert durch die Decke gehen, stirbt vor Ort der Einzelhandel. Gerechte Besteuerung ist unabdingbar in einer sozialen Marktwirtschaft. Großunternehmen müssen sich an der Finanzierung der Corona-Wirtschaftshilfen und den dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen beteiligen. Diese Entscheidung stellt endlich klar: Großunternehmen stehen nicht über dem Steuergesetz. Auch wenn CDU und CSU hier die Hauptverantwortung tragen: Es ist enttäuschend, dass die SPD nicht härter gekämpft hat.

 

Eines sei bei aller Freude nicht vergessen: Mit seiner Entscheidung bleibt der Rat hinter der Parlamentsposition zurück, indem er auf einer großzügigen Geheimhaltungsklausel besteht und die länderbezogene Steuerberichterstattung auf europäische Mitgliedstaaten sowie Länder auf der EU-Liste der Steueroasen begrenzt. In den nun anstehenden Verhandlungen zwischen Rat und Europaparlament werden wir weiter für eine Steuertransparenz ohne Schlupflöcher arbeiten. Das Europaparlament hatte bereits 2017 seine Verhandlungsposition zur länderbezogenen Steuerberichterstattung festgelegt, vier Jahre später macht der Rat nun endlich den Weg frei für die abschließenden Verhandlungen im sogenannten “Trilog”-Verfahren. Schon Ende 2019 versuchte die finnische Präsidentschaft einen fast identischen Text durch den Rat zu bringen. Die portugiesische Präsidentschaft schaffte den Durchbruch, weil Slowenien und Österreich diesmal zustimmten.

 

Es ist also noch viel zu tun. Aber ein großer Meilenstein ist geschafft.

 

Und das ist ein Grund zu feiern und Ihr und Sie könnt mitfeiern:

 

Heute, Donnerstagabend um 20:30 Uhr machen wir eine spontane Online-Party zu diesem großen Erfolg. Seid dabei, bringt Getränke und gute Laune mit. Meldet Euch gleich hier an!

 

Bitte verbreitet diesen Erfolg auch gerne auf Twitter und Facebook!

 

Mit hoch erfreuten europäischen Grüßen,

Ihr und Euer Sven Giegold

 

 

Hintergrund

 

Deutschlands Blockade wurde heute überstimmt. Blockieren wollten auch durch Nein oder Enthaltung: Irland, Luxemburg, Malta, Schweden, Tschechien, Ungarn, Zypern.

 

Dafür: Finnland, Griechenland, Dänemark, Estland, Österreich, Rumänien, Polen, Niederlande, Italien, Slowenien, Spanien, Frankreich, Bulgarien, Belgien

 

Vergangene Beiträge für mehr Steuergerechtigkeit: 

 

September 2005: “Tax us if you can: Wie sich Multis und Reiche der Besteuerung entziehen und was dagegen unternommen werden kann” Broschüre Netzwerk Steuergerechtigkeit https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2021/02/TaxUsIfYouCan_ger_at.pdf

 

März 2017: “Die G20 und die internationale Steuerpolitik: Schäubles Bande”

https://sven-giegold.de/die-g20-und-die-internationale-steuerpolitik-schaeubles-bande/

 

November 2019: “Bittere Niederlage für Steuergerechtigkeit: Deutschland verhindert im EU-Ministerrat Mehrheit für Steuertransparenz von Großunternehmen”

https://sven-giegold.de/bittere-niederlage-fuer-steuergerechtigkeit/

 

November 2020: “Chance vertan: Enttäuschende Bilanz der deutschen Ratspräsidentschaft in Sachen Steuergerechtigkeit”

https://sven-giegold.de/chance-vertan-steuergerechtigkeit/