Sven Giegold

Rolf Schwendter ist tot

Rolfs Tod ist ein großer Verlust. Unvergessen sind die vielen Treffen des von ihm mitgegründeten Theoriearbeitskreises Alternative Ökonomie (TAK AÖ). Gut erinnere ich mich auch an eine gemeinsame Reise des Arbeitskreises zu Kooperativen in Umbrien. Seine Bücher und Aufsätze zu Alternativer Ökonomie haben mich stark beeinflusst, auch wenn ich sicher nicht alles verstanden habe.

Hier der Nachruf seines Verlags:

Rolf Schwendter ist am Sonntag, den 21. Juli 2013, in Kassel verstorben. Er wurde 73 Jahre alt. Mit seinem Tod verliert die linke und alternative Bewegung und mit ihr die gesamte deutschsprachige Öffentlichkeit einen der vielseitigsten Kritiker menschlicher Entfremdungen im postindustriellen Zeitalter. Schwendter war Sänger, Trommler und Wortspieler; er war Philosoph, Jurist und Historiker; Autor, Lehrer und Forscher; er sprach ungarisch, wienerisch und deutsch. Seine kontemplative Kochkunst war legendär.

Politisch einordnen ließ sich Rolf Schwendter nicht. Sein methodisches Grundgerüst sprengte den Marxismus. Aus dem in der Verfügung über Kapital oder Arbeit sich ergebenden Klassengegensatz entwickelte er ein kulturphilosophisches Verständnis, das den Grad der Entfremdung des Einzelnen mitberücksichtigte. In der so analysierten Welt leben reiche Reiche, arme Reiche, reiche Arme und arme Arme, wobei das Eigenschaftswort jeweils Glück und Lebenslust und das Hauptwort die wirtschaftliche Stellung des Einzelnen reflektiert. Ökonomischer Determinismus reichte Schwendter also bei weitem nicht als Erklärungsansatz zum Verständnis sozialer Verhälntisse.

1971 erschien sein wegweisendes Opus Magnum, die „Theorie der Subkultur“, nach der er dann als Professor für Devianzforschung an der Gesamthochschule Kassel den Studierenden abweichendes Verhalten beibrachte, wie er betonte. Philosophische, sozioökonomische und kulturhistorische Arbeiten folgten, immer wieder von künstlerischen Auftritten unterbrochen. So geht auch das „Erste Wiener Lesetheater“, gegründet 1990, auf seine Initiative zurück.

Als Autor überraschte und faszinierte er den Verleger immer wieder mit seiner unorthodoxen Art. Man musste Schwendter schon einigermaßen gut kennen, um nicht nervös zu werden, wenn er drei Wochen vor dem Abgabetermin eines Buchmanuskripts en passant anmerkte, dass er noch drei bestimmte Werke lesen müsse, die allerdings in einer Wiener Präsenzbibliothek lägen, wo er allerdings als (damaliger) Kettenraucher nicht Platz nehmen dürfe. Geschrieben sei übrigens noch kein Wort. Den Begriff „Manuskript“ nahm Schwendter zeitlebens wörtlich. Schreibmaschinen oder – später – Computer kannte er nur als Exotika aus einer fernen, zu überwindenen Welt. Sein Manuskript gab er auf A-5-Blättern ab. Sobald im Kopf alles fertig war, floss der Text ohne jeden Schreibfehler aus dem Kugelschreiber aufs Papier.

Wir sind stolz darauf, dass vier seiner Bücher bei Promedia erschienen sind. Es sind dies:
*) ARME ESSEN, REICHE SPEISEN. Sozialgeschichte der zentraleuropäischen Gastronomie (1995)
http://www.mediashop.at/typolight/index.php/buecher/items/schwendter-rolf—arme-essen-reiche-speisen.html
*) Schwendters Kochbuch. Rezepte für eine andere Küche (1997)
http://www.mediashop.at/typolight/index.php/buecher/items/schwendter-rolf—schwendters-kochbuch.html
*) Subkulturelles Wien. Die „Informelle Gruppe“ 1959-1971. Literatur, Kunst, Politik (2003)
http://www.mediashop.at/typolight/index.php/buecher/items/schwendter-rolf—subkulturelles-wien.html
*) Vergessene Wiener Küche. Kochen gegen den Zeitgeist (2004)
http://www.mediashop.at/typolight/index.php/buecher/items/schwendter-rolf—vergessene-wiener-kueche.html

Rolf, Du gehst uns ab. Wir trauern um Dich.
Hannes Hofbauer & Stefan Kraft

Rubrik: Demokratie & Lobby, Meine Themen

Bitte teilen!