Die Entscheidung des Rats der Finanzminister (ECOFIN), Frankreich mehr Zeit zur Erfüllung der Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu geben kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:
„Beim Euro-Stabilitätspakt wendet die EU-Kommission ihre ohnehin schlechten Regeln auch noch schlecht an. Es wird klar, dass die EU in einer Zwickmühle zwischen Deflation und Beugung der eigenen Regeln steckt. Wendet sie die neuen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes konsequent an, treibt sie die Eurozone in die Deflation. Wendet sie die neuen Regeln nur halbherzig an, sind die neuen Vorgaben von Anfang an unglaubwürdig.
Der erneuerte Stabilitäts- und Wachstumspakt schreibt die Verbesserung des konjunkturbereinigten Haushaltsdefizits um mindestens 0,5% des BIP pro Jahr vor. Frankreich soll seine Budgetposition in 2016 sogar um 0,8% des BIP verbessern. Es ist volkswirtschaftlich unsinnig, dass Haushaltssünder in der Krise zum Sparen verpflichtet werden. Würde die EU-Kommission die neuen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes streng auslegen, hätten ganze 14 Euro-Länder die Vorgaben verfehlt. Statt dieses Scheitern einzugestehen, wendet die EU-Kommission die Regeln mit großen Ermessensspielräumen an. Es ist verständlich, dass dies bei einem großen Mitgliedsland für besonderen Unmut sorgt. Allerdings ist Frankreich wahrlich kein Einzelfall. Auch bei anderen Ländern hat die EU-Kommission die eigenen Regeln nicht so eng gesehen. Das begann schon mit Ungarn und Polen unter EU-Kommissar Olli Rehn, der nun seinen Nachfolger Moscovici dafür kritisiert.
Statt die neuen Regeln durch schlechte Umsetzung unglaubwürdig zu machen, sollte die EU-Kommission offen und ehrlich sagen, dass es volkswirtschaftlich kontraproduktiv ist, Krisen durch harte Sparauflagen lösen zu wollen. Besonders unsinnig ist, dass die EU-Kommission verpflichtet ist, viele Länder gleichzeitig zum Sparen anzuhalten, während sie Länder mit Haushaltsspielräumen anhalten kann, die Zügel etwas zu lockern. Die Eurozone braucht dringend eine echte gemeinsame Haushalts- und Finanzpolitik mit gemeinsamen demokratischen Institutionen. Das Wechselspiel aus europäischen Regeln und scheinbarer nationaler Souveränität ist heute wieder einmal an ihre Grenzen gekommen.”
Weitere Daten nach Einzelstaaten zur inkonsequenten Anwendung der Regeln:
https://sven-giegold.de/2014/eu-kom-beschoenigt-haushaltslage-staaten/
Zum Beschluss des Rates zu Frankreich: