Sven Giegold

Stopp CETA!

In den letzten Wochen haben viele Bürgerinnen und Bürger Ihre Bedenken bezüglich des CETA-Abkommens gegenüber uns Europaabgeordneten mitgeteilt. Ich habe Ihnen folgende Antwort zugesandt:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre klaren und deutlichen Worte! Ich freue mich zu wissen, dass Sie gemeinsam mit vielen anderen Bürger*innen ein so großes Interesse am Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada zeigen. Als wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlaments lehne ich schon von Anfang an dieses Freihandelsabkommen CETA ab und teile Ihre Argumentation, dass durch die Schiedstribunale für Investoren grundlegende Prinzipien unserer Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit unterlaufen werden.

Und Sie haben Recht: Es sind nicht nur die Investorenschieds”gerichte” – oder, wie wir sagen: „private Schiedstribunale“ – die mir bei CETA Sorgen bereiten. Dieses Freihandelsabkommen hat viel zu viele andere klar abzulehnende Elemente:

  • Die Möglichkeit öffentlicher Dienstleistungen und der Daseinsvorsorge werden eingeschränkt;
  • Durch CETA wird es in Zukunft erschwert, privatisierte oder liberalisierte Sektoren zurück in die öffentliche Hand zu holen, selbst wenn demokratische Gremien das entscheiden wollen.
  • Auch beim Datenschutz, in der Landwirtschaft, beim Einfluss von gut organisierten Lobbyisten sind negative Folgen zu erwarten.

 

Es gibt noch viele weitere Gründe, CETA abzulehnen. Unsere Grüne Fraktion im Europäischen Parlament hat dazu eine Übersicht gemacht, die Sie sich hier ansehen können:

http://ttip2016.eu/blog/de%20CETA%2012.html

Dass diese hier diskutierten Freihandelsabkommen grüne Standards für Handelsverträge brechen und mit dem derzeitigen Verfahren demokratischer Legitimation entbehren, ist klar. Es steht auch fest: Schiedstribunale für Investoren, wie das ICS im CETA-Abkommen, sind nicht mit rechtsstaatlichen Prinzipien zu vereinbaren, so ist zum Beispiel die Unabhängigkeit der Schiedsrichter nicht gewährleistet.

Das Freihandelsabkommen mit Kanada liegt bereits in seiner Endfassung vor. Es entspricht in keiner Weise meinen Vorstellungen von einer gerechten Handelspolitik und setzt Demokratie, Rechtsstaat und Verbraucherschutz in einer unakzeptablen Weise unter Druck.

Deshalb werde ich bei einer Abstimmung im Europaparlament gegen CETA stimmen und ich setze mich für eine Ablehnung des Freihandelsabkommens durch das Europäische Parlament ein.

Danke für Ihre Unterstützung für den Schutz unserer Europäischen Demokratie. Gerne würde ich Sie auch in Zukunft über diesen Bericht und ähnliche Themen per E-Mail auf dem Laufenden halten. Bitte schreiben Sie uns eine kurze E-Mail, falls Sie dies nicht möchten.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Sven Giegold
Zum Hintergrund: Beispiel-E-Mail
Liebe EU-Parlamentarier,

Sie werden bald über das sogenannte Freihandelsabkommen CETA abstimmen. Ich schreibe Sie an, um zu erfahren, wessen Interesse Sie im EU-Parlament vertreten.

Schon 1999 schrieb David Rockefeller über die „Neue Führerschaft“ in den USA: Die Geschäftswelt will sich nicht nach den Regeln des Staates richten, sondern nur nach den eigenen Regeln. Logischer Weise muss sie die Regierung übernehmen. (Newsweek International v. 01.02.1999) Hauptfunktion des Staates soll nur Sicherung der Geschäftswelt und Sicherung nach außen sein.

Die angestrebten Freihandelsabkommen mit Investitionsschutz-Kapitel, Zulassung von Schiedsgerichten, Konzernmitspracherecht bei der Gesetzgebung und den irreversiblen Privatisierungen ist der Einstieg in die Vernichtung der Demokratie. CETA bricht nicht nur das Völkerrecht, sondern auch einige demokratische Verfassungen, deshalb rechtfertigt CETA auch in anderen EU-Staaten eine Verfassungsklage und eine Protestnote der anderen EU-Staaten an den Internationalen Gerichtshof.

 

Im folgenden einige der zerstörerischen Ergebnisse der privaten Schiedsgerichtsbarkeit:

— Rumänien hat den Gewinn der Getränke-Abfüllanlage von Joan und Viorel Micula geschmälert. Rumänien muss 250 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen.

— Argentinien ist verurteilt worden, weil es den Wasserpreis nicht so erhöht hat, wie der Wasserkonzern SAUR es wollte.

Kanada musste ein Gesetz zurücknehmen und den Krebs fördernden Benzinzusatz MMT wieder zulassen und für das Verbot die US-Firma Ethyl entschädigen.

— Wegen des Atomausstiegs hat Vattenfall Deutschland auf 3,5 Milliarden Euro verklagt. Die Bundesregierung wird von der US-Kanzlei McDermott Will & Emery vertreten. Die Kosten summieren sich schon vor Prozessbeginn auf etwa 3,2 Millionen Euro.

— In Kolumbien ist das rechtliche Chaos durch die verschiedenen Freihandelsverträge ausgebrochen. Ich sende Ihnen einen Link zu einem Artikel im „El Espectador“, der zweitgrößten Tageszeitung Kolumbiens, in dem (siehe insbesondere letzte 6 Absätze) über vorangekündigte Klagen von US- und kanadischen Konzernen gegenüber der kolumbianischen Regierung berichtet wird, die sich auf entsprechende Freihandelsabkommen beziehen.

http://www.elespectador.com/noticias/economia/le-fue-colombia-cuatro-anos-despues-de-tlc-estados-unid-articulo-632394

Diese Fälle zeigen uns Beispiele dafür auf, was uns bei Abschluss von CETA und TTIP blühen könnte. Die Konzerne sind dabei, ihren Ausbeutungswillen mit allen erdenklichen Mitteln ohne Rücksicht gegen Leben von Mensch und Natur durchzusetzen.

Ich sende Ihnen auch die Stellungnahme von Prof. Dr. Alfred de Zayas unabhängiger Sonderberichterstatter des UNO-Menschenrechtsrates für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung zu TPP (Transpazifische Partnerschaft) und CETA.

Professor Alfred de Zayas hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen aufgefordert, das Transpazifische Handelsabkommen TPP (Trans-Pacific Partnership Agreement) beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag zur Erstellung eines Gutachtens vorzulegen.

In einem Beitrag, der im indischen madhyam.org erschienen ist, erklärte der in Harvard promovierte Professor der Rechtswissenschaften, dass selbst dann, wenn das Abkommen von allen 12 Vertragsparteien ratifiziert würde, die das TPP-Abkommen ausgehandelt haben, die Unvereinabarkeit des Abkommens mit rechtstaatlichen Grundsätzen bestehen bliebe. Dies sei selbst dann der Fall, wenn das Abkommen nach Unterzeichnung am 4. Februar diesen Jahres in zwei Jahren in Kraft tritt.

Ferner erklärte de Zayas, die Bürger aller TPP-Länder sollten eine Neuregelung des Kapitels über Investitionen, sowie die Abschaffung der ISDS (der privaten Schiedsgerichte) fordern, da beide ein Affront gegen die Demokratie, die Gerechtigkeit, die nationale Souveränität sowie die „Ontologie des Staates als Beschützer des öffentlichen Interesses“ darstellen.

De Zayas fügte hinzu, dasselbe gelte auch für CETA, das Comprehensive Economic und Trade Agreement zwischen der EU und Kanada.

„Jetzt obliegt den Parlamenten die Pflicht, jedes Kapitel des TPP gewissenhaft zu überprüfen, die Regelwerke der einzelnen Staaten zu bewahren sowie konkrete Vorschläge zu formulieren, um Interessenskonflikte aus der Welt zu räumen. Die erforderlichen Änderungen müssen als Voraussetzung für die Ratifizierung gelten.“ Diese Formulierung kann analog für das Europa betreffende CETA gelesen werden.

„Schließlich“, so fordert der Völkerrechtsexperte, „muss in allen 12 Staaten über Volksabstimmungen dem Willen der Bevölkerungen Gehör verschafft werden, da die Bürger die sozialen Folgen des TPP tragen müssten.“

Dieser Beitrag ist erstmals 02.05.2016 online auf Third World Network erschienen:

http://www.flushthetpp.org/refer-tpp-to-international-court-of-justice-urges-un-expert-on-democratic-and-equitable-international-order-de-zayas/

 

Ihr Abstimmungsverhalten werde ich mit großem Interesse verfolgen.

Ich möchte Sie dringend bitten, Ihre Stimme im Sinne der Bürger der EU einzusetzen und die Interessen der Konzerne nicht höher einzustufen, als die Interessen des Staates.

 

Mit herzlichen Grüßen

XXX