Sven Giegold

Grüne fordern: EU-Kommission darf Glaubwürdigkeit der Regeln für Sustainable Finance nicht aufs Spiel setzen

Gestern, am 24. März 2021, haben Bas Eickhout, Ko-Berichterstatter der  Taxonomie-Verordnung, und Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europaparlament, einen Brief an die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen, Vizepräsident Valdis Dombrovskis, Vizepräsident Frans Timmermans und Finanzkommissarin Mairead McGuinness geschickt. Sie fordern die Kommission auf, trotz des Drucks mehrerer Mitgliedstaaten und der Lobbyarbeit einiger Industrie-Verbände von einer Abschwächung der Nachhaltigkeitskriterien im delegierten Rechtsakt für die Taxonomieverordnung abzusehen. Das betrifft insbesondere die Berücksichtigung von fossilem Gas, aber auch andere Bereiche wie Forstwirtschaft oder das produzierende Gewerbe. Parallel dazu haben mehr als 250 Expert*innen aus dem Sustainable-Finance-Bereich einen von uns Grünen initiierten Brief zu diesem Thema unterzeichnet.

 

Bas Eickhout, Ko-Berichterstatter für die Taxonomieregulierung für die Fraktion Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

„Die Taxonomie soll einen Goldstandard für wirklich nachhaltige Investitionen setzen, die die Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität voranbringen. Bei der Definition von Nachhaltigkeit sollte die Kommission auf die Wissenschaft hören, nicht auf die Wünsche der Industrie und der Mitgliedstaaten, die den Status quo grünwaschen wollen. Wenn die Kommission ihre eigenen Green-Deal-Ambitionen ernst nimmt, muss sie die Kriterien neu überdenken.“

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

„Die Schwächung der Nachhaltigkeitskriterien in der Taxonomie gefährdet die gesamte europäische Sustainable-Finance-Agenda. Investoren und Finanzmarktakteure fordern einen verlässlichen und glaubwürdigen Standard für Nachhaltigkeit. Im aktuellen Dschungel der Green-Finance-Behauptungen ist dies dringend nötig. Die Vorschläge der Kommission drohen, die Glaubwürdigkeit der Taxonomie schwer zu beschädigen. Eine Taxonomie, die fest in der Wissenschaft und den Zielen des Pariser Abkommens verankert ist, kann das nachhaltige Finanzwesen in Europa vorantreiben und international Standards setzen. Niemand braucht eine Taxonomie, die nicht den Stand der Wissenschaft, sondern den lauwarmen Kompromiss zwischen den Partikularinteressen der europäischen Mitgliedstaaten abbildet.“

 

Hintergrund:

Die Europäische Kommission wird den endgültigen delegierten Rechtsakt am 21. April 2021 verabschieden und finalisiert momentan ihren Entwurf. Wie diese Woche geleakte Dokumente zeigen, weicht der neueste Entwurf stark von den ursprünglichen wissenschaftsbasierten Kriterien ab. Dem voraus ging die massive Lobbyarbeit einiger Mitgliedstaaten. Unter bestimmten Bedingungen würden Investitionen in konventionelle Gaskraftwerke und die damit verbundene Infrastruktur als nachhaltig gelten. Nach der Verabschiedung durch die Kommission bräuchten der Rat und das Europäische Parlament eine qualifizierte Mehrheit, um den Entwurf abzulehnen – beide können den Text nicht ändern.

Im Laufe des Jahres wird die Kommission außerdem einen Vorschlag unterbreiten, wie sie mit Atomenergie in der Taxonomie umgehen wird. Derzeit erarbeiten Expertengruppen der Kommission eine Einschätzung, ob der anfallende radioaktive Müll ein Ausschlusskriterium für die Taxonomie darstellt.

Die Taxonomie ist das Herzstück der europäischen Sustainable-Finance-Agenda. Sie liefert ein Klassifizierungssystem, das wirtschaftliche Aktivitäten entweder als nachhaltig oder nicht nachhaltig kennzeichnet. Die Details dieser Klassifizierung müssen von der EU-Kommission in delegierten Rechtsakten über die sogenannten technischen Screening-Kriterien festgelegt werden. Als die Kommission im November 2020 ihren ersten Entwurf vorlegte, stütze sie sich auf die wissenschaftsbasierten Vorschläge der Technical Expert Group on Sustainable Finance. Wie Analysen der Grünen zeigten, war bereits dieser erste Entwurf in vielen Bereichen von den wissenschaftlichen Empfehlungen abgewichen.

 

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Brief an die Europäische Kommission von MdEPs Bas Eickhout und Sven Giegold:
https://groenlinks.nl/sites/groenlinks/files/2021-03/letter-gas-taxonomy.pdf

Brief von 250+ Expert*innen aus dem Sustainable-Finance-Bereich für glaubwürdige Regeln in der Taxonomie (weitere Unterschriften erwünscht):
https://actionnetwork.org/petitions/offener-brief-sustainable-finance/

Detaillierte Kommentierung des delegierten Rechtsakts durch die Fraktion Grüne/EFA, gesendet an die Europäische Kommission im Dezember 2020:
http://extranet.greens-efa-service.eu/public/media/file/1/6699

Rubrik: Europaparlament, Wirtschaft & Währung

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