Schonzeit für das Paradies
Die Bundesregierung blockiert in Europa ein Gesetz, das die Geldwäsche mittels Briefkastenfirmen erschweren soll
Von Harald Schumann, Berlin – Noch im vergangenen April gab sich Wolfgang Schäuble kämpferisch. Gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Pierre Moscovici drängte Deutschlands Finanzminister in einem Brief an die EU-Kommission, diese solle eine „Führungsrolle“ im weltweiten Kampf gegen die Geldwäsche einnehmen. Es gelte dringend ein „angemessenes Risikomanagement“ zu betreiben, um Kriminelle und Schwarzgeldbesitzer daran zu hindern, ihre illegal erworbenen Vermögen mittels Tarnfirmen reinzuwaschen.
Doch bei den derzeit laufenden Verhandlungen über die Neufassung des EU-Geldwäschegesetzes im Brüsseler Ministerrat stellen sich ausgerechnet die Vertreter der Bundesregierung gegen den nach Meinung von Fachleuten wichtigsten Reformvorschlag: Die europaweite Einrichtung von Unternehmensregistern einschließlich der Pflicht, darin die im Finanzjargon so genannten „beneficial owners“, also die „wirtschaftlich Berechtigten“ zu nennen, denen die Gewinne aus den jeweiligen Firmen zufließen.
Weil es diese Verpflichtung bisher nicht gibt, können Steuerhinterzieher und Geldwäscher ungehindert mit Briefkastenfirmen operieren, deren tatsächlicher Eigentümer verborgen bleibt. Das gilt auch in Deutschland. Zur Eintragung eines Unternehmens im hiesigen Handelsregister reichen die Angaben über das Eigentum an den Gesellschaftsanteilen, auch wenn diese bei einer ausländischen Firma liegen, deren Eigentümer nicht genannt sind. Vor allem wegen dieser Lücke nimmt Deutschland einen der vorderen Plätze auf dem „Schattenfinanzindex“ der Organisation Tax Justice Network (TJN) ein, in der sich Finanzexperten aus aller Welt zum Streit für Steuergerechtigkeit zusammengeschlossen haben (siehe Grafik). Die fehlenden Daten seien der „wichtigste Grund, warum ganz viele Ermittlungen wegen Geldwäsche- und Steuerstraftaten scheitern“, bestätigt Sebastian Fiedler, Vize-Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Die gesuchten Namen über Rechtshilfegesuche bei ausländischen Behörden zu bekommen, dauere „fast immer viel zu lang“ oder bleibe ganz erfolglos. Um die Geldwäsche zu bekämpfen, sei die Pflichtangabe über die tatsächlichen Eigentümer daher „der wichtigste Punkt“.
Das sehen auch die Regierungen von Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien so und fordern darum, entsprechende Register einschließlich der Meldepflicht über die Begünstigten EU-weit gesetzlich vorzuschreiben. Aber davon will Minister Schäuble nichts wissen. Das geht aus dem als „vertraulich“ eingestuften Protokoll der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates vom 5. September hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Demnach votierte der deutsche Vertreter gegen eine solche Pflicht, weil „die Datenhaltung für die Unternehmen zu aufwendig sei und die Qualität und Aktualität der Daten schwer nachzuhalten wären“, notierte der Protokollant aus Deutschlands ständiger Vertretung in Brüssel.
Damit stellt sich die Bundesregierung pikanterweise auf die Seite der als Steuerfluchtzentren bekannten Länder Luxemburg, Malta und Niederlande, die sich ebenfalls gemeinsam mit fünf weiteren der 28 EU-Staaten gegen die Registerpflicht aussprachen. Weil ohne die deutsche Unterstützung die notwendige qualifizierte Mehrheit von 260 der insgesamt 352 Stimmen im Rat fehlt, gilt der Vorschlag bis auf weiteres als abgelehnt.
Dabei hatten die Regierungschefs der G8-Gruppe noch im Juni bei ihrem jüngsten Gipfeltreffen mit Zustimmung von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich beschlossen, sie wollten künftig „sicherstellen“, dass die Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen „für die Sicherheits-, Steuer- und andere zuständige Behörden zugänglich sind, zum Beispiel über ein zentrales Register“. Dass nun gerade die bisherige Bundesregierung ein solches Register verhindere, zeige „dass sie Herrn Schäubles Versprechen, endlich gegen Steuerflucht und Geldwäsche vorzugehen, gar nicht einlösen will“, empörte sich der Finanzpolitiker und Europaabgeordnete der Grünen, Sven Giegold.
Die Haltung der Bundesregierung konterkariere auch die mühsam erreichte Verabredung der Industrieländer in der OECD, über einen automatischen Informationsaustausch zu den steuerpflichtigen Einkommen von Ausländern die Steuerflucht einzudämmen, warnt Markus Meinzer, Sprecher des Tax Justice Network. „Fast alle großen Vermögen“ würden „über Firmen verwaltet, die den Namen der Eigentümer verbergen“, sagt er. Besonders für Entwicklungsländer seien diese Angaben wichtig, um der Steuerflucht Herr zu werden. Sambia etwa habe „zwei Beamte in der internationalen Abteilung, die müssen diese Daten bekommen, sonst können sie gar nichts machen“. Warum die Bundesregierung dies dennoch ablehnt, erklärte eine Sprecherin von Minister Schäuble mit der „Gefahr, dass ein staatliches Register die Sorgfalt der Banken bei der Prüfung ihrer Geschäftspartner“ untergrabe. Die Angaben über die tatsächlichen Eigentümer seien ja nicht überprüfbar. Weil es sich aber um ein staatliches Register handele, könnten sich Banken darauf berufen und auf eigene Prüfungen verzichten. Besser sei es, deren Prüfpflicht zu verschärfen. Das sei ein „geradezu absurdes Argument und von vorne bis hinten zu widerlegen“, hält Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamten dagegen.
Zwar sei es richtig, dass sich Europas Banken deshalb für das Register ausgesprochen hätten, weil sie bei ihren Vorkehrungen gegen Geldwäscher Zeit und Geld sparen wollen. Aber man könne „doch beides tun: die Pflicht zur Meldung der Eigentümer einführen und den Banken vorschreiben, trotzdem eigene Prüfungen durchzuführen“. Entscheidend sei, dass die behördlichen Ermittler endlich Zugang zu Eigentümerangaben bekämen. Und wenn diese falsch seien, dann sei schon das „gesetzeswidrig“ und „wir wissen, dass wir auf der richtigen Spur sind“. Noch steht allerdings das Votum des Europa-Parlaments aus. Dort aber bahne sich eine Mehrheit für die Einführung der Registerpflicht an, berichtete der Vertreter der Kommission bei der Ratssitzung Anfang September. Kommt es dazu, werden die Beamten des deutschen Finanzministeriums noch einmal verhandeln müssen, und das womöglich – abhängig von den künftigen Koalitionsverhandlungen – unter den Vorgaben eines neuen Chefs.