Sven Giegold

Überarbeitung der EU-Haushaltsregeln: Vorschlag für grüne und digitale Ausnahmen greift zu kurz

Heute stellt die EU-Kommission ihre Pläne für die Überarbeitung der europäischen Fiskalregeln vor. Darin bewertet die Kommission, wie gut die Regeln in der Vergangenheit funktioniert haben und stellt Vorschläge zur Verbesserung zur Diskussion. Probleme sieht die Kommission mit der Komplexität der Regeln, der allgemeinen Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit, der pro-zyklischen Wirkung (Verstärkung von Konjunkturzyklen statt Abmilderung), der Intransparenz einiger schlecht messbarer Indikatoren und einer allgemeinen Tendenz der Unterinvestition durch die Fiskalregeln. Auch die asymmetrische Behandlung von makroökonomischen Ungleichgewichten zwischen Leistungsbilanzüberschüssen und -defiziten wird thematisiert. Die Analyse bleibt insgesamt leider oberflächlich und beschreibend. Konkrete Zahlen oder Fälle liefert die Kommission wenig. Am Ende des Papiers stellt die Kommission die aufgeführten Herausforderungen zur Diskussion und schlägt unter anderem eine Ausnahme für grüne und digitale Investitionen von den Schulden- und Defizitregeln vor. In der ersten Jahreshälfte diesen Jahres will die Kommission relevante Akteure zu den Vorschlägen konsultieren und gegebenenfalls gegen Ende des Jahres Gesetzesvorschläge zur Überarbeitung der Fiskalregeln vorlegen.

Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:

“Mit ihren Vorschlägen für die Fiskalregeln greift die Kommission die relevanten Probleme von Unterinvestition und Komplexität auf. Der Vorschlag der Kommission, digitale und grüne Investitionen aus den Fiskalregeln auszunehmen, löst das grundlegende Problem der Investitionsschwäche nicht. Die europäischen Fiskalregeln sind zu kompliziert und nicht besonders wirksam. Die Regeln haben zu flächendeckender Unterinvestition in öffentliche Güter wie Infrastruktur und Bildung geführt.

Besonders problematisch ist, dass die heutigen Fiskalregeln pro-zyklisch wirken und Konjunkturzyklen verstärken statt sie abzumildern. Pro-zyklische Haushaltsregeln zwingen Staaten zu Ausgabenkürzungen in Abschwungphasen und führen so zu vermeidbarer Armut und Arbeitslosigkeit. Die Komplexität der Regeln lässt der EU-Kommission zu viel Entscheidungsspielraum, sodass sie etwa bei Italien, Frankreich und Deutschland zu einem politischen Instrument geworden sind. Der Vorschlag für Ausnahmen für Grünes und Digitales würde zu noch komplexeren und intransparenten Fiskalregeln führen, wo eine Vereinfachung dringend geboten wäre. Nur mit Vereinfachung kann der Politisierung der Fiskalregeln entgegengewirkt werden. 

Die Untersuchung der Kommission kann nur unbefriedigend ausfallen, wenn sie nicht konkrete Zahlen auf den Tisch legt und Einzelfälle wie die Beugung der Regeln bei Frankreich und Italien nicht bespricht. Das Instrument zum Abbau makroökonomischer Ungleichgewichte funktioniert nicht richtig, denn es kam in diesem Rahmen noch nie zu Sanktionen. Die Kommission sollte diese Schwachstelle angehen, denn der gigantische Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands schwächt die Stabilität der Eurozone.

Statt grüner Ausnahmen brauchen wir eine Besserstellung aller Investitionen in den Haushaltsregeln, ermöglicht durch eine einfache Abschreibungsregel. Das bringt nicht nur Digitalisierung und Klimawende voran, sondern auch andere öffentliche Güter wie Forschung, Gesundheit und Bildung. Damit die Regeln wirklich antizyklisch wirken, müssen sie für Regierungen gerade in guten Zeiten weniger und dafür in schlechten Zeiten mehr Ausgaben erlauben.

Die GroKo muss sich in der Diskussion über die europäischen Fiskalregeln konstruktiv verhalten. Die prozyklischen Regeln hatten in der Krise in vielen Mitgliedstaaten verheerende Auswirkungen und müssen dringend reformiert werden. Es braucht keine dogmatischen Positionen, die die Gräben zwischen Nord- und Südeuropa vertiefen, sondern echte Gesprächsbereitschaft. Nur so kann Europa zu besseren Haushaltsregeln kommen.”

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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