Sven Giegold

Ungleichgewichte in der Eurozone weiterhin dramatisch

Ungleichgewichte in der Eurozone weiterhin dramatisch

Eine Woche vor Weihnachten erschienen die Außenhandelsdaten von Eurostat mit dem Abschluss des 3. Quartals 2011. Die makroökonomischen Ungleichgewichte sind weiterhin erschreckend hoch. Ein Trend zu stärkerer Konvergenz der Euro-Ökonomien ist nicht zu erkennen. Damit gibt es auch wenig Anlass für Optimismus, was den Zusammenhalt der Eurozone durch Marktkräfte alleine angeht. Starke Maßnahmen wirtschaftspolitischer Zusammenarbeit werden notwendig sein, um allein Euroländern ein erfolgreiches gemeinsames Wirtschaften in der Währungsunion zu ermöglichen.

 

Gestiegene Belastung durch Energie- und Rohstoffkosten

Die gestiegen Belastungen durch die erhöhten Energie- und Ressourcenpreise treffen alle Euroländer. Die Rechnung zur Einfuhr von Energie in den Euroraum stieg von 242,9 Mrd. Euro im Januar bis September 2010 innerhalb eines Jahres auf 308,9 Mrd. Euro. Hier zeigen sich die dramatischen Folgen der Verknappung und Verteuerung von fossilen Energieträgern. Auch die Kosten der Einfuhr von anderen Grundstoffen sind von 53,8 Mrd. Euro auf 67,8 Mrd. Euro gestiegen. Bei Nahrungsmitteln waren es 66,9 Mrd. Euro auf 77,7 Mrd. Euro. Wenn man die Einnahmen aus den Ausfuhren in den drei Bereichen abzieht, so ergibt sich ein Saldo von 261,4 Mrd. Euro. Ganz Belgien arbeitet also nur, um die Handelsbilanzdefizite der Euroländer im Bereich Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel zu finanzieren. Daraus folgt, dass Europa sich auch ökonomischen Gründen nicht leisten kann, auf eine konsequente Strategie der Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit von endlichen Ressourcen und begrenzter Landnutzung zu verzichten.

 

Unterschiedliche Leistungsfähigkeit zwischen den Euroländern

Angesichts der schwachen Konjunktur und wachsenden, zum Teil sehr hohen Arbeitslosigkeit in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien sollte man eine Reduktion des Handelsbilanzdefizits erwarten. Von einer solchen Korrektur ist jedoch nichts bis viel zu wenig zu sehen. In allen Problemländern ist die Handelsbilanz tief im Minus. Dagegen erzielen Deutschland und die Niederlande konstant hohe Handelsbilanzüberschüsse:

 

Frankreich in großen Problemen

Zudem hat Frankreich ein Besorgnis erregendes Handelsbilanzdefizit, das auf eine starke und wachsende Wettbewerbsschwäche hindeutet. Innerhalb eines Jahres ist das Außenhandelsdefizit Frankreichs der ersten 9 Monates des Jahres von 47,1 Mrd. Euro auf 65,8 Mrd. Euro gestiegen. Der Zinsabstand zwischen Deutschland und Frankreich bei 10jährigen Staatanleihen liegt inzwischen dauerhaft auf Rekordniveau von über 1%.

Die aktuellen politischen Entwicklungen in Frankreich machen leider wenig Mut, dass die französische Politik in der Lage ist, hier gegen zu steuern. Sarkozy steht vor seiner Abwahl. An Reformen hat er wenig zu Wege gebracht. Die französische plurale Linke tabuisiert die Wettbewerbsprobleme in ihren Wahlprogrammen weitgehend oder schlägt protektionistische Maßnahmen vor.

 

Überschussländer verweigern Steigerung der Binnennachfrage

Das ist umso Besorgnis erregender für den Euro, weil in den Überschussländern Niederlande und Deutschland umgekehrt beide Regierungen Maßnahmen verweigern, die zu einer Steigerung der Binnennachfrage und damit der Importe führen würden. Dabei ist die in beiden Ländern gewachsene Ungleichheit der Lebenschancen und der Klimawandel Grund genug mehr in Bildung, Gesundheit, soziale Sicherung und ökologische Produktions- und Lebensweisen zu investieren.

 

Fazit

Die jüngsten Daten geben wenig Grund zur Hoffnung, dass die hinter der Eurokrise liegenden grundlegenden Probleme schnell ändern werden. Die Defizitländer müssen sich weiter verschulden, um ihre Importe zu finanzieren. Selbst eine tiefe Krise wie in Portugal, Griechenland und Spanien scheint nicht zu genügen, um die Länder in eine Überschussposition zu bringen. Wenn der Europäische Rat weiterhin fast ausschließlich mit der Rettung von Staaten und Banken sowie Spaprogrammen befasst, handelt er ideologisch, kurzsichtig  und unverantwortlich.

Kommissar Rehn muss nun die neuen Instrumente gegen „Übermäßige Ungleichgewichte“ entschlossen nutzen. Die Mitgliedsländer sind scheinbar alleine dazu nicht in der Lage. Die Ankündigung auf in den neuen Gesetzen vorgesehene Sanktionen gegen übermäßige Überschüsse prinzipiell verzichten zu wollen, wird sich als schwerer Fehler erweisen.

Quelle: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/6-16122011-BP/DE/6-16122011-BP-DE.PDF

Rubrik: Meine Themen, Wirtschaft & Währung

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