Sven Giegold

Endlich öffentlich: Die “verbotene Studie” der Deutschen Bank zum Versagen der deutschen Finanzaufsicht

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

sie war das meistgesuchte Phantom in Finanzmarktkreisen in der vergangenen Woche: Die Finanzmarkt-Studie der Deutschen Bank. Die “verbotene Studie”. Am Dienstag vor einer Woche hatte die Forschungsabteilung der Deutschen Bank ein kritisches Papier zum Finanzplatz Deutschland veröffentlicht, das jedoch kurz darauf wieder spurlos von ihrer Website verschwand. Noch am Folgetag distanzierte sich die Bank “von der in Inhalt und Form unangemessenen Kritik an Aufsichtsbehörden und politischen Entscheidungsträgern, die in der Studie zum Ausdruck kam”. Berichten zufolge entschuldigte sich Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing in der Zwischenzeit sogar persönlich bei der Leitung von BMF und BaFin.

Seither wird gerätselt: Was stand denn so Skandalträchtiges in der Studie, dass sich sogar der Vorstandsvorsitzende zum persönlichen Kotau gezwungen sieht? Um dem Rätselraten ein Ende zu bereiten, veröffentlichen wir das heiße Papier hier nun im Original und schaffen so wieder Transparenz.

Um es kurz zu machen: In vielen Punkten trifft Studienautor Jan Schildbach den Nagel auf den Kopf. Über den Ton mag man streiten, aber vor allem seine schonungslose Analyse des systematischen Versagens deutscher Finanzaufsichtsbehörden und der seit Jahren unzureichenden Reformbemühungen sind präzise und zutreffend. In den Worten des Autors:

“Es gibt wohl – leider – kaum eine Finanzaufsicht in den Industrieländern weltweit, unter deren Augen in den letzten 15 Jahren derart viele Finanzskandale stattgefunden haben und bei denen die Finanzaufsicht insgesamt ein so schlechtes, ja teilweise dysfunktionales Bild abgegeben hat, wie die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).”

Als Belege führt der Autor unter anderem die große Anzahl Pleitebanken während der Finanzkrise, den Cum-Ex-Steuerbetrug, die Verstrickung deutscher Banken in Geldwäsche und die Manipulation von Zinssätzen, den Wirecard-Skandal oder die Greensill-Insolvenz an. Zu den ausbleibenden Konsequenzen formuliert Schildbach treffend:

“Und trotzdem hat sich in der ganzen Zeit an Struktur, Aufgaben oder Kompetenzen der Finanzaufsicht (bislang) fast nichts geändert. Das ist erstaunlich – und beschämend, waren die vielen Vorfälle doch äußerst kostspielig (auch) für deutsche Anleger, Steuerzahler und katastrophal für das Ansehen des Finanzstandorts im Ausland.”

Die Studie bringt das Systemversagen der deutschen Finanzaufsicht und der politisch Verantwortlichen im BMF auf den Punkt. Umso bedauerlicher ist es, dass sich Christian Sewing und die Deutsche Bank ausgerechnet von diesen wichtigen Aussagen distanzieren und vor BaFin und Olaf Scholz zu Kreuze kriechen.

Dabei hätte es durchaus angemessene Gründe für eine Entschuldigung gegeben. Was die Studie nämlich gänzlich verschweigt, ist die gewichtige Rolle der Deutschen Bank bei den Skandalen des Finanzplatzes Deutschland. Kaum ein Skandal in der Auflistung des Autors, in dem die Deutsche Bank nicht auch selbst eine unrühmliche Rolle spielte. Dass die Studie den schwarzen Peter einzig und allein der Finanzaufsicht zuschiebt, ohne die Rolle des eigenen Hauses zu reflektieren, hinterlässt einen mehr als faden Beigeschmack.

Auch sonst überzeugen viele Punkte der Studie nicht. So soll die starre Gliederung des deutschen Bankensystems in die drei Säulen Privatbanken, öffentlich-rechtliche Banken und Genossenschaftsbanken maßgeblich Schuld an der niedrigen Profitabilität deutscher Banken haben. Warum aber gleichzeitig Auslandsbanken auf dem deutschen Markt durchaus profitabel agieren können, wird nicht überzeugend erklärt. Auch der Ruf nach einer pauschal niedrigeren Unternehmensbesteuerung wirkt schlecht begründet. Andere Punkte, etwa die Forderung nach einer konsequenteren Vertiefung der Europäischen Kapitalmarktunion, sind hingegen überzeugend.

Wie immer gilt: Am Schluss soll sich jeder sein eigenes Bild machen können. Mit der Veröffentlichung der Studie ermöglichen wir eine transparentere Debatte. Jetzt schnell die Studie hier herunterladen.

Mit europäischen aber frechen Grüßen

Sven Giegold

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Die “verbotene Studie” der Deutschen Bank zum Finanzplatz Deutschland zum Download: https://sven-giegold.de/verbotene-studie-deutsche-bank-research/

 

 


Hinweis: Dieser Blogbeitrag wurde innerhalb der letzten 2 Monate vor der Bundestagswahl 2021 veröffentlicht. In diesem Zeitraum wurde die Homepage und die zugrunde liegende IT-Infrastruktur aus Wahlkampfmitteln und nicht aus dem Parlamentsbudget finanziert.

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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