In den letzten Wochen haben mich viele Nachfragen zu meinem Bericht zu Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen erhalten, die ich gerne wie folgt beantwortet habe:
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Email für mehr Transparenz! Als Berichterstatter für den von Ihnen angesprochenen Bericht zu Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen habe ich seit Monaten mit den Abgeordneten anderer Fraktionen um Kompromisse gerungen und habe mich ebenso darauf gefreut, dafür am letzten Montag die Zustimmung des Verfassungsausschusses zu bekommen. Leider scheinen vor allem die Konservativen sich gerade erfolgreich gegen eine baldige Abstimmung zu stemmen.
Die von Ihnen geforderten Reformen für mehr Lobbytransparenz, für ein Verbot von Lobby-Nebenjobs und für ein wirkungsvolleres Sanktionsregime wenn Abgeordnete Integritätsregeln verletzen haben eine vermutlich mehrheitliche Unterstützung quer durch die Parteien: Grüne, Sozialdemokraten, Linke aber auch Rechtskonservative der regierenden PiS-Partei in Polen hatten angekündigt, für die gefundenen Kompromisse zu stimmen. Die Fraktion der Konservativen lehnte viele unserer Forderungen allerdings von Anfang an ab. Jetzt wo sie eine Abstimmungniederlage fürchten mussten, wollen sie die Abstimmung ganz verhindern und haben davon auch die Fraktionsführung der Sozialdemokraten überzeugen können. Die Konservativen wollen die Abstimmung also auf unbestimmte Zeit vertagen. Mehr noch: Sollte es zur Abstimmung kommen, beantragen sie die drei von Ihnen unterstützen Forderungen herauszustreichen.
Erst wenn die Konservativen ihren Antrag auf Verschiebung oder die Führung der Sozialdemokraten ihrer Unterstützung dafür zurückziehen, kann es endlich zur Abstimmung kommen. Verantwortlich dafür sind bei den Konservativen der Berichterstatter und Obmann György Schöpflin (Fidez/Ungarn) und der Fraktionsvorsitzende Manfred Weber (CSU/Deutschland), bei den Sozialdemokraten Obfrau Mercedes Bresso und der Fraktionsvorsitzende Gianni Pitella (beide Partito Democratico/Italien).
Bitte lassen Sie nicht locker! Wir werden im Parlament weiter unser Mögliches tun, um Transparenz und Integrität voran zu bringen. Ihr Druck kommt bei den Kollegen an, er hilft uns sehr!
Mit herzlichem Dank und grünen europäischen Grüßen
Sven Giegold
Die E-Mails hatten meist folgenden Inhalt:
Sehr geehrter Herr Sven Giegold,
Ich bin ein EU-Bürger/eine EU-Bürgerin aus XXX, Germany und ich
schreibe Ihnen, da mir der ausufernde Lobbyismus und der unkontrollierte
Einfluss großer Konzerne und Unternehmen auf die europäischen
Entscheidungsprozesse missfallen. Ich mache mir Sorgen, dass der jetzige
Verhaltenskodex für unsere gewählten Repräsentanten in der EU zu schwach
ist und Interessenkonflikte entstehen können.
Meine persönliche Nachricht an Sie:
„I believe strongly that the EU needs more transparent and ethical
decision-making.
“
Am 12. September wird der Ausschuss für konstitutionelle Fragen, in dem Sie
mitentscheiden, über den „Bericht über Transparenz, Integrität und
Rechenschaftspflicht in den EU-Organen“ abstimmen. Diese Abstimmung wird
großen Einfluss darauf haben, wie EU-Institutionen und vor allem das
Europäische Parlament in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Es ist
eine Gelegenheit für die EU-Abgeordneten, die Debatte über diese wichtigen
Themen zu führen und sich zu demokratischen Reformen zu bekennen.
Mit Ihrer Stimme können Sie unter anderem ein Verbot von Nebentätigkeiten
für EU-Abgeordnete bei Unternehmen und Organisationen unterstützen, die
selbst Lobbyarbeit bei den EU-Institutionen betreiben und so möglichen
Interessenkonflikten einen Riegel vorschieben. Außerdem können Sie fordern,
das parlamentarische Ethik-Komitee zu stärken. Dieses soll von sich aus
Untersuchungen durchführen können, wenn es einen Interessenkonflikt
vermutet, auch wenn der Parlamentspräsident nicht aktiv werden will. Die
Empfehlungen des Komitees sollen öffentlich sein. Und indem Sie für den
„legislativen Fußabdruck“ stimmen, ermöglichen Sie es der
Öffentlichkeit zu sehen, welche Interessensgruppen auf den politischen
Entscheidungsprozess Einfluss genommen haben, zu welchen Thema und wer der
Auftraggeber war.
Deshalb fordere ich Sie auf, für den Bericht „Transparenz, Integrität und
Rechenschaftspflicht in den EU-Organen“ und insbesondere für die folgenden
Punkte zu stimmen:
1. Setzen Sie sich ein für das Verbot für Abgeordnete, Nebenjobs bei
Unternehmen, Verbänden und Organisationen auszuüben, die selbst Lobbyarbeit
bei den EU-Institutionen betreiben.
2. Fordern Sie die Stärkung des parlamentarischen Ethik-Komitees: Dieses
soll von sich aus Untersuchungen bei Interessenkonflikten durchführen
können und die Öffentlichkeit über alle Ergebnisse und Empfehlungen für
Sanktionen informieren.
3. Unterstützen Sie die ausdrückliche Empfehlung an das Europäische
Parlament für die Einführung legislativer Fußabdrücke bei allen neuen
Gesetzen
Als Abgeordnete/r des Europäischen Parlaments liegt es in Ihrer Hand, sich
für mehr Transparenz und Demokratie einzusetzen.
Ich freue mich über eine Antwort von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
XXX