Einen Tag vor der Abstimmung im Europaparlament hat Ursula von der Leyen mit Briefen an die sozialdemokratische und liberale Fraktion, ihre Positionen zu vielen Themen erläutert. Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:
“Unsere Position zu von der Leyen hat sich durch ihre Briefe nicht geändert. Insbesondere bei den Themen Rechtsstaatlichkeit und Migration, sind ihre Pläne völlig unzureichend. Von der Leyen könnte Opfer ihrer eigenen Strategie werden. Man kann nicht gleichzeitig um die Stimmen von Pro-Europäern und Europafeinden werben. Von der Leyen kann nicht einerseits auf eine pro-europäische Mehrheit setzen und andererseits mit den Europagegnern flirten. Beim Thema Rechtsstaatlichkeit sitzt von der Leyen zwischen den Stühlen und spricht sich nicht eindeutig für die Fortsetzung der Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn oder Polen aus. Sie schweigt auch zur Lage in Rumänien und Malta. Das Haltungsproblem liegt auf ihrer Seite, nicht bei den Pro-Europäern, die ihre weiche Position bei der Rechtsstaatlichkeit kritisieren. Bei der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien darf die EU-Kommissionsspitze niemals wackeln. Die Europawahl wurde nicht von Rechtspopulisten gewonnen, trotzdem versucht es von der Leyen jetzt auch ihnen recht zu machen. Auch beim Thema Migration scheut von der Leyen einen Konflikt mit den Viségrad-Staaten und Italien. Sie hat sich weder eindeutig für eine faire Verteilung von Flüchtlingen in der EU ausgesprochen noch für die finanzielle Unterstützung der Flüchtlingsversorgung von Kommunen.
In ihren Zugeständnissen an das Parlament, behält sich von der Leyen regelmäßig eine Hintertür offen. Höhere EU-Klimaziele für 2030 macht sie von internationalen Verhandlungen abhängig. Das ist zu wenig. Europa muss mit eigenen ambitionierten Ziele als globaler Vorreiter beim Klimaschutz vorangehen. Von der Leyen schlägt kein volles Initiativrecht für das Europaparlament vor. Aus einer Entscheidung des EU-Parlaments will sie kein gleichlautendens EU-Gesetz machen, sondern ihr eigenes Gesetz nach diversen grundsätzlichen Erwägungen formulieren. Auch das ist zu wenig. In der Handelspolitik lässt sie sich ebenfalls eine große Hintertür offen. Handelsverträge braucht nicht nur Nachhaltigskeitskapitel, sondern rechtlich verbindliche Umwelt- und Sozialstandards. Für uns Grünen ist von der Leyen auch nicht wählbar, weil sie keine Wende in der EU-Agrarpolitik will. Um das Artensterben und den Klimawandel zu bremsen, brauchen wir eine nachhaltigere Landwirtschaft. Dafür hat von der Leyen ihre Unterstützung in der Anhörung in unserer Fraktion verweigert.”