Sven Giegold

Zu viele schwarze Schafe in Junckers neuer Kommission

Das Europäische Parlament hat heute über die neue EU-Kommission des designierten Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker abgestimmt. Damit hat das Parlament auch Bilanz aus den Anhörungen der letzten Wochen gezogen.

Zum Nein der grünen Fraktion im Europaparlament zur neuen Kommission kommentiert Sven Giegold, Sprecher der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament:

„In Jean-Claude Junckers Team gibt es zu viele schwarze Schafe, deswegen haben wir Grüne gegen die neue EU-Kommission gestimmt. Die Interessenskonflikte von Klimakommissar Cañete und Finanzmarktkommissar Hill sind zu schwerwiegend, um die Kommission zu bestätigen. Insgesamt gibt es mit Tibor Navracsics, Jyrki Katainen, Miguel Arias Cañete und Jonathan Hopkin Hill vier höchst problematische Kommissare. Statt diese gezielt von ihren Plätzen zu nehmen, hielt Juncker an seiner Aufstellung fest und die Große Koalition winkte sie in den Anhörungen durch.

Die Wahl des Europawahl-Spitzenkandidaten Juncker als Kommissionschef war ein Sieg für die Europäische Demokratie. Die Kommission von Juncker ist insgesamt stärker und handlungsfähiger als die von Barroso, der die Kommission vielfach zu einem Ausführungsorgan des Rates degradiert hatte. Die Hoffnung auf einen neuen Aufbruch ist durch die Interessenkonflikte zu vieler Kommissare jetzt aber beschädigt. Die Große Koalition von Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen hat das Parlament als demokratischen Schiedsrichter lahm gelegt.

Jean-Claude Juncker hat beim Versprechen an uns Grüne für mehr Lobbytransparenz bislang Wort gehalten und seinen Kommissaren dieses Ziel vorgegeben. Dieser Fortschritt kann aber den Mangel an Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht ausgleichen. Diese Kommission hat noch keinen Kompass für einen sozialen und ökologischen Weg aus der Krise. Ein Investitionsprogramm bringt Europa nur voran, wenn es nachhaltig, also ökologisch und sozial ist. Das fehlt sowohl bei der Besetzung der Kommissarsposten als auch bei den Aufgabenbeschreibungen, die Juncker vorgelegt hat.

Wir Grünen werden konstruktiv mit der neuen Kommission zusammenarbeiten, wie wir es auch mit der Barroso-Kommission gehalten haben. Wir Grünen bleiben eine entschiedene proeuropäische Fraktion. Die bereits erreichten Fortschritte für mehr Transparenz, das angekündigte Investitionsprogramm und die Betonung der sozialen Dimension Europas sind für uns Anknüpfungspunkte.

Besonders kritisch werden wir Jean-Claude Juncker bei der Europäischen Steuerharmonisierung auf die Finger schauen. Als Luxemburger Premier und Finanzminister war er oftmals Schutzpatron steuerscheuer Großunternehmen und Steuerflüchtlinge. Sein Steuerkommissar Moscovici hat versprochen, die Europäische Steuerharmonisierung zu seinem Schwerpunkt zu machen. Wir werden genau hinschauen, ob sich Juncker bei Steuer- und Wirtschaftskriminalität vom Saulus zum Paulus wandelt.“

 

 

Wahl der neuen EU-Kommission:

Junckers Mannschaft überzeugt Grüne nicht

Die Kommission von Jean-Claude Juncker wurde heute von der Mehrheit des Europäischen Parlaments gewählt. Die Fraktion der Grünen/EFA stimmte gegen das Kollegium.

Dazu sagte die Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms:

„Wir lehnen diese Kommission nicht pauschal ab: Unsere Fraktion hat einige Kommissare positiv bewertet und wird mit der neuen Kommission wo immer möglich konstruktiv zusammenarbeiten. Als pro-europäische Fraktion wollen wir mit dieser Kommission kooperieren, wenn es darum geht, Lösungen für die Probleme zu finden, mit denen Europa und seine Bürgerinnen und Bürger konfrontiert sind.

Aber Jean-Claude Juncker konnte uns mit seinem Team nicht überzeugen. Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz scheinen in dieser Kommission nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Das können wir Grüne nicht akzeptieren. Auch die hastige Entscheidung, Vize-Präsident Frans Timmermans mit der Zuständigkeit für Nachhaltigkeit zu betrauen, hat das nicht geändert. Die Entscheidung ist absurd. Timmerman tritt an für den Abriss von europäischen Regeln, aber gerade um die Ziele von nachhaltiger Politik zu erreichen, brauchen wir verbindliche europäische Regeln.

Diese Kommission ist das Ergebnis eines Deals zwischen den drei großen Fraktionen im EU-Parlament, den Christ- und Sozialdemokraten sowie den Liberalen. Wichtig war offenbar vor allem, dass die Machtverteilung zwischen diesen drei Parteien stimmte. So wurden auch die Anhörungen im Europäischen Parlament zumindest teilweise zur Farce. Wenn alles festgeschnürt ist und kein Raum für Veränderung bleibt, dann machen Anhörungen wenig Sinn.“

Philippe Lamberts, Fraktionsvorsitzender, fügte hinzu:

„Mit der politischen Ausrichtung seiner EU-Kommission wird es nicht gelingen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die europäische Demokratie zurück zu gewinnen. Wir sind überzeugt, dass die EU vor allem die immer grösser werdende Ungleichheit zwischen den Mitgliedsstaaten bekämpfen muss, dass wir eine nachhaltige Wirtschaftspolitik brauchen und dass wir für eine vernünftige Regulierung der Finanzmärkte sorgen müssen. All das sind offenbar keine Prioritäten dieser Kommission.

Kommissionspräsident Juncker musste mit den von den Mitgliedsstaaten vorgeschlagenen Kandidaten vorlieb nehmen. Aber bei der Verteilung der Ressorts hatte er auch nicht immer eine glückliche Hand. Einige Kandidaten wie Canete und Hill haben nach wie vor Interessenskonflikte, die mit ihren Zuständigkeiten unvereinbar sind. Dass Juncker das negative Votum des Kulturausschusses ignoriert und dem Ungarn Navracsics das Bildungs- und Kulturressort überlassen hat, ist politisch unverantwortlich. Alles in allem weist die Juncker-Kommission daher zu viele Probleme auf, als dass wir ihr zustimmen können.“