Sven Giegold

„Bankenaufspaltung ist soziale Marktwirtschaft pur“ (ZEIT-Interview)

 Ein Interview mit der ZEIT zum Thema „Bankenaufspaltung“, erschienen am 02.10.12 auf Zeit.de:

 

Die SPD legt vor, Brüssel zieht nach: Jetzt muss Angela Merkel endlich ernst machen mit der Regulierung der Finanzbranche, fordert der Grünen-Parlamentarier Sven Giegold.

ZEIT ONLINE: Herr Giegold, erst schlägt der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Trennung von Investmentbanking und klassischem Bankengeschäft vor, nun präsentiert der finnische Zentralbankchef Erkki Liikanen ähnliche Ideen: Kommt die Bankenregulierung in Europa endlich in Fahrt?

Sven Giegold: Daran arbeiten wir doch in Brüssel schon lange. Es könnte schon seit Jahren für Banken geben, wenn nicht Deutschland und Frankreich mit Blick auf ihre Großbanken diese Regeln verhindern würden. Die Regierung in Berlin blockiert etwa noch immer eine Richtlinie des EU-Parlaments, die es den Banken vorschreiben würde, deutlich mehr Eigenkapital vorhalten zu müssen als heute.

ZEIT ONLINE: Wird sich das mit den neuen Vorschlägen aus Brüssel ändern? Immerhin hat Berlin zuletzt Bereitschaft signalisiert, für eine Diskussion über ein Trennbankensystem offen zu sein, wie es nun Liikanen vorschlägt.

Sven Giegold: Abwarten. Bisher haben wir die Erfahrung gemacht, dass die beiden großen Mitgliedsstaaten Frankreich und Deutschland alles abgelehnt haben, was ihren Großbanken – etwa BNP Paribas und der Deutschen Bank – schaden könnte. Beide Vorschläge, sowohl von Steinbrück als auch von Liikanen – kosten diese Institute viel Geld. Für die Steuerzahler wären sie dagegen eine gute Nachricht.

ZEIT ONLINE: Der Plan von Liikanen sieht unter anderem die Trennung von Investmentgeschäft und klassischem Bankgeschäft vor. Wenn sich die Händler einer Bank verspekulieren, so die Hoffnung, muss der Staat nicht eingreifen, weil die Spareinlagen abgeschirmt sind. Viele Fachleute bezweifeln, dass eine solche Aufspaltung etwas bringt.

Giegold: Die meisten Argumente gegen diese Idee sind durchsichtig. Das Trennbankensystem hat viele Jahre nach dem zweiten Weltkrieg zur Stabilität an den Finanzmärkten beigetragen. Außerdem: Die Tatsache, dass einige Banken noch immer zu groß sind, um sie fallen zu lassen, führt zu Verzerrungen am Markt. Großbanken etwa kommen viel günstiger an Finanzmittel, weil die Geldgeber sicher sein können, dass der Staat am Ende für Verluste haften wird.

ZEIT ONLINE: Ökonomen nennen dies das too-big-to-fail-Problem: Rund 29 Banken, schätzen die Regulierer, sind im Moment zu groß, um sie fallen zu lassen, weil sonst die Stabilität des Finanzsystems bedroht wäre.

Giegold: Es sind sicher mehr als 29 Banken faktisch too-big-to-fail. Unabhängig von der genauen Zahl bedeutet das doch, dass Gewinnerwartung und Haftung nicht mehr zusammengehören. Aus ordnungspolitischer Sicht ist das befremdlich und es widerläuft dem Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft. Noch befremdlicher aber ist, dass eine konservativ-liberale deutsche Regierung entgegen den ethischen Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft handelt. Bankenaufspaltung ist soziale Marktwirtschaft pur, auch wenn das alleine nicht reicht. Zum Beispiel sollten wir die Verflechtung der großen Finanzinstitute begrenzen – etwa durch eine strengere gesetzliche Obergrenze, die vorschreibt, wie hoch die Beteiligungen der Banken untereinander sein dürfen.

ZEIT ONLINE: Die Bankenlobby wird gegen die Pläne opponieren. Welche Chancen räumen Sie den Lobbyisten in Brüssel ein?

Giegold: Natürlich gibt es hier in Brüssel laufend Abende, bei denen Referenten vortragen, wie schädlich ein Trennbankensystem wäre. Die Mittel, die hier vorhanden sind, werden natürlich eingesetzt, um das alles zu verhindern. Als Grüner sage ich da gerne: Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen.

ZEIT ONLINE: Werden wir in fünf Jahren in Europa ein Trennbankensystem haben?

Giegold: Ich weiß es nicht. Aber Deutschlands Position wird sich verändern. Das kommende Jahr Bundestagswahlkampf wird im Zeichen der Bankenregulierung stehen. Mit Steinbrück ist die SPD unserer Grünen Position für stärkere Trennungen gefolgt. Die Proteste in Europa werden weitergehen. Das wird Spuren hinterlassen. Die Kanzlerin hat bislang noch jedem Druck nachgegeben und will sich wohl nicht dem Vorwurf aussetzen lassen, den Steuerzahlern immer neue Milliardenrechnungen zu präsentieren – letztlich zugunsten nur eines großen deutschen Kreditinstitutes.