Sven Giegold

Börsensteuer: Scholz’ Entwurf verdient den Namen Finanztransaktionssteuer nicht

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat auf Bitte von neun weiteren EU-Finanzministern einen finalen Gesetzentwurf zur Besteuerung von Finanztransaktionen vorgelegt, der uns vorliegt. Die Europäische Kommission hatte bereits im September 2011 eine Finanztransaktionssteuer für Aktien, Anleihen und Derivate in der gesamten Europäische Union vorgeschlagen. Weil der Kommissionsvorschlag aber keine Mehrheit fand, verhandelten zuletzt noch zehn EU-Mitgliedstaaten unter dem Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit über eine Finanztransaktionssteuer. Der Gesetzentwurf von Scholz sieht eine Steuer von 0,2 Prozent auf Aktien vor, allerdings nur von Unternehmen mit einem Firmenwert von mehr als einer Milliarde Euro. In Deutschland sind das laut Süddeutscher Zeitung 145 Unternehmen, in den zehn beteiligten Staaten – neben Deutschland sind das Belgien, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und die Slowakei – wären es insgesamt etwas mehr als 500 Unternehmen. Zugleich soll es Ausnahmen geben für Kapitalerhöhungen. Jedes Land darf zudem selbst entscheiden, ob Produkte zur privaten Altersvorsorge besteuert werden. Derivate und Anleihen sind nach den Plänen von Scholz – anders als im Kommissionsvorschlag – vollständig von der Steuer ausgenommen.

Zum Entwurf von Olaf Scholz für eine Finanztransaktionssteuer erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament und Mitgründer von Attac Deutschland:

“Was Scholz vorgelegt hat, verdient den Namen Finanztransaktionssteuer nicht. Der Entwurf ist ein Etikettenschwindel. Nur den Aktienhandel zu besteuern und Derivate zu verschonen, torpediert die Ursprungsidee der Steuer. Mit diesem Modell werden weder sekundenschnelle Spekulationsgeschäfte eingedämmt noch größere Einnahmen erzielt. Damit für spekulative Übertreibungen an den Finanzmärkten nicht weiter der Steuerzahler einspringen muss, müssen auch Derivate besteuert werden. Die Finanztransaktionssteuer braucht eine breitere Bemessungsgrundlage, um relevante Einnahmen zu erzielen. Das Modell von Scholz hat mit der Ursprungsidee kaum etwas zu tun. Die Einnahmen einer echten Börsensteuer wären zehnmal höher als das Steuerchen von Scholz. Eine echte Finanztransaktionssteuer würde Deutschland jährlich ungefähr 12 Milliarden einbringen. Auch den Zweck der Steuer hat Scholz entfremdet. Die Steuer war immer dazu gedacht, die Globalisierung ein Stück gerechter machen und Armut in der Welt zu bekämpfen. Jetzt wird sie vom Finanzminister zur Sanierung des Rentensystems genutzt. Nun zahlen Kleinanleger für Kleinrentner. Zwar ist die Grundrente ein richtiger Schritt, doch dafür brauchen wir keine unwirksame Börsensteuer.

20 Jahre haben Entwicklungsorganisationen, Gewerkschaften, Kirchen und die Zivilgesellschaft große Hoffnungen in die Steuer gesteckt. Zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler setzen sich für eine echte Börsensteuer ein. Dieses Gerechtigkeitsprojekt trägt Scholz nun zu Grabe. Für eine echte Finanztransaktionssteuer gibt es im Europaparlament seit langem eine Mehrheit, insbesondere durch den Einsatz der europäischen Sozialdemokraten und Grünen.”

Rubrik: Unkategorisiert, Wirtschaft & Währung

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