Sven Giegold

Cum-Ex strafbar: Nach erstem Urteil müssen weitere Täter und Banken hart bestraft werden

Am Mittwoch wurde am Bonner Landgericht das Urteil im ersten Cum-Ex-Prozess gesprochen. Roland Zickler, Vorsitzender Richter der Wirtschaftsstrafkammer, wertete die Geschäfte als illegal. Die beiden Angeklagten, zwei ehemalige britische Aktienhändler der HypoVereinsbank, veruteilte er wegen Mittäterschaft beziehungsweise Beihilfe zur Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall zu Haftstrafen auf Bewährung. Der schwerer Bestrafte muss Steuerschulden von rund 14 Millionen Euro zurückzahlen. Die in die Geschäfte verwickelte Hamburger Privatbank M.M. Warburg muss rund 176 Millionen Euro an das Finanzamt überweisen.

Die relativ milden Strafen begründete das Gericht mit der außergewöhnlichen Kooperationsbereitschaft der Angeklagten. Weil die beiden Insider zahlreiche Akteure sowie die Strukturen der Cum-Ex-Industrie offenlegten, profitierten sie von der Kronzeugenregelung. Es wird erwartet, dass der Prozess vor dem Bundesgerichtshof in Revision gehen wird.

In ihrem Plädoyer machte Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker deutlich, dass der erste Prozess nur der Auftakt von zahlreichen Strafverfahren sei, die noch folgen würden. Aktuell laufen in Deutschland Ermittlungsverfahren gegen mehr als 500 Aktienhändler, Manager, Investoren, Berater und Anwälte. 130 Banken stehen im Verdacht, an den Geschäften beteiligt gewesen zu sein. Am Bonner Verfahren waren neben der verurteilten M.M. Warburg-Gruppe auch vier Kapitanlagegesellschaften beteiligt. Weil die Corona-Pandemie das öffentliche Leben zunehmend zum Erliegen bringt, sah sich das Gericht gezwungen, den Prozess abzukürzen. Deshalb hatte die Bonner Strafkammer am Montag entschieden, von einer Anordnung gegen Warburg Invest, Hansainvest, BNY Mellon Service KAG und Société Générale, einstweilen abzusehen. Die Beweisaufnahme war für diese noch nicht weit genug vorangeschrittenen, um zügig ein Urteil sprechen zu können. Die Fondsgesellschaften müssen aber mit der Wiederaufnahme des Prozesses zu einem späteren Zeitpunkt rechnen.

Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:

“Das Urteil im ersten CumEx-Prozess fällt wegen der Kronzeugenregelung milde aus. Das milde Urteil taugt nicht als Vorbild für CumEx-Prozesse ohne Kronzeugen. Wenn es zu CumEx keine harten Bestrafungen gibt, wird das Vertrauen in den Rechtsstaat massiv beschädigt. Der Rechtsstaat darf nicht das Signal senden, dass dieser Steuerbetrug nicht hart bestraft wird. Es darf kein Sonderrecht für diejenigen geben, die es sich leisten können. Die Stärke des Rechts muss für alle Menschen, ob vermögend oder nicht, gleichermaßen gelten. 

Durch Cum-Ex ist dem deutschen Fiskus ein Schaden in zweistelliger Milliardenhöhe entstanden. Finanzämter und Gerichte müssen die Möglichkeiten zur Rückforderung und Einziehungsbeteiligung umfassend ausschöpfen. Die Kapitalanlagegesellschaften, die wegen der Corona-Pandemie im Bonner Verfahren nicht verurteilt wurden, müssen baldmöglichst in einem neuen Prozess zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist ein Fehler, dass die Bundesregierung die Pflicht zur Mitteilung von Steuergestaltungen nur für grenzüberschreitende Fälle vorsieht. Ursprünglich wollte Olaf Scholz die europäische Regelung auch auf rein inländische Konstellationen ausdehnen. Die bleiben dem Fiskus aber auch nach dem Sommer verborgen.” 

Ge­setz zur Mit­tei­lung grenz­über­schrei­ten­der Steu­er­ge­stal­tun­gen:
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_IV/19_Legislaturperiode/Gesetze_Verordnungen/2019-12-30-G-Mitteilung-grenzueberschreitende-Steuergestaltungen/0-Gesetz.html