Sven Giegold

Durchbruch in Brüssel für die Erneuerbaren Energien in der EU

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

heute in den frühen Morgenstunden wurde nach einer Nachtsitzung im Trilogverfahren zwischen Europäischer Kommission, Europaparlament und Rat der Durchbruch bei der EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED III) erreicht. Vorausgegangen waren fast zwei Jahre intensive Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen. Die Trilogeinigung ist eine informelle Einigung, die jetzt noch von EP und Rat formell angenommen werden muss.

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Die Beschlüsse zur EU-Richtlinie für erneuerbare Energien sind ein Durchbruch für Europa. Das Tempo des Ausbaus der Erneuerbaren wird europaweit verdoppelt. Die Ziele des Koalitionsvertrags für die Erneuerbaren werden damit rechtsverbindlich – und zwar nicht nur für Deutschland sondern für alle Mitgliedsstaaten. Wir machen Tempo bei der Energiewende und um schneller unabhängig von russischem Gas zu werden. Erst 2018 wurde die Erneuerbaren-Energien-Richtlinie während der Großen Koalition in Deutschland reformiert. Das Hauptziel für den Erneuerbaren-Ausbau wurde auf 32,5% am gesamten Energieverbrauch europaweit in 2030 angehoben. Heute haben wir lediglich rund 20% erreicht. Ursprünglich hatte die EU-Kommission nach den Klimaprotesten und der Europawahl 2019 im Rahmen des Green Deals 40% vorgeschlagen. Nach dem Angriff auf die Ukraine erhöhte die EU-Kommission ihren Vorschlag auf 45%.

Was nun herausgekommen ist:

  • Die EU hebt ihr bisheriges Erneuerbaren-Ziel von 32,5% auf 45% an. 42,5% Prozent werden wie bisher durch Mitgliedstaaten erbracht; 2,5% werden durch weitergehende freiwillige Beiträge der Mitgliedstaaten oder EU-Maßnahmen. Daneben sind viele verbindliche Sektorziele vereinbart worden, damit neben dem Stromsektor auch in den anderen Sektoren der Umstieg auf Erneuerbare Fahrt aufnimmt.
  • Beim Erneuerbare-Wärme-Ziel: Das bisher unverbindliche Ziel für den Wärmebereich wird verbindlich und auf 1,1 Prozentpunkte Steigerung pro Jahr festgelegt. Hinzu kommt ein neues, indikatives Gebäudeziel von 49% Erneuerbare Energien am Wärmebedarf in Gebäuden.
  • Im Verkehrssektor erhöht sich das bereits verbindliche Ziel von 14% auf 29%.
  • In der Industrie muss verbindlich bis 2030 42% des eingesetzten Wasserstoffes aus Erneuerbaren Energien kommen, und dann 60% in 2035. Der Anteil von EE am Energieverbrauch der Industrie insgesamt soll jedes Jahr um 1,6% steigen.
  • Wir beschleunigen die Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien und Netze. Die Regelung aus der Notfallverordnung, die wir letztes Jahr im Zuge der Krise vereinbart haben, werden zukunftsfest gemacht und dauerhaft fortgeschrieben. Auch in der EU sind jetzt Erneuerbare und Netzausbau von überragendem öffentlichen Interesse. Damit kann z.B., wenn es schon bei der Ausweisung der Flächen eine Umwelt- und Artenschutzprüfung stattgefunden hat auf deine weitere Prüfung für die einzelne Anlage verzichtet werden, aber nur, wenn angemessene Vermeidungs- oder Ausgleichsmaßnamen getroffen wurden, das Naturschutzniveau also hoch bleibt. Dies war im ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission so nicht vorgesehen, sondern kommt nun auf deutsche Initiative hin in verstärkter Form.
  • Neuer Schwung für grenzüberschreitende Projekte: jeder Mitgliedstaat muss mindestens 1 grenzüberschreitendes Projekt für die Erneuerbaren angehen. Damit wird die gemeinsame Zusammenarbeit gestärkt, bspw. bei gemeinsamen Offshore-Projekten.

Das alles ist eine gute Nachricht für Investitionen in die Erneuerbaren. Die RED III wird einen Boom von zukunftsfähigen Investitionen überall auslösen. 

Das bedeutet dauerhaft Unabhängigkeit von fragwürdigen Lieferanten von fossilem Öl, Gas, Kohle und Uran. Die Kosten für die Erneuerbaren sinken seit Jahren kontinuierlich. Der Erfolg der Erneuerbaren am Markt wird durch die RED III gesichert. Das verschafft unserer Industrie Wettbewerbsvorteile in Zukunftssektoren.

Besonderer Knackpunkt bei den Verhandlungen war bis tief in die Nacht die Frage, ob mit Atomenergie erzeugter Wasserstoff auf die EE-Ziele angerechnet werden darf, worauf besonders Frankreich gedrängt hatte. Das ist der Kompromiss: Es findet keine Anrechnung auf die EE-Ziele statt. Auch eine Berücksichtigung auf das Hauptziel findet nicht statt. Allerdings erhalten Mitgliedsländer, die ihr Hauptziel erreichen und mit Blick auf die in der Industrie genutzten Brennstoffe weitgehend dekarbonisiert sind, einen Abschlag auf das EE-Wasserstoff-Unterziel in der Industrie und damit etwas mehr Flexibilität. Konkret: Wer a) sein Hauptziel erreicht und b) seinen Anteil fossiler Brennstoffe in der Industrie auf 23% in 2030 gesenkt hat, kann einen Abschlag von 20% auf das EE-H2-Unterziel in der Industrie erhalten (also statt 42% ->  33,6%). Für das 2035-Ziel bekommt man diesen 20% Abschlag nur dann, wenn der Anteil der fossilen Brennstoffe auf 20% gesunken ist (und das EE-Hauptziel erreicht wird). Damit müssen weiterhin alle Mitgliedsländer die Erneuerbaren massiv ausbauen, auch wenn sie künftig auch Atomenergie nutzen wollen. Einen schlanken Fuss kann sich kein Land machen – die anspruchsvollen Hauptziele gelten verbindlich für alle. Gleichzeitig gibt es klimapolitische Fortschritte nur in europäischer Zusammenarbeit. Ein Kompromiss mit Frankreich und anderen Pro-Atom-Staaten war daher notwendig.

Ein Wermutstropfen ist auch die Einigung bei der Nutzung von Holz zur Energiegewinnung, das weiterhin als Erneuerbare Energie gilt. Zwar gibt es dank des Europaparlaments neue Maßnahmen zum Schutz von alten und artenreichen Wäldern. Hier haben sich vor allem die Mitgliedsländer mit einer starken Holzindustrie gegen das Europaparlament durchgesetzt. Als Bundesregierung waren wir im Rat der Mitgliedsländer ebenso für striktere Regeln für die Nutzung der Biomasse, fanden dafür jedoch keine Mehrheit.

Insgesamt ist diese Einigung ein echter Durchbruch für die Erneuerbaren in der EU und zeigt, wie viel sich trotz aller Widerstände in die richtige Richtung bewegen lässt. Die Bundesregierung war hier geeint erfolgreich. Von einem Anteil der Erneuerbaren in 2022 von 20,4% am Endenergieverbrauch, müssen wir in 2030 nun über 40% erreichen.

Klar ist auch: Das reicht immer noch nicht für die Erreichung der Pariser Klimaziele. Gleichzeitig war die EU noch nie so ambitioniert. Wir arbeiten im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz weiter für mehr Ambitionen und Mehrheiten dafür unter den EU-Mitgliedsländern. Dazu beigetragen haben unsere Beamt*innen in Brüssel und Berlin, die auch hier für den Green Deal mit ungezählten Überstunden und hoher Professionalität verhandelt haben.

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Mit optimistischen Grüßen,

Ihr und Euer Sven Giegold

Rubrik: BMWK

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