Der Europäische Rechnungshof hat gestern, am 14. Januar 2021, einen Sonderbericht zur europäischen Bankenabwicklung vorgelegt. Bereits im Jahr 2017 hatte der Rechnungshof in einem Bericht etliche Mängel festgestellt und eine schleppende Implementierung durch die europäische Abwicklungsbehörde SRB (Single Resolution Board) kritisiert. Das Augenmerk des aktuellen Berichts lag auf einer Nachschau zu den Feststellungen von 2017 sowie der Umsetzung für die nicht systemrelevanten Banken, welche von den nationalen Aufsichtsbehörden überwacht werden.
Nachdem in der Finanzkrise etliche Banken mit Steuermilliarden gerettet werden mussten, wurden weltweit Abwicklungsregime eingerichtet. Seither müssen Banken in Abwicklungsplänen, den sogenannten “Bankentestamenten”, darlegen, wie sie im Notfall ohne den Einsatz öffentlicher Gelder abgewickelt werden können. Die entsprechenden Regelungen wurden in der EU 2014 mit der Abwicklungsrichtlinie (BRRD) umgesetzt. Seit seiner Gründung im Jahr 2015 ist der SRB als Aufsichtsbehörde für die Abwicklungsplanung der großen Banken der Eurozone zuständig. Zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört es insbesondere, die „Bankentestamente“ auf wesentliche Hindernisse abzuklopfen, die einer Abwicklung im Wege stehen könnten. Finden sich keine solchen Hindernisse, darf die Bank als abwicklungsfähig gelten. Andernfalls kann die Behörde die Beseitigung der Hemmnisse aufsichtlich erzwingen.
Der aktuelle Bericht kritisiert, dass die Umsetzung des europäischen Abwicklungsregimes durch den SRB noch immer unvollständig ist. Insbesondere wird bemängelt, dass weiterhin sämtliche Bankentestamente teils große Lücken aufweisen. Diese würden aktuell im Schnitt nur 60% der gesetzlichen Anforderungen erfüllen, wobei eine nicht unerhebliche Bandbreite zu verzeichnen ist. Auch insgesamt gibt es eine große Heterogenität bei der aufsichtlichen Behandlung verschiedener Banken, weil entweder harmonisierende Vorgaben des SRB noch ausstehen oder diese nicht verbindlich umgesetzt werden müssen. Besonders kritisiert der Bericht, dass der SRB weiterhin nicht in der Lage ist, die Abwicklungsfähigkeit von Banken abschließend zu beurteilen. Derzeit werden nur potentielle wesentliche Hindernisse identifiziert. Somit kann die Behörde insbesondere keine Änderungen mit aufsichtlichen Mitteln erzwingen und ist auf ein konsensuales Zusammenwirken mit den Banken angewiesen.
Zentrales Prinzip bei der Bankenabwicklung ist die konsequente Gläubigerbeteiligung (Bail-in) im Krisenfall. Bei großen, systemrelevanten Banken sprang in der Vergangenheit stets der Staat mit Steuergeld ein, wenn diese in Schieflage gerieten. Bankinvestoren konnten sich relativ sicher sein, bei diesen sogenannten Bail-outs kein Geld zu verlieren. Die faktische Staatsgarantie sorgte dafür, dass sich große Banken trotz ihres risikoreichen Geschäfts sehr günstig an den Kapitalmärkten refinanzieren konnten. Mit dem Abwicklungsrahmenwerk sollte diese implizite Subventionierung eigentlich beendet werden. Doch anhaltend niedrige Refinanzierungszinsen zeigen, dass die Abwicklung von Großbanken ohne öffentliche Gelder noch immer nicht glaubwürdig ist.
Der Bericht liefert spannende Einblicke in die weitestgehend intransparente Arbeit des SRB. Da insbesondere die Abwicklungspläne nicht öffentlich sind, ist es für interessierte Dritte nur schwer einzuschätzen, wie es um die Abwicklungsfähigkeit der europäischen Banken bestellt ist. Hier hatte ich in der Vergangenheit wiederholt auf mehr Transparenz gepocht (Link).
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:
“Europa ist auf eine mögliche Corona-Bankenkrise schlecht vorbereitet. Für die Abwicklung von Banken fehlt es weiterhin an soliden Plänen. In den Bankentestamenten klaffen noch immer große Lücken. Banken und Aufseher haben in fünf Jahren zu wenig Fortschritt erzielt. Niemand hat behauptet, dass die Aufgabe leicht sei. Das rechtfertigt jedoch nicht die Umsetzung im Schneckentempo. Die jahrelange Ambitionslosigkeit bei Banken und Aufsehern könnte sich nun rächen. Es ist völlig unklar, ob die halbfertigen Bankentestamente fit für eine Krise sind. Nach der Finanzkrise wurde den Steuerzahlern versprochen, dass sie nicht noch einmal zur Kasse gebeten werden. Dieses Versprechen steht auf tönernen Füßen und wurde schon in mehreren Fällen gebrochen. Die Abwicklung von Großbanken im Krisenfall muss zügig glaubwürdig werden, damit die milliardenschwere Subventionierung der Großbanken durch gebührenfreie Garantien der Steuerzahler aufhört.
Der SRB darf jetzt keine Zeit mehr verlieren. Bei den Bankentestamenten darf nicht länger getrödelt werden. Es wäre fatal, wenn die Coronakrise als Entschuldigung für weitere Verzögerungen herhalten müsste. Dass die Behörde wichtige Aufsichtsbefugnisse nicht operationalisiert hat, untergräbt ihre Glaubwürdigkeit. Vor allem bei den wesentlichen Hindernissen darf sie nicht länger im Nebel stochern. Dieser aufsichtliche Prozess muss endlich umgesetzt werden.”
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Sonderbericht 01/2021 des Europäischen Rechnungshofs zur Abwicklungsplanung im Rahmen des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus:
https://www.eca.europa.eu/de/Pages/DocItem.aspx?did=57531
Sonderbericht 23/2017 des Europäischen Rechnungshofs zum Einheitlichen Abwicklungsausschuss:
https://www.eca.europa.eu/de/Pages/DocItem.aspx?did=44424
Meine Forderung nach mehr Transparenz beim SRB nach der letzten Anhörung der Vorsitzenden Elke König vor der ECON-Ausschuss:
https://sven-giegold.de/srb-transparenz-erfolg/
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P.S. Webinar “Contain Covid-19 – Der europäische Weg aus den Lockdowns” mit Top-Coronaexpertin Dr. Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Mit den Jutta Paulus (MdEP & Pharmazeutin) und Janosch Dahmen (MdB & Notfallarzt). So, 17.1., 17-19 Uhr. Kommt dazu und diskutiert mit! Gleich hier anmelden.