Sven Giegold

Etappenerfolg für mehr Transparenz in der europäischen Bankenabwicklung

Liebe Freunde, liebe Interessierte,

während der letzten Anhörung der SRB-Vorsitzenden Elke König im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europaparlaments (ECON) habe ich einen kleinen, aber interessanten Etappenerfolg für mehr Transparenz in der europäischen Bankenabwicklung erreicht. Die Arbeit der europäischen Abwicklungsbehörde namens Single Resolution Board (SRB) ist notorisch intransparent. Die oft als “Bankentestamente” titulierten Abwicklungspläne der großen europäischen Institute und die darauf basierenden maßgeschneiderten Aufsichtsanforderungen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Bei der Anhörung von Elke König am 27. Oktober 2020 forderte ich die Veröffentlichung von aggregierten Zeitreihendaten über die Höhe der bail-in-fähigen Verbindlichkeiten europäischer Banken. Frau König verpflichtete sich freundlicherweise, diese Daten in Zukunft zu veröffentlichen. Dies wird es Interessierten und einer breiteren Öffentlichkeit ermöglichen, die Fortschritte der europäischen Banken auf dem Weg hin zu einer glaubwürdigen Abwicklungsfähigkeit besser zu beurteilen. Bei der Transparenz gibt es trotzdem noch viel Luft nach oben.

Auf meine Initiative hin wird das SRB in Zukunft aggregierte Zeitreihendaten zu den so genannten Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) veröffentlichen. Diese werden vom SRB individuell für jede europäische Großbank festgelegt und geben ein Mindestniveau an Verbindlichkeiten vor, die im Krisenfall zur Haftung gezogen werden können (sogenannter bail-in). Ein ausreichend hohes MREL-Niveau soll sicherstellen, dass die Abwicklung der Banken im Notfall dank Gläubigerbeteiligung ohne Steuergelder ablaufen kann. Das SRB fordert deshalb von der Banken eine sukzessive Aufstockung ihrer MREL-Bestände, die im Jahr 2024 abgeschlossen sein soll. Bislang gibt es jedoch keine öffentlich verfügbaren systematischen Daten über die Entwicklung der geforderderten und tatsächlichen MREL-Niveaus. Ein Video mit meiner Frage und der Zusage von Elke König finden Sie hier. Ich bin überzeugt, dass Transparenz die entscheidende Voraussetzung für das Vertrauen in Institutionen ist. Alle europäischen Behörden sollten deshalb so transparent wie nur möglich ihrer Arbeit nachgehen. Mein Erfolg ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Während der Anhörung konnte ich auch ein wenig Licht ins Dunkel bringen, was die SRB-Aufsichtspraxis in der aktuellen Krise angeht. Im Gegensatz etwa zur europäischen Bankenaufsicht durch die EZB, die ihre Krisenmaßnahmen dezidiert veröffentlichte, gab es vonseiten des SRB hierzu eher vage Andeutungen. So wurde seit Beginn der Krise vom SRB insbesondere wiederholt erklärt, dass es die Flexibilität des Abwicklungsrahmenwerks nutzt und einen „vorausschauenden Ansatz“ verfolgt, wenn Banken kurzfristig Schwierigkeiten haben, ihre MREL-Ziele zu erreichen. Ich habe Frau König gefragt, wie genau dieser Ansatz aussieht. Überraschenderweise antwortete sie, dass das SRB beschlossen hat, die bestehenden Ziele nicht zu bewerten und sich stattdessen auf die Festlegung der ab 2021 geltenden neuen Ziele zu konzentrieren. Mit anderen Worten: Anscheinend ignoriert Europas Abwicklungsbehörde es derzeit einfach, wenn Banken ihre rechtsverbindlichen MREL-Ziele nicht erreichen. Ein derart nachsichtiger Ansatz droht die Glaubwürdigkeit der Finanzaufsicht ernsthaft zu untergraben. Zudem ist es hochproblematisch, dass diese Praxis bisher nicht transparent gemacht wurde. Schließlich ist Transparenz der Schlüssel für eine wirksame Kontrolle der europäischen Behörden durch das Europaparlament.

Es ist fraglich, ob das SRB in der Lage gewesen wäre, seine eigenen Anforderungen durchzusetzen. Dies wurde deutlich, als ich Frau König nach den Fortschritten des SRB bei der Identifizierung sogenannter wesentlicher Hindernisse fragte. Gemäß der Verordnung über den einheitlichen Abwicklungsmechanismus hat das SRB die Abwicklungspläne der Banken zu beurteilen und festzustellen, ob es substantielle Hindernisse für die Abwicklungsfähigkeit der Institute gibt. Wenn solche Hindernisse festgestellt werden und die Bank sie in der Folge nicht zur Zufriedenheit der Aufsichtsbehörden abstellt, kann das SRB weitreichende Maßnahmen zur Wiederherstellung der Abwicklungsfähigkeit ergreifen. Dieses Verfahren bei wesentlichen Hindernissen ist der einzige Mechanismus, der dem SRB zur Verfügung steht, um die gesetzlichen Anforderungen verbindlich durchzusetzen. Trotzdem bestätigte Frau König, dass das SRB bis heute keine einzige Prüfung auf wesentliche Hindernisse vollumfänglich abgeschlossen hat. Damit hat das SRB mehr als fünf Jahre nach Einführung des einheitlichen Abwicklungsmechanismus seine Aufsichtskompetenzen noch immer nicht voll operationalisiert und belässt es dabei, den beaufsichtigten Banken Erwartungen zu kommunizieren. Die schleppenden Fortschritte in dieser Frage hatte der Europäische Rechnungshof bereits in einem Bericht aus dem Jahr 2017 kritisiert. Da das bestätigte Nichtvorliegen wesentlicher Hindernisse rechtliche Voraussetzung für die Abwicklungsfähigkeit ist, bedeutet dies gleichzeitig, dass das SRB auch im sechsten Jahr seines Bestehens noch immer nicht eine einzige europäische Bank für abwicklungsfähig erklärt hat. Mehr als zehn Jahre nach der Finanzkrise ist der einheitliche Abwicklungsmechanismus damit immer noch nicht voll funktionsfähig, und viele der Risiken für die Finanzstabilität bestehen weiterhin. Das SRB muss sein Mandat erfüllen und ohne weitere Verzögerung die Ausübung seiner vollen Kompetenzen anstreben.

Mehr Transparenz in der europäischen Bankenabwicklung ist dringend erforderlich. Solange das SRB nicht in der Lage ist, eine vollständige Bewertung der wesentlichen Hindernisse und der Abwicklungsfähigkeit vorzunehmen, sollte es detailliertere statistische Informationen über die erzielten Fortschritte veröffentlichen. Die Öffentlichkeit muss die Möglichkeit erhalten, zu beurteilen, wie weit die europäischen Banken auf ihrem Weg zur Abwicklungsfähigkeit vorangekommen sind. Ich werde in einem kommenden Brief an das SRB Vorschläge für weitere Offenlegungen machen.

Mit grünen europäischen Grüßen
Sven Giegold

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Video der Anhörung von Elke König im ECON-Ausschuss am 27. Oktober 2020 (meine Frage bei 17:26):
https://multimedia.europarl.europa.eu/en/committee-on-economic-and-monetary-affairs_20201027-1645-COMMITTEE-ECON-1_vd

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Rubrik: Europaparlament, Wirtschaft & Währung

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