Sven Giegold

Ehtische KonsumentInnen unterstützen sozialen Wandel! Kritische Rezension des Buches „Ende der Märchenstunde“ von Kathrin Hartmann

Eine echte Philippika gegen die Lifestyle-Ökos, genannt „Lohas“, hat die Journalistin Kathrin Hartmann geschrieben. Zornig rechnet sie In ihrem „Ende der Märchenstunde“ mit der Vorstellung ab, dass ethischer Konsum die Welt retten könne. Auf 350 Seiten dekonstruiert sie gnadenlos die Widersprüche der scheinbar heilen Welt des politisch korrekten Kaufens. Bionade, Utopia.de, Body-Shop, Schweisfurths Herrmannsdorfer Landwerkstätten, fairtrade, Waschnüsse und Mikrokredite – nichts bleibt vor ihrer ätzenden Kritik verschont. Überall findet sie mehr oder weniger große wunde Punkte in der oft scheinheilen Lohas-Produkte. Ihre im Blessing-Verlag der Bertelsmann-Gruppe verlegte Kernthese lautet: Eine bessere Welt kann man nicht kaufen, sondern nur politisch erkämpfen. Sie fordert entgegen dem Zeitgeist politisches Engagement in Gewerkschaften, Parteien, NGOs und Bewegungen. Denn nur so können Menschenrechte und Schutz der Natur verallgemeinert werden. Ein schicker Öko-Lifestyle, der zudem noch ein ordentliches Einkommen voraussetzt, kann das niemals erreichen.
So sehr ihrer Kernthese zuzustimmen ist, so sehr schießt die Autorin in zweifacher Hinsicht über das Ziel hinaus. Zum einen ist das Buch in einem anstrengenden aggressiven Ton geschrieben. Aus jeder Seite brüllt es heraus: Ich weiß, was richtig ist und was falsch. Ich kenne den Weg zur besseren Welt. Unter Menschen, die sich für Gerechtigkeit engagieren, ist diese Tonalität glücklicherweise seltener geworden. Den einen, sicheren Weg zu einer gerechten Welt weisen zu können und die Wege anderer Engagierter zu verdammen, beanspruchen glücklicherweise immer weniger. Zu viele politische Heilslehren sind schon wirkungslos geblieben. Von einer Haltung des gemeinsamen Fragens und Suchens statt Verurteilens könnte die Autorin einiges Lernen. Zum anderen geht Hartmann bei ihren politischen Analysen immer wieder einen entscheidenden Schritt zu weit. Ihr reicht es nicht festzustellen, dass politisch korrektes Konsumieren uns nicht in die gerechte Welt führen kann. Vielmehr betont sie immer wieder, dass die ganze Lohas-Öko-Lifestyle-Bewegung sogar beim politischen Wandel schadet. Dabei blendet sie systematisch aus, dass der Aufstieg von Bio-Lebensmitteln, Solardächern, Naturtourismus, Ethischer Geldanlage, Fair-Trade-Produkten, Biologischem Bauen, usw. auch politisch positive Auswirkungen hat. Die notwendige sozial-ökologische Veränderung unseres Produktions- und Konsummodells reicht so tief, dass sie ohne anfassbare und bekannte Beispiele politisch keine Chance hat. Öko-Lifestyle hat Produktinnovationen hervorgebracht und verbreitet, für deren Verallgemeinerung man nun politisch erfolgreich streiten kann. Zudem organisieren sich die sozial-ökologischen Anbieter in eigenen Lobbyverbänden, die das Unternehmerlager wie Gewerkschafter zunehmend spalten in ein strukturkonservatives und ein progressives. Nur so kann etwa eine politische Erfolgsgeschichte wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz selbst in einer schwarz-gelben Regierung weitergehen. Allgemeiner gesagt: Unterdrückung und Zerstörung wurzeln heute, anders als zu Zeiten des Feudalismus, gerade auch im Alltagsverhalten der Mehrheit in den Industrieländern. Daher können die notwendigen Veränderungen nicht nur politisch erkämpft, sondern müssen auch im Alltag gelebt werden.
Kathrin Hartmann ist also zuzustimmen: „Es gibt kein richtiges Einkaufen im falschen Wirtschaftssystem“. Aber kritischer, sozial-ökologischer Konsum kann politischem Engagement bei der Durchsetzung einer besseren Welt helfen. Klein- und schlechtreden sollte man ihn daher im Gegensatz zur Autorin nicht.

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