In ihren Länderberichten für das Europäische Semester hat die EU-Kommission heute erstmals sieben Mitgliedstaaten wegen aggressiver Steuergestaltung unter Beobachtung genommen. Die Länder sind Belgien, Zypern, Ungarn, Irland, Luxemburg, Malta und die Niederlande. Im April wird die Kommission entscheiden, ob sie gegenüber den betroffenen Mitgliedstaaten länderspezifische Empfehlungen gegen Steuerdumping ausspricht. Passend zu den Länderberichten hat die Kommission heute außerdem eine Studie veröffentlicht, wie anfällig die Steuergesetze in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten für aggressive Steuergestaltung sind. Im Fokus der Studie stehen Steuervermeidung durch künstliche Zins- und Lizenzzahlungen sowie konzerninterne Verrechnungspreise.
Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:
“Endlich nennt die EU-Kommission aggressive Steuerpraktiken einzelner Mitgliedsländer beim Namen. Steueroasen sitzen nicht nur in entfernten tropischen Ländern wie Panama und den Bermudas. Wir fordern schon seit langem, dass auch europäische Mitgliedstaaten auf die schwarze Liste der Steueroasen gehören. Maßnahmen gegen Steuervermeidung und Steuerbetrug sind nur glaubhaft, wenn die EU auch vor ihrer eigenen Haustür kehrt. Indem die Kommission die schlimmsten Steuervermeider öffentlich anprangert, korrigiert sie den Fehler des Rats, EU-Mitgliedstaaten von vornherein von der schwarzen Liste der Steueroasen auszunehmen.
In ihren Empfehlungen an die betroffenen Länder muss die Kommission nun harte Maßnahmen gegen Steuerdumping fordern. Die Mitgliedstaaten müssen ihre aggressive Steuervermeidung umgehend einstellen. Jede Regierung, die ihre schützende Hand über Steuervermeidung zum Schaden der Nachbarländer hält, verletzt in höchstem Maße ihre gesellschaftliche und europäische Verantwortung. Durch den neuen Sonderausschuss im Europäischen Parlament zu den ParadisePapers werden wir den Druck auf die Regierungen bei Steuerdumping und Geldwäsche aufrechterhalten.
Damit nationale Steuergesetze nicht länger zum Missbrauch einladen, brauchen wir eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage. Gemeinsame Regeln würden dafür sorgen, dass Unternehmen ihre Steuern dort bezahlen, wo sie ihre Geschäfte machen. Ein Mindeststeuersatz auf Unternehmensgewinne würde zudem den schädlichen Unterbietungswettbewerb in der EU beenden. Die europäischen Regierungen müssen schließlich einer öffentlichen länderbezogenen Finanzberichterstattung großer Firmen zustimmen. Mit ihrer Blockade im Rat gegen mehr Steuertransparenz hat die bisherige Bundesregierung zugelassen, dass Konzerne Milliarden am deutschen Fiskus vorbeischleusen. Der designierte Finanzminister Olaf Scholz muss eine Kehrtwende bei der Steuertransparenz einläuten.”
Hintergrund
Die aktuelle Studie der EU-Kommission finden Sie hier:
https://www.politico.eu/wp-content/uploads/2018/03/Study-on-ATP-indicators.pdf
Die Länderberichte des Europäischen Semesters einschließlich einer Bewertung aggressiver steuerlicher Maßnahmen:
https://ec.europa.eu/info/publications/2018-european-semester-country-reports_en
Das Europäische Parlament stimmt über seinen Standpunkt für die Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB) nächste Woche ab. Die Fraktion der Grünen/EFA hat einen Änderungsantrag eingereicht, in dem die Kommission aufgefordert wird, einen Gesetzesvorschlag zum Mindeststeuersatz vorzulegen.
Eine neue Studie der Kommission zeigt, wie unterschiedliche Steuervorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten genutzt werden können, um die Steuervermeidung zu erleichtern. In mehreren europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, Deutschland, Ungarn, Luxemburg und Italien) haben alle großen Unternehmen mindestens eine Tochtergesellschaft in einem Land mit einer niedrigeren Steuerbelastung, was darauf hindeutet, dass diese Mitgliedstaaten potenziell stärker einer aggressiven Steuerplanung ausgesetzt sind (Unternehmen strukturieren sich selbst, um ein Regelwerk gegen ein anderes zu spielen). Darüber hinaus zeigt die Studie, wie unterschiedliche Unternehmenssteuersätze in Europa auch eine aggressive Steuerplanung ermöglichen können.