Sven Giegold

EU erwägt grüne Anleihe zur Finanzierung des Wiederaufbauplans: Fehler der grünen Bundesanleihe nicht wiederholen

Liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Interessierte,

die EU-Kommission erwägt laut Financial Times, einen Teil der gemeinsamen Schulden für den europäischen Wiederaufbaufonds durch grüne Anleihen, sogenannte Green Bonds, zu finanzieren. Von den 750 Milliarden des Wiederaufbaufonds könnten 200 Milliarden, die für nachhaltige Investitionen verwendet werden sollen, über nachhaltige Anleihen begeben werden. Solche Anleihen werden von Investoren, die Mittel nach ökologischen oder sozialen Kriterien anlegen, besonders nachgefragt.

Vor Kurzem hat die deutsche Bundesregierung ihre erste grüne Anleihe auf den Markt gebracht. Durch Interventionen im Markt soll die Verzinsung der neuen grünen Anleihe immer auf dem gleichen Niveau gehalten werden wie die einer vergleichbaren gewöhnlichen Anleihe. Entfernen sich die Zinssätze der grünen und ihrer konventionellen Zwillingsanleihe voneinander, tauscht die Finanzagentur die Anleihen gegeneinander aus, bis der Kurs wieder identisch ist. Ziel dieser Struktur als Zwillingsanleihen ist, dass die Liquidität der grünen Anleihe identisch ist und Investoren sie genauso leicht wieder verkaufen können. Wäre das nicht der Fall, so würden Investoren eventuell eine sogenannte Liquiditätsprämie verlangen. Sie würden also für die Anleihe etwas weniger bezahlen wollen als für eine gewöhnliche.

Mit der Zwillingsstruktur wird in der Konsequenz verhindert, dass sich für grüne Anleihen eine eigenständige risikofreie Renditekurve als Referenzwert für andere grüne Wertpapiere entwickelt. Damit wirkt der Bund der Entwicklung eines eigenständigen Marktes für nachhaltige Anleihen entgegen. Ein eigenständiger Markt für grüne Anleihen könnte verschiedene Risiken und Chancen von grünen Anleihen abbilden: Einerseits sind Anleger*innen vielleicht bereit, eine niedrigere Rendite zu akzeptieren, weil grüne Anleihen geringere Umweltrisiken haben. Andererseits verlangen sie vielleicht für die geringere Liquidität grüner Anleihen einen Renditeaufschlag. Wie sich solche Faktoren in der Summe auswirken, ist ohne eine solche Zinskurve ungewiss.

Die bisherige Referenz für grüne Anleihen ist die Europäische Investitionsbank als größte Emittentin. Die EIB hat zwar eine sehr gute Bonität, aber nicht ganz so gut wie die Deutschlands. Zudem ist der deutsche Bund hochliquide. Deshalb ist die Deutsche Bundesanleihe mit dem niedrigsten Zins die Referenz. Mit einer eigenständigen grünen Anleihe hätte Deutschland also neben dem traditionellen Referenzwert der Bundesanleihe als Anleihe mit dem niedrigsten Zinssatz eine Zinsreferenz für grüne Anleihen insgesamt schaffen können.

Außerdem soll die grüne Bundesanleihe nur bereits bestehende Investitionen refinanzieren. Wenn eine traditionelle Anleihe zur Finanzierung eines nachhaltigen Projekts fällig ist, wird sie durch eine grüne Anleihe abgelöst. Das schließt aus, dass durch solche Anleihen zusätzliche nachhaltige Projekte finanziert würden, die ohne sie nicht zustande gekommen wären. Einen Schub für die nachhaltige Transformation bringt eine solche Anleihe nicht.

Die gravierenden Fehler der grünen Bundesanleihe darf die EU-Kommission nicht wiederholen. Der EU Green Bond zur Finanzierung des europäischen Wiederaufbaufonds kann nun das ermöglichen, was die Bundesanleihe versäumt: eine Zinskurve für grüne Anleihen als Vergleichswert für europäische Finanzmärkte entstehen lassen. Der große Umfang der geplanten Schuldenaufnahme über nachhaltige Anleihen würde dies ermöglichen. Damit es nicht zu konkurrierenden Standards kommt, sollte sich die EU-Kommission am geplanten EU Green Bond Standard orientieren. Es liegt jetzt an der EU-Kommission, grüne Finanzmärkte in Europa entschieden voranzubringen.

 

Mit grünen europäischen Grüßen,

Sven Giegold

 

Link zum Bericht der Financial Times über die geplanten grünen EU-Anleihen (Paywall): https://www.ft.com/content/7a893f6d-08c9-426c-8f19-aa19d434b018

Link zu einer Analyse der grünen Bundesanleihe von Dr. Moritz Kraemer auf dem Blog von Finanzwende: https://www.finanzwende.de/blog/die-nicht-so-gruene-bundesanleihe/?L=0

 

P.S.: Einladung zum Grundsatz-Webinar: „Kurskorrektur oder Systemfrage? – Welche Wirtschaftsordnung braucht die grüne Transformation?“ am 7.10. um 20:30 Uhr. U.a. mit Maja Göpel (*), Michael Hüther, Ulrike Herrmann & Sebastian Dullien. Ein Webinar von Sven Giegold und Rasmus Andresen. (* angefragt). Gleich hier anmelden!

Rubrik: Klima & Umwelt, Wirtschaft & Währung

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