Sven Giegold

EU-Kommission/Unternehmensbesteuerung: Mutige Vorschläge, Mutlosigkeit bei der Durchsetzung

Heute, 18. Mai, stellt die Kommission ihre Pläne für eine Modernisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa vor. Das erklärte Ziel: es brauche steuerliche Regeln für das 21. Jahrhundert, die besonders der Digitalisierung und der Globalisierung der Wirtschaft Rechnung tragen. Ebenso müsse die Lenkungswirkung von Steuern zur Eindämmung des Klimawandels und der Schonung der natürlichen Ressourcen genutzt werden. Die Kommission sagt zu, Steuervermeidung mit einer Serie von Gesetzesvorschlägen anzugehen und erkennt die Notwendigkeit einer fairen und effektiven Besteuerung von Kapitaleinkommen, sowohl von Einzelpersonen als auch von Unternehmen, an. So will der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in 2022 unter anderem einen Gesetzesvorschlag für die Veröffentlichung der effektiven Steuersätze von Großunternehmen vorlegen. Mit der Einführung der öffentlichen länderbezogenen Steuerberichterstattung hätte die Öffentlichkeit damit gleich zwei wichtige Datengrundlagen über den Beitrag, den Großunternehmen zur Allgemeinheit leisten. Außerdem will die Kommission bereits Ende diesen Jahres einen Vorschlag vorlegen, mit dem der Missbrauch von Briefkastenfirmen für steuerliche Zwecke unterbunden werden soll. 

Längerfristig soll ein einheitlicher Rechtsrahmen für die Besteuerung von Unternehmen in ganz Europa geschaffen werden. Hier legt die EU-Kommission einen neuen Plan für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage unter anderem Namen (BEFIT) vor, mit einer neuen Methode, nach der die Besteuerungsrechte zwischen den Mitgliedstaaten aufgeteilt werden sollen. Außerdem stellt die Kommission die Einführung einer Digital- und Mindeststeuer in Aussicht, eng verbunden mit den laufenden Verhandlungen zur Unternehmenssteuerreform in der OECD. Allerdings plant die Kommission auch eine sogenannte “Debt Equity Bias Reduction Allowance”. Damit soll die steuerliche Schlechterstellung von Eigenkapitalkosten gegenüber Zinsen als Fremdkapitalkosten ausgeglichen werden. Die Kommission argumentiert, dass damit steuerliche Fehlanreize zugunsten der Schuldenfinanzierung beseitigt würden. Dieser Vorschlag birgt aber das Risiko erheblicher Steuermindereinnahmen. 

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

“Die EU-Kommission hat einen ambitionierten Plan für faire und effektive Unternehmensbesteuerung in Europa vorgelegt. Die Vorschläge sind gut, aber es fehlt an einem Plan für die Durchsetzung. Pläne für mehr Steuergerechtigkeit sind nichts wert, wenn sie von einzelnen Steueroasen per Veto blockiert werden können. Es sind mutige Vorschläge, die an Mutlosigkeit bei der Durchsetzung leiden. Die EU-Kommission muss das Einstimmigkeitsprinzip bei Steuerfragen aufheben. Der Vorschlag für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage wird seit zehn Jahren von einzelnen Mitgliedstaaten blockiert. Seit Jahren schon blockieren Mitgliedsländer wichtige Steuerreformen bei der Umsatzsteuer und Unternehmensbesteuerung, ohne dass die EU-Kommission oder die geschädigten Staaten daraus wirksame Konsequenzen ziehen. 

Im Zuge der Coronakrise sind die öffentlichen Kassen leer. Wir können es uns nicht leisten, nötige Reformen weiter zu verzögern. Die Kommission muss jetzt entschlossen vorangehen und Artikel 116 des EU-Vertrags zur Anwendung bringen. Artikel 116 ist dafür vorgesehen, die Integrität des Binnenmarktes zu schützen. Die weitreichenden Steuererleichterungen für Amazon, Apple und Co. stellen eine massive Verzerrung des Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt dar. Als Hüterin der Verträge darf die EU-Kommission diesen Missstand nicht länger hinnehmen. 

Außerdem  braucht Europa eine ambitionierte Einigung bei der OECD. Von den Mitgliedstaaten gibt es weiter keine klare Bekenntnis zu Joe Bidens Vorschlag für einen effektiven Mindeststeuersatz von 21 Prozent. Deutschland und Frankreich müssen bei der Mindeststeuer entschlossen vorangehen. 

In Zeiten leerer Kassen ist es nicht vertretbar, Großunternehmen Steuergeschenke zu machen. Der Plan der Kommission, die Eigenkapitalfinanzierung von Unternehmen zu fördern ist ökonomisch sinnvoll. Wir können uns solche Pläne nur leisten, wenn wir gleichzeitig wirksame Maßnahmen gegen aggressive Steuervermeidung tatsächlich beschließen. Keinesfalls darf ein teures Steuergeschenk für Großunternehmen beschlossen werden, ohne gleichzeitig eine gemeinsame konsolidierte Steuerbemessungsgrundlage auf den Weg zu bringen.”  

Der Plan der Kommission ist hier einsehbar (auf Englisch): https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/communication_on_business_taxation_for_the_21st_century.pdf

Mein Gastbeitrag gegen Steuerdumping und für ein starkes transatlantisches Bündnis für progressive Unternehmensbesteuerung: https://sven-giegold.de/steuerdumping-biden-verdient-volle-unterstuetzung/


P.S.: Eil-Petition: “Rettet den Europäischen Green Deal” – Das Jahrhundertprojekt des Green Deals droht zu scheitern. Denn EU-Staaten und allen voran die deutsche Bundesregierung blockieren jede Ambition beim Klimaschutz. Aber noch haben wir gemeinsam die Chance den Green Deal zu retten. Helft mit Eurer Unterschrift und ladet andere dazu ein: www.change.org/save-the-green-deal

Rubrik: Unkategorisiert, Wirtschaft & Währung

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