Sven Giegold

Euractiv: Kampf um Regulierung der Finanzmärkte Finanzaufsicht – EU-Parlament vs. Rat

Kampf um Regulierung der Finanzmärkte Finanzaufsicht – EU-Parlament vs. Rat

Das EU-Parlament will fraktionsübergreifend mehr Kompetenzen für die neue EU-Finanzaufsicht. Sie soll Marktteilnehmern direkte Anweisungen geben dürfen. Grenzüberschreitend tätige Finanzinstitute, die potenziell ein Risiko für das gesamte Finanzsystem darstellen, sollen europäisch überwacht werden.

Das EU-Parlament geht im Ringen um die Regulierung der Finanzmärkte auf Konfrontationskurs mit Rat und Kommission. Die Finanzmarktaufsicht über internationale Großbanken in Europa soll künftig nicht mehr in der Hand der nationalen Aufseher liegen, sondern bei einem EU-Gremium angesiedelt sein, Opens external link in new  windowforderte der Wirtschaftsausschuss (Econ) am Montag. Außerdem wendet sich der Ausschuss gegen ein Vetorecht der nationalen Aufseher.

Vertreter der Mitgliedsstaaten äußerten sich skeptisch zur Position des Parlaments. „Die Regierungen werden diesen Forderungen nicht nachgeben“, Opens external link in new  windowzitiert die FTD einen Diplomaten.

Die künftige EU-Finanzmarktaufsicht soll nach den Plänen von Kommission und Rat aus drei Behörden bestehen, der Wertpapieraufsicht (ESMA), der Bankenaufsicht (EBA) sowie der Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht (EIOPA).

Deutschland und Großbritannien wehren sich bislang gegen weitreichende Befugnisse der geplanten Behörden (Opens external link in new  windowEurActiv.de vom 3. Dezember 2010).

Die EU-Abgeordneten fordern für die EU-Aufseher dagegen umfangreiche Durchgriffsmöglichkeiten, die von den Regierungen kaum blockiert werden können. Eine nationale Regierung müsste demnach eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten gegen die Entscheidungen mobilisieren, ohne dass das betroffene Land selbst stimmberechtigt sein soll.

Im Notfall sollen die EU-Behörden den Marktteilnehmern direkte Anweisungen geben, fordert der Ausschuss. Eine entsprechende Befugnis war in den ursprünglichen Plänen der EU-Kommission vorgesehen, ist bislang aber am Widerstand der Mitgliedsstaaten gescheitert.

Die deutsche Bundesbank lehnte ein Weisungsrecht der EU-Behörden strikt ab (Öffnet externen Link in neuem   FensterSiehe EurActiv.de vom 13. November 2009). Ein solches Eingriffsrecht würde Grauzonen in der Verantwortung zwischen nationalen Aufsichtsbehörden und einem europäischem Gremium schaffen. Auch die deutsche Versicherungswirtschaft wehrt sich gegen weitgehende EU-Kompetenzen.

Die deutschen Wirtschaftsweisen übten umgekehrt die Kritik, die Vorschläge von Kommission und Rat würden nicht weit genug gehen. Die geplante Aufsicht sei eine „verkorkste Reform“ und eine „verpasste Chance“ (Öffnet externen Link in neuem   Fenstersiehe EurActiv.de vom 13. November 2009). Als Schuldige macht das Expertengremium die nationalen Aufsichtsbehörden aus, die sich geweigert hätten, Kompetenzen abzugeben.

Die Verhandlungen des Parlaments mit dem Rat sollen im Juni abgeschlossen sein, damit das neue System der EU-Finanzaufsicht 2011 die Arbeit aufnehmen kann.

Positionen


Sven Giegold
, Berichterstatter für die Europäische Wertpapierbehörde, kommentierte den Beschluss: „Die Abgeordneten aus praktisch allen Fraktionen haben heute ein klares Signal an den Rat gesendet: Es ist höchste Zeit, konsequent die Lehren aus der Finanz- und Wirtschaftskrise zu ziehen und eine starke europäische Finanzmarktaufsicht einzuführen.“ Die schwachen und nicht wirklich europäischen Vorschläge des Rates seien völlig ungenügend. „Wer bei der Aufsicht national begründete Abstriche auf Kosten nachhaltiger und stabiler Finanzmärkte macht und im Kirchturmdenken verhaftet bleibt, bereitet den Weg für die nächste Krise.“

Der SPD-Finanzexperte Udo Bullmann (MdEP) sieht im Beschluss ein „klares Signal“ für eine starke europäische Finanzaufsicht. „Es wird höchste Zeit, dass Europa hier Verantwortung übernimmt“, so Bullmann.

Burkhard Balz (MdEP/CDU), stellvertretender Sprecher der EVP-Fraktion im Wirtschaftsausschuss erklärte: „Wir sind gegen ein Vetorecht der nationalen Aufseher. Nur eine europäische Behörde kann Risiken EU-weit tätiger Institute für die Finanzmarktstabilität überblicken und sachgerecht entscheiden.“ Einen politischen Hebel für die Mitgliedstaaten dürfe es nicht geben. „Nationale Machtfragen müssten zurückstehen, wenn es um Entscheidungen in der Sache geht“, so Balz.