Sven Giegold

Artenvielfalt: Europaparlament für verbindliches Biodiversitätsgesetz – Schwarz-gelbe Abschwächungen kommen nicht durch

Großer Erfolg im Europaparlament! Das globale Artensterben bekommt nicht die gleiche mediale Aufmerksamkeit wie der Klimawandel, doch die Auswirkungen sind nicht geringer. Ein Viertel der Säugetierarten, jede achte Vogelart, ein Drittel aller Korallenriffe, sowie 40 Prozent der Amphibienarten sind bedroht. Weltweit werden die wertvollsten Ökosysteme zerstört: Regenwälder und Korallenriffe. Sie stehen unter Druck durch den Hunger nach Land und Rohstoffen sowie den Klimawandel. Wenn sich der Zustand unserer Ökosysteme weiter verschlechtert, verschwinden in den nächsten Jahrzehnten rund eine Million Arten, mit verheerenden Folgen für das die globalen Ökosysteme. Das Europaparlament beschloss deshalb heute, 9. Juni 2021, einen umfassenden und ambitionierten Bericht zum Schutz der Biodiversität. Wir fordern ein europäisches Biodiversitätsgesetz – ähnlich dem europäischen Klimagesetz. Damit sollen für 2030 und 2050 verbindliche Ziele zum Schutz der Artenvielfalt festgelegt werden, die von den EU-Mitgliedstaaten eingehalten werden müssen. 

Ein Versuch von CDU/CSU und FDP, das Biodiversitätsgesetz zu unverbindlichen Zielvorgaben zu degradieren, ist gescheitert. Ihr Änderungsantrag wurde mit einer Mehrheit von Sozialdemokrat*innen, Grünen, Linken, vielen Liberalen und einigen Christdemokrat*innen abgelehnt (361 Abgeordnete stimmen für verbindliche Ziele, 325 dagegen, 11 Enthaltungen). Wie alle deutschen Abgeordneten zu rechtlich verbindlichen Zielen für das europäische Biodiversitätsgesetz abgestimmten, haben wir hier aufbereitet (gerne teilen!): https://twitter.com/sven_giegold/status/1402341216721702915?s=21 

Insgesamt sieben Mal versuchten die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP gemeinsam mit rechtskonservativen Abgeordneten rechtlich verbindliche Ziele aus dem Beschluss des Europaparlaments zu streichen – unter anderem zu Zielen zur Wiederherstellung der Natur, zum Bodenschutz, zum Schutz der Wälder und zur Minimierung des Pestizideinsatzes. Sieben Mal sind sie damit gescheitert! Denn eine Mehrheit des Europaparlaments aus Sozialdemokrat*innen, Grünen, Linken und vielen Liberalen steht für starke und verbindliche Regeln zum Schutz der Artenvielfalt. In der Schlussabstimmung stimmen 515 Abgeordnete für den Bericht, bei 90 Gegenstimmen und 86 Enthaltungen. 

Zu den großen grünen Erfolgen dieses Berichts zählen:

  • In Zukunft sollen mindestens 30 % der Meeres- und Landgebiete unter Schutz stehen und ein vielfältiges Spektrum an Ökosystemen abdecken, wie Wälder, Feuchtgebiete, Torfmoore, Weideland und Küstenökosysteme, und mindestens 10 % der Meeres- und Landgebiete der Union, einschließlich aller verbleibenden Primär- und Altwälder sollen besonders streng geschützt werden. Diese Ziele sollen verbindlich sein und von den Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene umgesetzt werden. 
  • Wir bestärken unseren Ruf nach einem einheitlichen europäischen Rahmen für den Schutz und die nachhaltige Nutzung unserer Böden. Eine verbindliche Bodenschutzrichtlinie soll Bodenversiegelung und Humusverlust minimieren. 
  • Die direkte Ausbeutung von Tieren soll ein Ende haben. Wir wollen hohe Tierschutznormen sicherstellen. 
  • Das kommende Gesetz zur Wiederherstellung der Natur soll insbesondere die Erneuerung und den anschließenden Schutz von Waldökosystemen durch spezifische, verbindliche Ziele garantieren. 
  • Wir begrüßen die Ziele der EU-Kommission, bis 2030 den Einsatz von Pestiziden um 50 % und die Nährstoffverluste um mindestens 50 % zu verringern, wodurch der Einsatz von Düngemitteln um mindestens 20 % verringert wird.
  • Wir lehnen die erneute Zulassung von Glyphosat nach dem 31. Dezember 2022 ab.
  • Auch aus internationaler Handelssicht ist es uns Grünen gelungen, eine sehr starke Position zu erreichen! Das Europaparlament erkennt nicht nur die schädlichen Auswirkungen des heutigen Handels auf den Verlust der biologischen Vielfalt und die Rolle bei der Beschleunigung der Ausbreitung von Pandemien an, sondern wir wollen die bestehenden Kapitel von Handels- und Investitionsabkommen aktualisieren und verbindliche und durchsetzbare Ziele zur Biodiversität festschreiben.

Der konservative Landwirtschaftsausschuss, angeführt von Norbert Lins (CDU), schaffte es, den Text an einigen Stellen zum Schutz der Wälder sowie zur Land- und Forstwirtschaft abzuschwächen. Keine dieser Änderungen beinhalten jedoch die Verwässerung konkreter Ziele des Berichts, die alle intakt geblieben sind.

Der heutige Beschluss ist eine klare Positionierung des Europaparlaments als Antwort auf die ohnehin schon gute Biodiversitätsstrategie der Europäischen Kommission aus dem Mai 2020. Da sich auch der Rat der Mitgliedstaaten schon positiv zu dieser Strategie geäußert hatte, gibt es nun von allen drei europäischen Institutionen einen klaren Auftrag für starke Gesetze zum Schutz der Artenvielfalt. Die Chancen auf eine ambitionierte Umsetzung sind also gut! Die ersten konkreten Gesetzesvorschläge mit verbindlichen Zielen zur Wiederherstellung der natürlichen Lebensräume werden noch in diesem Jahr auf den Tischen von Rat und Europaparlament landen. Bis dahin werden wir uns weiter für den Schutz von Natur, Umwelt und Tieren einsetzen. 

Mit grünen europäischen Grüßen

Sven Giegold

P.S.: Petition: “Rettet den Europäischen Green Deal” – Das Jahrhundertprojekt des Green Deals droht zu scheitern. Denn EU-Staaten und allen voran die deutsche Bundesregierung blockieren jede Ambition beim Klimaschutz. Aber noch haben wir gemeinsam die Chance den Green Deal zu retten. Helft mit Eurer Unterschrift und ladet andere dazu ein: www.change.org/save-the-green-deal


Der Entwurf des heute beschlossenen Berichts: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2021-0179_DE.html

Rubrik: Klima & Umwelt

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