Sven Giegold

Finanzmarktpolitik: Premiere – Europaparlament blockiert Umsetzungsregeln für komplexe Anlageprodukte (PRIIPs)

Ein Kernbestandteil der EU-Finanzmarktreformen ist das von Europarlament und Rat der Mitgliedsstaaten im April 2014 beschlossene einheitliche und leicht verständliche Finanzprodukte-Informationsblatt. Dies wird im Rahmen der sogenannten “PRIIPs-Verordnung” (EU-Sprech: “Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte”) eingeführt. Momentan arbeiten das Europaparlament, die Europäische Kommission und der Rat der Mitgliedsstaaten an der Umsetzung dieser Verordnung.

Ein wichtiger Schritt in diesem Arbeitsprozess ist die gestrige Abstimmung des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON) des Europaparlaments über die Detailvorschläge zur Umsetzung der PRIIPs-Verordnung (“delegated regulation”/”delegierte Verordnung”). Die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESAs) haben die Detailvorschläge erarbeitet, bevor sie von der Europäischen Kommission verabschiedet wurden. Die zuständigen Europaabgeordneten sowie Vertreter von Kommission und ESAs standen während des bisherigen Arbeitsprozesses miteinander in Kontakt. Mit der gestrigen Abstimmung hat der ECON-Ausschuss des Europaparlaments seine Position zu den PRIIIPs-Umsetzungsregeln
beschlossen. Wichtiges Ergebnis Grüner Arbeit: Der Verbraucherschutz stand im Zentrum der Kritik der Europaabgeordneten an den Detailvorschlägen der Kommission. Der nächste Schritt wird im September die Abstimmung der Europaabgeordneten im Plenum sein. Zwischen den beiden Abstimmungen sind Verhandlungen zwischen den zuständigen Parlamentsvertretern und der Kommission zu den Detailvorschlägen geplant.

Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, kommentiert:

“Mit der Ablehnung der Kommissionvorschläge haben wir die Verbraucher vor irreführenden Informationen zu Anlageprodukten geschützt. Das zentrale Manko der Kommissionsvorschläge sind die unrealistischen Ertragsprognosen für Anlageprodukte, die in vielen Fällen zu optimistisch ausfallen. Genau gesagt würden die im zukünftigen Informationsblatt enthaltenen Prognosen für viele Anlegeprodukte einen Gewinn ausweisen, während die Anleger in der Realität einen Verlust erlitten hätten. Mit der heutigen Abstimmung haben die Abgeordneten dafür gesorgt, dass die europäischen Verbraucher von solch irreführenden Informationen zu Anlageprodukten verschont bleiben.

Gegenüber der Kommission hat das Europaparlament mit der heutigen Abstimmung klargestellt, dass es diesen Abschnitt des Umsetzungsprozesses, der unter der Führung der Brüsseler Behörde steht, wirksam kontrollieren kann. In der vorhergehenden Umsetzungsarbeit (“sog. Ebene 2-Gesetzgebung”) hatte die Kommission oft die Position des Europaparlaments ignoriert. Mit der heutigen Ablehnung sanktioniert das Europaparlaments die Ignoranz der Kommission gegenüber den Abgeordneten im Laufe des Arbeitsprozesses zur Umsetzung der PRIIPs-Verordnung.

Auch wenn das Parlament der Kommission heute die gelbe Karte gezeigt hat, setzen wir uns weiterhin stark für die Umsetzung der PRIIPs-Verordnung ein. Diese Verordnung verbessert grenzüberschreitend Wettbewerb und Vergleichbarkeit von Finanzprodukten für Privatanleger. Auch Versicherungsanlageprodukte, wie z. B. Kapitallebensversicherungen gehören unter das Dach von PRIIPs. Aus diesen Gründen stellen wir nicht die Verordnung in Frage. Jedoch muss sichergestellt werden, dass die PRIIPs-Verordnung auch in der Praxis funktioniert und Verbrauchern bei ihren Anlageentscheidungen verständlich und korrekt informiert. Das Europaparlament wird jetzt zügig daran arbeiten, gemeinsam mit der Kommission eine tragfähige Lösung zu finden.”

Eine grafische und schriftliche Erläuterung des zentralen Mangels bei den Umsetzungsregeln der PRIIPs-Verordnung, nämlich bezüglich Prognosen zu zukünftigen Erträgen von Anlageprodukten finden Sie hier (auf Englisch): https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2016/09/PRIIPS-performance-scenario-shortcoming-graph-and-explanation.pdf

 

Die vom Ausschuss für Wirtschaft und Währung beschlossene Resolution zur Ablehnung von PRIIPs finden Sie: HIER