Sven Giegold

Gleichwertige Lebensverhältnisse: Wir sind auf einem guten Weg

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

gerade ist unsere 2. Nationale Tagung zur Regionalen Transformation in Essen zu Ende gegangen. 500 Expert*innen aus Wirtschaft, Politik, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft tauschten sich auf Deutschlands größter Tagung zur Regionalwirtschaft aus.

Und zu meiner Freunde wurde immer wieder unser „Gleichwertigkeitsbericht“ gelobt. Erstmals berichtet die Bundesregierung damit über die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland und zwar nicht nur basierend auf harten Daten, sondern auch auf Basis der Eindrücke der Bevölkerung. Die Federführung für den Bericht lag im BMWK, die Ko-Federführung beim BMI.

Möglicherweise fragt ihr Euch jetzt, warum neue Berichte eine gute Nachricht und ob sie wirklich in jedem Einzelfall erforderlich sind. Im Fall des Gleichwertigkeitsberichts ist diese Frage nicht nur leicht zu beantworten, vielmehr müsste sie meines Erachtens lauten: warum haben Bundesregierungen noch keinen Bericht dieser Art vorgelegt?

Denn gleichwertige Lebensverhältnisse sind wichtig für eine räumlich ausgewogene wirtschaftliche Entwicklung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für Chancengerechtigkeit und eine starke Demokratie – und sie betreffen alle Bürgerinnen und Bürger. Die Gleichwertigkeit – nicht die Gleichheit – hat daher auch Verfassungsrang. 

Es geht darum,

  • dass Menschen überall in Deutschland gut leben können,
  • dass sie überall gute Jobs haben und gut wohnen können,
  • dass sie Kita-Plätze und gute Schulen für ihre Kinder finden,
  • auf eine hochwertige Gesundheits- und Pflegeversorgung zugreifen können,
  • dass sie überall gute Luft einatmen können
  • und dass sie über eine gute Verkehrsanbindung verfügen.

Für den ersten Gleichwertigkeitsbericht, der den Titel „Für starke und lebenswerte Regionen in Deutschland“ trägt, haben wir untersucht, wo wir bei all diesen Zielen stehen. Alles wird in Karten dargestellt, die für jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt könnt Ihr ablesen, wie die Lage bei Euch im Vergleich zum Rest Deutschlands ist. Hier den Bericht selbst lesen.

Gegenüber dem bisherigen Erkenntnisstand stellt der Bericht in verschiedener Hinsicht einen bedeutenden Fortschritt dar:

Erstens enthält der Bericht zahlreiche Analysen zum Stand und der Entwicklung der Lebensbedingungen in einer fachlichen Breite und Tiefe, die es in dieser Form noch nie gegeben hat. Dabei werden die Indikatoren aus den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge sowie Klima und Umwelt auf Ebene aller Stadt- und Landkreise untersucht, aber auch bezogen auf Unterschiede zwischen Stadt und Land.

Zweitens wird erstmals auch die subjektive Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger zu den Lebensbedingungen vor Ort einbezogen: Eigens für den Bericht wurde im Auftrag unseres BMWK eine Bevölkerungsumfrage durchgeführt, an der mehr als 31.000 Bürgerinnen und Bürger teilgenommen haben. Die so gewonnenen Daten ermöglichen eine Gegenüberstellung von objektiven Daten zum aktuellen Stand und Fortschritt der Lebensbedingungen und subjektiven Einschätzungen.

Drittens beschreiben wir in dem Bericht erstmals systematisch die zahlreichen Maßnahmen, Programme und Initiativen, die auf eine Stärkung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zielen.

Viertens schafft der Bericht Transparenz zur regionalen Verteilung und der Wirkung der regionalpolitischen Maßnahmen des Bundes, die im sogenannten „Gesamtdeutschen Fördersystem für strukturschwache Regionen“ (GFS) zusammengefasst sind. Auch weitere regionalpolitisch bedeutsame Vorhaben, etwa auch die EU-Kohäsionspolitik, werden beschrieben und eingeordnet.

Fünftens liefert der Bericht eine Reihe von Ansatzpunkten, wie die Lebensbedingungen vor Ort weiter verbessert werden können.

Ein Befund des Gleichwertigkeitsberichts ist, dass die regionalen Unterschiede bei den Lebensbedingungen in Deutschland in den letzten Jahren überwiegend kleiner geworden sind. Entsprechende Fortschritte bei der Annäherung der Regionen sehen wir beispielsweise bezüglich der Wirtschaftskraft, der Arbeitslosenquote, der Lebenserwartung oder der Ganztagsbetreuung. Das sind erfreuliche Nachrichten. Auch weil die Unterschiede gerade in wirtschaftlich starken Ländern oft größer werden. Studien der OECD (OECD Regional Outlook 2023) bestätigen etwa, dass Deutschland zu der kleinen Gruppe von Ländern mit vergleichsweise starker Wirtschaftskraft gehört, bei denen regionale Ungleichheiten relativ niedrig und zudem über die Jahre kleiner geworden sind.

Wir sehen aber auch: Gerade die strukturschwächeren Regionen Deutschlands stehen weiterhin vor großen Herausforderungen, auch aufgrund des in diesen Gebieten weit überwiegend zu erwartenden Bevölkerungsrückgangs. Damit kann eine Schwächung der Fachkräftebasis, der wirtschaftlichen Lage und der kommunalen Haushalte einhergehen.

Die Ergebnisse der Bevölkerungsumfrage belegen, dass die Menschen in Deutschland weit überwiegend sowohl mit ihrem Leben eher oder sogar sehr zufrieden sind, wobei jeweils eine hohe positive Wechselbeziehung insbesondere mit steigendem Alter und dem Haushaltsnettoeinkommen zu beobachten ist. Die Umfrageergebnisse zeigen aber auch die zum Teil erheblichen regionalen Unterschiede bezogen auf einzelne Aspekte der Lebensbedingungen oder auch die Zukunftserwartungen aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger.

In der Gesamtbetrachtung unterstreichen die Analysen des Gleichwertigkeitsberichtes also: Wir sind in vielen Bereichen auf einem guten Weg, die regionalen Unterschiede nehmen in der Tendenz ab. Sie zeigen aber auch: Handlungsbedarfe bestehen weiterhin.

Handlungsbedarfe, die wir bereits adressieren. Denn die Bundesregierung trägt bereits heute mit einer großen Vielzahl an Maßnahmen, Programmen und Initiativen zur Stärkung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland bei. Dazu gehört das ressortübergreifende Herzstück der Gleichwertigkeitspolitik des Bundes, das 2020 eingerichtete Gesamtdeutsche Fördersystem für strukturschwache Regionen (GFS). Die Untersuchungen zum GFS verdeutlichen, dass die Mittel vor allem dort eingesetzt werden, wo der strukturpolitische Handlungsbedarf groß ist. So wurden knapp mehr als die Hälfte der GFS-Mittel im Jahr 2022 in den ostdeutschen Kreise eingesetzt. Aber auch zahlreiche westdeutsche strukturschwache Regionen – etwa in Norddeutschland, im Ruhrgebiet, in Rheinland-Pfalz, im Saarland und entlang der bayerischen Grenze zur Tschechischen Republik – haben pro Kopf bedeutende Zahlungen erhalten.

Die Ergebnisse der ebenfalls im Bericht dargestellten Evaluation des GFS belegen zudem, dass die Förderung greift. So stärken GFS-Programme unter anderem die Wirtschaftskraft, die Beschäftigung und Löhne, die Aktivitäten im Bereich Forschung und Entwicklung sowie die Breitbandverfügbarkeit und verbessern den Wanderungssaldo in den Regionen. Gleichzeitig machen die Ergebnisse der im Rahmen der GFS-Evaluation durchgeführten qualitativen Analyse und der Fokusgruppen-Gespräche jedoch deutlich, dass Ansatzpunkte zur Stärkung der Transparenz, Ausrichtung und Effizienz des GFS bestehen.

Und genau hier werden wir noch in dieser Legislaturperiode ansetzen und das GFS weiterentwickeln. Der Gleichwertigkeitsbericht enthält eine Reihe von weiteren Ansatzpunkten dazu, wie die Bundesregierung die Maßnahmen der Länder und Kommunen im Bereich der Regionalentwicklung künftig noch besser flankieren kann. Beispiele sind eine bessere Verzahnung auch der weiteren regionalpolitischen Maßnahmen oder ein verstärkter Austausch mit den Kommunen verbunden mit neuen Unterstützungsangeboten. Wir müssen auch die Synergien zwischen den raumwirksamen Bundesförderprogrammen und der EU-Kohäsionspolitik weiter stärken. Bei diesen und den weiteren in dem Bericht genannten möglichen weiteren Maßnahmen muss es uns darum gehen, die traditionelle Stärke unseres Landes mit seiner dezentralen Wirtschafts-, Siedlungs- und Verwaltungsstruktur auch in Zeiten des Wandels zu erhalten.

Zur Umsetzung ist unmittelbar mit dem Beschluss und der Veröffentlichung des Gleichwertigkeitsberichtes ein Folgeprozess gestartet. Dieser Folgeprozess wird auch zahlreiche Gelegenheiten zur Beteiligung von Akteurinnen und Akteuren aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft bieten. Als ersten Schritt haben wir bereits einen Tag nach Kabinettsbeschluss und Veröffentlichung des Gleichwertigkeitsberichtes eine öffentliche Konsultation gestartet. Alle Privatpersonen, Stakeholder, Institutionen und Unternehmen sind herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen (hier der direkte Link zu unserer Themenseite, die auch zur Konsultation führt:

https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Dossier/regionalpolitik.html

Wir wollen damit die bereits gewonnenen Erkenntnisse noch vertiefen und konkrete Vorschläge für politische Maßnahmen einholen. Um herauszufinden, was Bürgerinnen und Bürgern im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Gleichwertigkeitspolitik besonders wichtig ist, werden wir als BMWK darüber hinaus in mehreren Regionen Dialogwerkstätten mit zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern veranstalten. Damit wollen wir auch die Stimmen derer einholen, die sonst vielleicht nicht gehört werden.

All dies zeigt: Im BMWK kommen wir bei unserer umfassenden Neuaufstellung der Regionalpolitik in Deutschland in dieser Legislaturperiode weiter mit hohem Tempo voran. Sei es die grundlegend reformierte Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, sei es das Paket zur Stärkung des Strukturwandels in den Braunkohleregionen, sei es das Zukunftspaket für ostdeutsche Raffineriestandorte und Häfen, sei es der nun vorgelegte Gleichwertigkeitsbericht oder seien es viele weitere Initiativen: wir verbessern die Grundlagen für starke und lebenswerte Regionen weiter, Schritt für Schritt.

Viele Grüße

Euer und Ihr Sven Giegold

 

P.S.: Hier Gleichwertigkeitsbericht selbst lesen:

https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/gleichwertigkeitsbericht-der-bundesregierung-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=78

Rubrik: Unkategorisiert

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