Morgen, 5. Oktober, steht die Entscheidung über die neue EU-Liste der Steueroasen auf der Tagesordnung des Treffens der Wirtschafts- und Finanzminister*innen der 27 EU-Mitgliedstaaten. Im Vorfeld ist bereits bekannt geworden, dass die Liste gekürzt werden soll: Anguila, die Seychellen und Dominica sollen von der Liste gestrichen werden. Damit verbleiben noch neun Staaten auf der EU-Liste der Steueroasen: Amerikanisch-Samoa, Fidschi, Guam, Palau, Panama, Samoa, Trinidad und Tobago, U.S. Virgin Islands und Vanuatu.
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:
“Die PandoraPapers müssen ein Weckruf für die EU-Finanzminister sein. Leider zeichnet sich ein groteskes Bild beim Treffen der EU-Finanzminister ab: Während Journalisten das größte Steuerleak aller Zeiten veröffentlichen, schwächen die EU-Finanzminister ihre Liste der Steueroasen ab. Angesichts florierender Steueroasen ist es absurd, dass die Finanzminister die Steueroasen-Liste aufweichen. Die EU-Liste der Steueroasen taugt kaum etwas im Kampf gegen Steuerflucht. Die Liste ist schlechtes Stückwerk, es fehlen eine Reihe wichtiger Steueroasen. Die PandoraPapers zeigen, dass Milliardäre und Mächtige viele Steueroasen nutzen, die nicht auf der EU-Liste stehen. Zwei Drittel der Briefkastenfirmen in den Pandora-Daten liegen in den Britischen Jungferninseln, die aber auf der EU-Steueroasen-Liste fehlen.
Die Steueroasen-Liste muss grundsätzlich überarbeitet werden. Das Europaparlament fordert schon seit langem strengere Kriterien und einen unabhängigen, transparenten Entscheidungsprozess. Im Januar hatte das EU-Parlament gefordert, dass die EU-Liste der Steueroasen ein hartes Kriterium zur Transparenz von wirtschaftlich Berechtigten beinhalten muss. Die EU-Finanzminister haben die Einführung dieses Kriteriums seit Beginn der Steueroasen-Liste blockiert. Die PandoraPapers haben gezeigt, wie wichtig diese Informationen über die tatsächlichen Eigentümer einer Briefkastenfirma sind. Auch Drittstaaten sollen öffentlich zugängliche Register der wirtschaftlich Berechtigten von Firmen führen müssen, wie wir es bereits in der EU durchgesetzt haben. Die Kriterien für Drittstaaten auch im Bereich der Substanzprüfung und der fairen Besteuerung müssen nachgebessert werden. Die EU kann hier nur glaubhaft vorangehen, wenn sie diese Kriterien auch auf inner-europäische Steueroasen anwendet.
Wir brauchen nun harte Kriterien für den globalen Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden und mehr Transparenz. Es mangelt weiterhin an Transparenz über die tatsächlichen Eigentümer von Briefkastenfirmen und Immobilien. Ein verbesserter internationaler Austausch von Steuerinformation und mehr Transparenz über Eigentumsverhältnisse können Steuervermeidung und Geldwäsche eindämmen. Nach den PandoraPapers muss es ein Signal aus Europa gegen die globale Steuervermeidungskrise geben. Steuervermeidung verschärft die globale Ungerechtigkeit. Wir haben deshalb eine Debatte bei der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments über das neue Steuerleak durchgesetzt.”
Hintergrund:
Die EU-Liste der Steueroasen wurde 2017 mit dem Ziel eingeführt, Steueroasen weltweit zu auszutrocknen und sie mit Sanktionen zu belegen, um den Verlust von Steuereinnahmen zu stoppen. Aktuell deckt sie nur etwa 2 Prozent der Steuervermeidung von Unternehmen weltweit ab. Zuletzt hatte das Europaparlament strengere Kriterien für die Liste gefordert sowie eine konsequente und transparente Anwendung der Kriterien.
Die EU-Liste der Steueroasen ist das Ergebnis eines Überprüfungs- und Dialogprozesses der EU-Ratsgruppe “Verhaltenskodex Steuern” mit Drittländern. Dabei bewerten die EU-Mitgliedstaaten Drittländer nach Kriterien zu Steuertransparenz, fairer Besteuerung, Umsetzung von OECD BEPS-Maßnahmen und Prüfung der ökonomischen Substanz von Steuergestaltungen für Null-Steuer-Länder. Diese Kriterien werden leider nicht immer konsequent angewandt. Mitgliedsländer, wie z.B. Malta, die den Kriterien für Drittländer nicht entsprechen, werden leider nicht sanktioniert. Die Kriterien müssen zudem verschärft werden, um alle Steueroasen abzudecken. Außerdem fordert das Parlament, anhand der Kriterien auch Steueroasen in der EU klar zu benennen.
Eine detaillierte Aufarbeitung der Forderungen des Europaparlaments finden Sie hier: https://sven-giegold.de/beschluss-eu-liste-steueroasen/
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Die Türkei wird weiter auf der Beobachtungsliste bleiben und nicht, wie gemäß der Kriterien nötig, auf die Liste der Steueroasen gesetzt werden. Das Land tauscht immer noch keine steuerrelevanten Daten mit Zypern aus. Derzeit können nur zwei Mitgliedstaaten die Steuerdaten von der Türkei auswerten; für die meisten sind sie unlesbar. Trotzdem wird erwartet, dass die Mitgliedstaaten für die Türkei zum dritten Mal eine Ausnahme machen.