Voraussichtlich morgen (17. Februar) werden die ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten die aktualisierte EU-Liste der Steueroasen bekanntgeben. Die Türkei wird einen weiteren Aufschub bis Ende Juni 2021 erhalten, um Maßnahmen für mehr Steuertransparenz umzusetzen. Das Land steht schon lange in der Kritik, weil es den automatischen Austausch von steuerrelevanten Informationen mit EU-Mitgliedstaaten nicht umsetzt und keine Steuerinformationen mit Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien und den Niederlanden teilt. In diesen europäischen Ländern leben die meisten Türkinnen und Türken in Europa, circa 5 bis 7 Millionen. Außerdem teilt die Türkei keine Steuerdaten mit Zypern, mit dem sie auch keine diplomatischen Beziehungen unterhält. Die Türkei hatte bis zum 31. Dezember 2020 Zeit, den automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen zu implementieren. Dem ist sie nicht nachgekommen.
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:
“Die Türkei gehört auf die europäische Liste der Steueroasen. Der Aufschub für die Türkei ist eine Einladung zur Steuerhinterziehung vom Bundesfinanzminister höchstpersönlich. Je länger die Türkei keine Steuerdaten übermitteln muss, desto größer der Steuerschaden für Deutschland und Europa. Scholz’ Vorgehen gegen Steueroasen ist viel zu zögerlich. Olaf Scholz schwächt die ohnehin zahnlose EU-Steueroasenliste, indem er der Türkei eine grundlose Verlängerung beschert.
Durch das inkonsequente Vorgehen der europäischen Regierungen, wird der Kampf gegen Steueroasen unglaubwürdig und erfolglos. Wenn die EU gegenüber der Türkei Fristen setzt, muss sie auf deren Einhaltung drängen. Das Ende der Frist fiel mit dem Ende der deutschen Ratspräsidentschaft zusammen. Als sich abzeichnete, dass die Türkei die Forderungen der EU nicht umsetzt, hätte Deutschland reagieren müssen. Statt gegen die Türkische Regierung konsequent vorzugehen, lenkt Scholz mit seinem Steueroasengesetz ab. Das Steueroasengesetz wird nichts nützen, solange es nicht für die wichtigsten Steueroasen gilt. Zahlreiche florierende Steueroasen fehlen auf der EU-Liste, auf die sich Scholz’ Gesetz bezieht.
Das Europaparlament kritisiert schon lange die Intransparenz, mit der über die EU-Liste der Steueroasen entschieden wird. Der Preis für diese Intransparenz ist ein erheblicher Steuerschaden in Europa, für den die Allgemeinheit aufkommen muss.
Angesichts des Konflikts zwischen Zypern und der Türkei ist Deutschlands allzu zögerliches Vorgehen bedauerlich.”
Hier der Beschlusstext des Europaparlaments zur Reform der Steueroasen-Liste: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0022_DE.html
Hintergrund:
Die EU-Liste der Steueroasen wurde 2017 mit dem Ziel eingeführt, Steueroasen weltweit zu auszutrocknen und sie mit Sanktionen zu belegen, um den Verlust von Steuereinnahmen zu stoppen. Aktuell deckt sie nur etwa 2 Prozent der Steuervermeidung von Unternehmen weltweit ab. Zuletzt hatte das Europaparlament strengere Kriterien für die Liste gefordert sowie eine konsequente und transparente Anwendung der Kriterien.
Die EU-Liste der Steueroasen ist das Ergebnis eines Überprüfungs- und Dialogprozesses der EU-Ratsgruppe “Verhaltenskodex Steuern” mit Drittländern. Dabei bewerten die EU-Mitgliedstaaten Drittländer nach Kriterien zu Steuertransparenz, fairer Besteuerung, Umsetzung von OECD BEPS-Maßnahmen und Prüfung der ökonomischen Substanz von Steuergestaltungen für Null-Steuer-Länder. Diese Kriterien werden leider nicht immer konsequent angewandt. Mitgliedsländer, wie z.B. Malta, die den Kriterien für Drittländer nicht entsprechen, werden leider nicht sanktioniert. Die Kriterien müssen zudem verschärft werden, um alle Steueroasen abzudecken. Obwohl die Kaimaninseln einen Unternehmenssteuersatz von 0% haben, wurden sie im Oktober 2020 wieder von der Liste gestrichen. Um dies künftig zu verhindern, fordert das Europaparlament einen effektiven Mindeststeuersatz für Unternehmen als Kernkriterium, in der Größenordnung des durchnittlichen gesetzlichen Unternehmenssteuersatzes in der EU (21,7% in 2019).
Die Kaimaninselns sind verantwortlich für 16,5% der Steuerausfälle weltweit. Sie sind Teil des britischen Spinnennetzes aus Steueroasen, das für 37,4% aller Steuerverluste weltweit verantwortlich ist. Nach dem Brexit müssen die Kriterien konsequent auf Großbritannien und seine Überseegebiete angewandt werden. Außerdem fordert das Parlament, anhand der Kriterien auch Steueroasen in der EU klar zu benennen.
Eine detaillierte Aufarbeitung der Forderungen des Europaparlaments finden Sie hier: https://sven-giegold.de/beschluss-eu-liste-steueroasen/
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P.S. Kirchlicher Aschermittwoch – Gebet für Lesbos und Lipa. Nehmt Teil am politischen Nachtgebet u.a. mit Aminate Touré (Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtags), Volker Kauder und vielen anderen. Gemeinsam wollen wir Gottes Hilfe suchen, um die schrecklichen Zustände an den europäischen Außengrenzen zu ändern. Mittwoch, 17.2. 20 Uhr. Gleich hier anmelden!