Sven Giegold

Handelsblatt: Genossen in der Steueroase

handelsblatt-logo1

Handelsblatt, 3.1.2014

Genossen in der Steueroase

GASTBEITRAG von Sven Giegold

Trotz der jüngsten Regulierung von Fondsgebühren durch die BaFin bedienen sich Genossenschaftsbanken und die Deutsche Bank dank Luxemburger Schlupflöcher weiter bei ihren Kunden. Doch es gibt auch positive Beispiele.

Fast täglich liest man in deutschen Zeitungen Klagelieder über die angebliche Enteignung deutscher Sparer. Wie könne man bei negativen Realzinsen für sein Alter vorsorgen? Kaum jemand denkt an die hohen Kosten vieler Finanzprodukte von Banken und Versicherungen. Dabei mindern sie gerade in Deutschland den Ertrag der Anleger schmerzlich.

Die Vermögen in Deutschland sind auch im letzten Jahr wieder kräftig gewachsen. Schließlich halten die wirklich Vermögenden ihr Geld nicht auf dem Sparbuch. Wer in den Dax investiert hatte, konnte sein Vermögen in den letzten zwölf Monaten um 20 Prozent steigern. Nur, als Kleinsparer kann man nicht direkt den Dax kaufen. Die einzige Möglichkeit ist der Umweg über einen Fonds oder Zertifikate.

Immerhin hat die deutsche Bankenaufsicht BaFin kürzlich in einem seltenen Akt des Anlegerschutzes dem gröbsten Gebührenwildwuchs Einhalt geboten. Allerdings greifen die Regeln nur für deutsche Publikumsfonds. Fonds der Union Investment mit dem schönen Logo der genossenschaftlichen Finanzgruppe tragen solch wohlklingende Namen wie z.B. den UniDividendenAss mit seinen 774 Millionen Euro Fondsvermögen oder den im grünen Mantel gekleideten UniSektor Klimawandel. Wer denkt schon daran, wenn er einen solchen Fonds kauft, dass dieser nicht nach deutschem Recht reguliert sein könnte, selbst wenn der Anleger ihn bei seiner Volksbank gekauft hat. Dann jedoch gelten die neuen Regeln der BaFin zur Begrenzung unfairer Gebühren nicht.

So sind performance fees sind eigentlich eine sinnvolle Erfindung der institutionellen Anleger. Warum sollte man schlechte Ergebnisse durch hohe Fixkosten vergüten, lieber zahlt man nur erfolgsabhängig. Dank der Marktmacht der vier großen Bankengruppen in Deutschland beim Fondsvertrieb werden performance fees für Kleinanleger jedoch zusätzlich berechnet. Außerdem wurden die Erfolgsgebühren nicht symmetrisch gestaltet: sie belohnen auch den Zufallserfolg in einem Jahr ohne den Misserfolg im nächsten Jahr zu bestrafen. So wird hohe Volatilität, also Risiko für den Anleger, zur Gebührendruckmaschine für den Anbieter. Umso riskanter die Anlagestrategie, umso höher die Volatilität, umso höher sind die Gebühren. Wenn der Fonds nur eine um 10% höhere jährliche Schwankungsbreite hat, kostet dies den Anleger auf 10 Jahre mehr als 10% seines Vermögens.

Deutsche Fondswirtschaft sollte auf missbräuchliche Gebühren verzichten

Die deutsche Bankenaufsicht hat diese extreme Form der Selbstbedienung kürzlich eingeschränkt. Zwar wurden die Gebühren nicht, wie im institutionellen Bereich üblich, symmetrisch gestaltet, aber immerhin wurde eine Art Gedächtnis eingebaut, so dass bei schlecht wirtschaftenden Fonds die performance fee nur noch alle fünf Jahre berechnet werden kann. Allerdings gelten diese Regeln nicht für die Luxemburger Fondsvarianten. Deka und Allianz Global Investors haben sich daher erfreulicherweise entschlossen, auch für ihre in Luxemburg verwalteten Fonds freiwillig die verbraucherfreundlichen deutschen Regeln anzuwenden. Nicht so die DWS, Tochter der Deutschen Bank, und die genossenschaftliche UnionInvestment, bei der zwei Drittel aller Aktienfonds in Luxemburg verwaltet werden. Fast alle mit performance fee nach altem Muster. Erstaunlich, dass ausgerechnet die Genossenschaftsbanken diese Form der Gebührenschneiderei betreiben, wo doch das genossenschaftliche Förderprinzip die Interessen der Mitglieder und Kunden in den Mittelpunkt stellt und nicht die Maximierung von Gewinnen und Erträgen.

Viele glauben, das sei doch alles gar nicht so wichtig. Die Gebühren seien verschwindend gering. Doch das Gegenteil ist der Fall. Wer das Glück hat in Schweden zu wohnen und dort vierzig Jahre lang 100 Euro pro Monat in den staatlichen Pensionsfonds einzahlt, spart auch bei nur 5% Ertrag pro Jahr dank minimaler Verwaltungsgebühren von 0,1% über 141.000 Euro für seine Rente an. Wenn er hingegen in einen typischen deutschen Aktienfonds einzahlen würde, der auch 5% Rendite vor Kosten erwirtschaftet, blieben ihm nach Gebühren (5% Ausgabeaufschlag und 1,5% Verwaltungsgebühren pro Jahr) nur gut 96.000 Euro übrig. Sollten dank der performance fees noch einmal durchschnittlich 0,5% pro Jahr an Gebühren hinzukommen, verringert sich der Betrag auf unter 86.000 Euro. Damit ist die private Rente in Schweden also um 60% höher als in Deutschland und das nur aufgrund der aufgrund der geringen Gebühren.

Es wäre wirklich erfreulich und im Interesse der Anlegerinnen und Anleger, wenn die gesamte deutsche Fondswirtschaft auf missbräuchliche Gebühren verzichten würde.

Leider ist im Sommer 2013 meine Initiative im Europaparlament zur verbraucherfreundlichen Regulierung der Gebühren von Publikumsfonds in ganz Europa an den Stimmen von CDU, CSU, FDP und griechischen Kommunisten gescheitert. Jetzt hat die deutsche Bundesregierung die Chance dafür zu sorgen, dass ihre Sorgen um die private deutsche Altersvorsorge nicht nur Lippenbekenntnisse sind.

Die Bundesregierung sollte Druck in Brüssel machen, damit es zu einer gleichmäßigen Regulierung im EU-Binnenmarkt kommt. Hoffen wir also auf die deutsche Bundesregierung. Die EU-Börsen- und Marktaufsichtsbehörde ESMA könnte zügig mit Richtlinien reagieren, bis die EU-Kommission eine erneuerte Revision der Investmentfondsrichtlinie (Europasprech „Ucits VI”) vorschlägt, die das Problem rechtsverbindlich europaweit lösen könnte. Hierzu bin ich mit der EU-Kommission im Gespräch.

Sven Giegold sitzt seit 2009 für die Grünen im Europaparlament. Er ist dort Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Bevor Giegold im September 2008 Mitglied der Grünen wurde, engagierte er sich im globalisierungskritischen Netzwerk Attac. Er gehört zu den Mitgründern von Attac-Deutschland. Genossen in der Steueroase.

 

Rubrik: Unkategorisiert, Wirtschaft & Währung

Bitte teilen!