Beim ersten Mal, dass die EU Millionen für Rüstung ausgibt, verletzt sie ihre eigenen Transparenzregeln. Für die Expertengruppe der EU-Kommission “for the Preparatory Action on Defence Research (E03523)” ist nicht bekannt, wer ihre Mitglieder sind und wann sie sich wozu getroffen haben, obwohl die Regeln dies verlangen. In der hochrangigen “Group of Personalities”, die die EU-Kommission vor ihrer ersten Ausschreibung für Rüstungsforschung früher beriet, saßen 9 Firmenvertreter. 6 von diesen Firmen erhielten auch die ersten Aufträge, darunter aus Deutschland Fraunhofer. Eine parlamentarische Anfrage meiner Grünen Europaabgeordneten-Kollegin Bodil Valero aus Schweden zu den Mitgliedern der jetztigen intransparenten Expertengruppe ist seit 8 Wochen unbeantwortet, obwohl die Kommission nach 3 Wochen zu antworten hat.
Letzte Woche Mittwoch, 2. Mai, hat die Kommission im Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) vorgeschlagen mindestens 19,5 Milliarden Euro zwischen 2021 und 2027 für Rüstung auszugeben.
Dazu sagt der Berichterstatter des Europaparlaments für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Organen und wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:
“Das ist ein Fehlstart für die europäische Zusammenarbeit bei der Rüstung. Interessenkonflikte bei Rüstungssubventionen können teuer werden für die europäischen Steuerzahler. Die EU-Kommission ist nur bedingt abwehrbereit und intransparent bei der Beratung durch Vertreter der Rüstungsindustrie. Die EU-Kommission schätzt, dass 25-100 Milliarden Rüstungsausgaben eingespart werden können, wenn die gleichen Güter gemeinsam statt getrennt von Mitgliedstaaten beschafft würden. Europäische Verteidigungszusammenarbeit muss diese Einsparungen ermöglichen, statt Rüstungskonzernen zusätzliche Gewinne zu verschaffen. Beim Einstieg in den verminten Bereich der Rüstungsindustrie muss die EU-Kommission ihre eigenen Transparenzregeln besonders strikt einhalten. Wir fordern von Binnenmarkt- und Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska schnellstmögliche Aufklärung, welche Rüstungs-Lobbyisten die Kommission in den letzten Monaten wann getroffen und beraten haben.
Die EU-Kommission muss mit Transparenz und Wettbewerb verhindern, dass auf EU-Ebene der gleiche militärisch-industrielle Komplex wie auf Ebene der Mitgliedstaaten entsteht. Dort führt der Mangel an Transparenz und Wettbewerb zu aufgeblasenen industriellen Kapazitäten, Interessenkonflikten, Korruption und am Ende zur desolaten Ausstattung z.B. bei der Bundeswehr trotz milliardenschwerer Wehretats.”
HINTERGRUND
Advisory Group for the Preparatory Action on Defence Research (E03523) ohne Daten zu Mitgliedern und Tagesordnungen: http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupDetail&groupID=3523
Abschlussbericht der “Group of Personalities” zum Potential der EU-Verteidigungszusammenarbeit: https://www.iss.europa.eu/sites/default/files/EUISSFiles/GoP_report.pdf
Brief des NGO-Netzwerks ENAAT zum früheren Mangel an Transparenz der Group of Personalities: http://enaat.org/wp-content/uploads/2018/04/ENAAT-letter-to-Bienkowska_GoP_FINAL.pdf
Bericht der NGO Vredesactie zum Hijacking der EU-Verteidigungspolitik durch die Waffenlobby: https://www.vredesactie.be/sites/default/files/pdf/Securing_profits_web.pdf
Rüstungssparte der Fraunhofer-Gesellschaft mit 24 000 Mitarbeitern: https://www.fraunhofer.de/en/institutes/institutes-and-research-establishments-in-germany/fraunhofer-groups/defence-security.html