Sven Giegold

Kein Kehren vor der eigenen Tür: Europaparlamentarier verweigern sich Lobbytransparenz

Die Konferenz der Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament hat soeben ein Verhandlungsmandat für das Transparenzregister für Lobbyisten beschlossen. Konservative, Sozialdemokraten und Liberale haben sich jeder verpflichtenden Transparenz von Lobbyismus im Parlament, wie von den Grünen gefordert, verweigert.

Das Mandat ist Ausgangspunkt für die bald beginnenden Verhandlungen über eine Aktualisierung der bestehenden Interinstitutionellen Vereinbarung zwischen Europaparlament und EU-Kommission zum Transparenzregister für Lobbyisten. Das Parlament stimmt über den Bericht zu “Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen”, ebenfalls zu Lobbytransparenz, im September ab. Der Rat der Mitgliedstaaten diskutiert noch, unter welchen Bedingungen auch er sich dem Register und den damit verbundenen Transparenzregeln anschließen will.

 

Den Beschluss der Fraktionsvorsitzenden kommentiert, Sven Giegold, Berichterstatter für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen sowie Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament:

 

“Es ist äußerst scheinheilig, wenn das Europaparlament von der EU-Kommission strikte Lobbytransparenz fordert, aber sich selbst weniger strenge Regel geben will. Wir dürfen nicht mit zweierlei Maß messen und sollten uns wie die EU-Kommissare nur mit registrierten Lobbyisten treffen. Bei der Lobbytransparenz müssen die Europaparlamentarier endlich vor der eigenen Haustür kehren. Es wurde eine große Chance vertan, um das Vertrauen der Bürger in die europäische Politik zu stärken.

 

Mit der Verweigerung von Lobbytransparenz schneiden sich die Fraktionen in das eigene demokratische Fleisch, weil sie negative Vorurteile gegenüber der Politik befördern. Eine Selbstverpflichtung zu Lobbytransparenz wäre ein starkes Zeichen an alle Bürger gewesen. Interessenvertretung ist legitim und notwendig, braucht aber das Licht der Öffentlichkeit, weil Bürger sich zu Recht über den übermäßigen Einfluss finanzstarker Interessen sorgen. Bürger haben ein Recht zu erfahren, mit welchen Lobbyisten sich Politiker im Entstehungsprozess eines Gesetzes getroffen haben. Einen solchen verbindlichen legislative Fußabdruck haben Konservative, Sozialdemokraten und Liberale abgelehnt. Die Verweigerer von verpflichtender Lobbytransparenz nutzen den Schutz ihres freien Mandats als Feigenblatt, um nicht vor der eigenen Tür kehren zu müssen. Lobbytransparenz gefährdet nicht das freie Mandat der Abgeordneten, sondern schützt im Gegenteil den Gemeinwohlauftrag ihres Mandats.

 

Besonders ärgerlich ist auch, dass Rechtsanwälte weiterhin ihre für Gerichtsverfahren eingeführte Schweigepflicht für Lobbyismus missbrauchen können. Die Transparenzblockierer wollen für lobbyierende Rechtsanwälte beide Augen zudrücken. Beim Lobbyismus müssen für alle Interessenvertreter vielmehr die gleichen Regeln gelten.

Die Linken-Fraktion hatte lange harte Transparenzregeln unterstützt, ist kurz vor der Entscheidung aber umgefallen und hat dem halbgaren Mandat nicht widersprochen. Als Parlament in die Verhandlungen zu treten und viel von anderen fordern, aber nichts für sich selbst anbieten, wird nicht funktionieren. Ein ambitionsloses Parlamentsmandat ist deshalb ein Mühlstein um den Hals aller Verhandelnden für die Vereinbarung mit EU-Kommission und dem Rat der Mitgliedstaaten.”

 

 

Diese von Politico geleakte Version des Mandatsentwurf wurde ohne weitere Änderungen beschlossen: http://g8fip1kplyr33r3krz5b97d1.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2017/05/602260-OR-PLUS_EN-copy.pdf

 

Grüne Rechtsstudie zum Transparenzgebot und freiem Mandat von Prof. Dr. Alberto Alemanno: https://extranet.greens-efa.eu/public/media/file/7284/5204

Rubrik: Unkategorisiert

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