Sven Giegold

Fauler Hinterzimmer-Deal bei EU-Kommissaren: Große Koalition entmachtet das EU-Parlament

In Sondersitzungen der Ausschüsse des Europaparlaments hat heute eine große Koalition aus Konservativen/Christdemokraten und Sozialdemokraten vier problematische konservative Kandidaten für Kommissarsposten entgegen aller Bedenken bestätigt. Bei Lord Hill und Cañete bleiben weiterhin zahlreiche Fragen zu ihren Interessenkonflikten zwischen ihren eigenen Geschäften und ihren neuen Zuständigkeitsgebieten trotz schriftlichen Nachfragen und einer weiteren Anhörung offen. Die marktliberalen Überzeugungen der als Vizepräsidenten vorgesehenen Kandidaten Dombrovskis und Katainen widersprechen der bisherigen Mehrheitslinie des Europaparlaments.

Die Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:

„Der faule Deal von Konservativen und Sozialdemokraten geht auf Kosten der Demokratie. Wenn die Sozialdemokraten vier konservative Fehlbesetzungen auf wichtigen Kommissarsposten schlucken, um den einen Sozialisten Moscovici zum Wirtschaftskommissar zu machen, wird das vom Europaparlament erkämpfte Anhörungsrecht als demokratische Kontrolle wertlos. Die Große Koalition hat das Europaparlament heute de facto entmachtet.

Parteiübergreifend hatten die Fachausschüsse die Schwächen der Kandidaten auf ihren Posten schonungslos offen gelegt: Die Fragen zu Cañetes familiären Beziehungen zu Ölgeschäften und Anlagen in Steueroasen wurden zuletzt noch drängender. ( https://sven-giegold.de/2014/canete-in-tax-havens/ ) Über Lord Hills frühere Arbeit als Bankenlobbyist fanden Nichtregierungsorganisationen Informationen, die Lord Hill auch auf Nachfragen und in einer zusätzlichen Anhörung nicht selbst bereit war anzugeben. ( https://sven-giegold.de/2014/hill-quiller-interessenkonflikt/ ) Der als Vizepräsident für den Euro vorgesehene Dombrovskis bat ausgerechnet Bernd Lucke technische Hilfe zur Auflösung der Währung an. Katainen konnte weder erklären, woher 300 Milliarden für Investitionen in Europa kommen sollen, noch wie sie sinnvoll ausgegeben werden können. Er hatte als Monate Zeit, sich auf diese Fragen vorzubereiten.

Der Erfolg des Parlaments, Juncker als Kommissionspräsident gegenüber den Staats- und Regierunsgchef durchzusetzen, war nur möglich, weil die Sozialdemokraten Parteiinteressen zu Gunsten der Europäischen Demokratie zurückstellten. Mit Moscovici als Geisel, treten die Konservativen jetzt die demokratischen Vorrechte des Parlaments mit Füßen, um eigene Fehlbesetzungen durchzusetzen. Natürlich braucht die Juncker-Kommission eine Mehrheit im Europaparlament. Das bedeutet jedoch nicht, solch einen schrägen Deal zu schlucken. Die Kröte von vier schlechten Kandidaten für einen mäßigen eigenen ist selbst für leidgeprüfte Sozialdemokraten zu hoch.“

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